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Niedrigzinspolitik der EZB "Das billige Geld riecht nach Krise"

06.10.2014, 01:28

Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert mit niedrigen Zinsen in einen gefährlichen Teufelskreis, warnt Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon. Im Interview mit Volksstimme-Reporter Matthias Stoffregen fordert er die EU-Staatschefs auf, Reformen endlich anzupacken.

Herr Fahrenschon, wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Lage in Europa?
Georg Fahrenschon: Die europäische Wirtschaft befindet sich nach wie vor nicht im Normalzustand. Viele Länder bleiben mit ihrem Wachstum hinter ihren Möglichkeiten zurück, insgesamt mangelt es dem Euroraum an Wettbewerbsfähigkeit.

Woran liegt das? Immerhin versucht doch die Europäische Zentralbank (EZB), Wachstumsimplulse mit niedrigen Zinsen zu geben.
Hier stellt sich die Frage: Kann die EZB das wirklich leisten? Sie sorgt sich ja nicht mehr nur um die Geldwertstabilität. Sie entwickelt sich vielmehr zu einer Art europäischer Ersatzregierung, indem sie Aufgaben wahrnimmt, die nicht in ihren eigentlichen Zuständigkeitsbereich fallen. Fairerweise muss hierbei gesagt werden, dass die Regierungen der Eurozone die EZB auch in diese Lage gebracht haben.

Und in dieser Lage helfen niedrige Zinsen nicht weiter?
Nein, denn es ist ja genug Geld im Spiel. Das Problem besteht darin, dass die Unternehmen in vielen EU-Ländern kein Vertrauen in die gegenwärtige Lage haben und vor Investitionen zurückscheuen. Für sie riecht das viele billige Geld der EZB nach Krise.

Was muss die EZB aus Ihrer Sicht dann tun?
Sie darf ihre Niedrigzinspolitik nicht auf Dauer so fortsetzen, sonst gerät sie in einen gefährlichen Teufelskreis. Die niedrigen Zinsen erleichtern es den kriselnden Ländern, weiter Schulden zu machen, statt ihre Probleme anzugehen und Reformen einzuleiten. Die Folge: die Wirtschaft tritt wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit weiter auf der Stelle und es wächst sogar die Gefahr einer neuen Krise. Um das zu vermeiden, sollte die EZB die Krisenländer stärker dazu drängen, ihre Hausaufgaben zu machen. Das heißt, Arbeitsmärkte müssen reformiert, Haushalte in Ordnung gebracht und Strukturreformen eingeleitet werden.

Welche Folgen hat die Niedrigzinspolitik der EZB für Deutschland?
Wenn sich nichts ändert, verlieren die Verbraucher das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung. Die Zeche für die historisch niedrigen Zinsen zahlen die Sparer. Sie verlieren an Vermögen, weil die Zinsen derzeit niedriger ausfallen als die Inflation. Auf Dauer gefährden die niedrigen Zinsen auch die private Altersvorsorge und bringen Versicherungen in Schwierigkeiten.

Die Niedrigzinspolitik trifft nicht nur die Sparer, auch die Geschäfte der Banken leiden. Wie stark sind denn die Sparkassen betroffen?
Wir leiden natürlich auch. Die Sparkassen haben aber den Vorteil, dass sie über eine hohe Eigenkapitalquote von durchschnittlich gut 16 Prozent verfügen und somit ein niedriges Zinsumfeld leichter wegstecken können. Wir stehen sicher und stabil in den einzelnen Märkten.

Schließen sie Filialen?
Wir bauen sie um und holen mehr Kompetenz in die Filialen. Die Kunden in Deutschland legen nach wie vor Wert auf persönliche Beratung. Daran ändert auch der Trend nichts, dass sich immer mehr Verbraucher zunächst übers Internet oder über Apps informieren. Maßgeschneiderte Lösungen wird es weiterhin nur im persönlichen Kontakt mit dem Berater geben. Deshalb bleibt die Filiale unser erster Anlaufpunkt. Wir sparen nicht bei den Beratern, sondern versuchen die Kosten im Back-Office, also in der Verwaltung, zu senken. Und auch, wenn aus betriebswirtschaftlichen Gründen eine Filiale geschlossen werden muss, wird über andere Wege die Versorgung in der Fläche sichergestellt.

Was passiert, wenn die Zinsen auf Jahre weiter niedrig bleiben?
Die Sparkassen könnten damit noch eine ganze Zeit lang umgehen. Ich wünsche mir aber, dass die Staats- und Regierungschefs der EU endlich entschlossen Reformen anpacken, die öffentlichen Schulden abgebaut und Wachstumsimpulse gesetzt werden. Ich bin optimistisch, dass die neue EU-Kommission dies unterstützt. Jean Claude Juncker hat bereits angekündigt, dass für ihn Subsidiarität und Proportionalität ganz wichtig für die zukünftige Entwicklung Europas sind.