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Strafgebühren für Guthaben Müssen Sparer bald Zinsen zahlen?

Es ist ein Novum: Wer Geld bei der Bank anlegt, muss dafür Gebühren zahlen, statt Zinsen zu kassieren. Noch trifft es nur ausgewählte Kunden. Viele Sparer fragen sich, ob es dabei bleibt.

21.11.2014, 01:17

Frankfurt/Main (dpa) l Als erste deutsche Großbank führt die Commerzbank Strafzinsen für einige Kunden ein. Damit würde sich Geld auf dem Konto nicht mehr vermehren, sondern weniger werden.

1. Drohen Millionen Sparern jetzt negative Zinsen?
Nein, meint Branchenkenner Max Herbst von der Finanzberatung FMH: "Es dürfte Jahre dauern, bis Einlagen unter 250.000 Euro betroffen sein werden." Spareinlagen bis 100.000 Euro hält der Frankfurter Experte für gänzlich ungefährdet von den aktuellen Beschlüssen einzelner Banken: "Der Kleinsparer muss keine Angst haben, dass morgen sein Sparbuch mit 30.000 Euro mit Negativzinsen belastet wird." Auch die Commerzbank versichert: Privatkunden und Mittelstand würden von der Strafgebühr verschont.

2. Wie sieht es in der Branche insgesamt aus?
"Die Deutsche Kreditwirtschaft erwartet nicht, dass es zu negativen Einlagenzinsen für Privatkunden kommen wird", sagt BVR-Präsident Uwe Fröhlich als Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft. Branchenprimus Deutsche Bank plant derzeit nicht, "im breiten Kundengeschäft" Gebühren für Einlagen einzuführen.

3. Welche Kunden sind von Strafzinsen betroffen?
Die Commerzbank behält sich eine "Guthabengebühr" nach Angaben eines Sprechers "bei einzelnen großen Firmenkunden mit hohen Guthaben sowie bei Großkonzernen und institutionellen Anlegern" vor. Greifen soll das ab Dezember. Die Deutsche Skatbank - eine Direktbank-Tochter der Volks- und Raiffeisenbank Altenburger Land in Thüringen - erhebt seit November für Beträge auf Tagesgeldkonten von mehr als 500 000 Euro einen Negativzins von 0,25 Prozent. Dieser wird aber erst fällig, wenn die Gesamteinlagen des Kunden drei Millionen Euro überschreiten.

4. Warum verlangen Banken plötzlich Geld für Guthaben ihrer Kunden?
Die Institute begründen das mit der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Als erste größere Notenbank der Welt bittet die EZB seit Juni Geschäftsbanken zur Kasse, wenn diese Geld bei ihr parken. Zunächst waren es 0,1 Prozent, im September erhöhten die Währungshüter den Strafzins auf 0,2 Prozent. Diese Gebühr geben erste Banken nun weiter - etwa an Unternehmenskunden, für die sie große Geldbestände vorhalten. "Großinvestoren legen ihr Geld auch wegen der üppigen Einlagensicherung in Deutschland an", erklärt Branchenkenner Herbst. Er hält Gebühren für gerechtfertigt: "Sicherheit kostet halt Geld."

5. Trifft das nicht letztlich doch alle Bankkunden?
Auf Umwegen könnten Strafzinsen durchaus bei Kleinsparern und Verbrauchern ankommen: Zu den Großkunden der Banken mit teils gewaltigen Anlagesummen zählen auch Fondsgesellschaften. Denkbar ist, dass Fonds für Anleger weniger Rendite abwerfen, weil deren Anbieter bei ihrer Bank Gebühren für die Geldanlage zahlen müssen. Die Fondsgesellschaft Union Investment erklärt, sie halte ohnehin möglichst nicht mehr Liquidität vor als unbedingt notwendig und versuche aktuell, Gelder zum Beispiel in Festgeld umzuschichten.

6. Was soll der EZB-Strafzins überhaupt bezwecken?
Die Währungshüter wollen Banken dazu bringen, überschüssiges Geld nicht zu horten, sondern mehr Kredite an Unternehmen und Verbraucher zu geben. Das könnte die lahmende Konjunktur im Euroraum ankurbeln und die für den Wirtschaftsaufschwung gefährlich niedrige Inflation wieder in Richtung der EZB-Zielmarke von knapp 2,0 Prozent heben.

7. Geht das Kalkül der Währungshüter auf?
Banken haben ihre Übernacht-Einlagen bei der EZB kräftig verringert. Nach jüngsten Daten parken die Institute noch gut 25 Milliarden Euro bei der EZB. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, als das Misstrauen der Banken untereinander groß war, waren es mehr als 800 Milliarden Euro. Die Kreditvergabe jedoch hat nicht so angezogen wie erhofft. Viele deutsche Mittelständler haben ausreichend eigene Gelder für Investitionen.