Bahn-Streik Es rollt fast nichts mehr

Wer die bisherigen Streiks schon für heftig hielt, wird eines Besseren belehrt: mit dem längsten Ausstand bei der Deutschen Bahn überhaupt. Niemand konnte die Lokführergewerkschaft davon abhalten.

05.05.2015, 01:19

Berlin (dpa) l Millionen Pendler und Reisende trifft am heutigen Dienstag der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) rief ihre Mitglieder auf, bis zum Sonntag um 9 Uhr die Arbeit niederzulegen. Sie hält trotz großer Kritik am achten Arbeitskampf der laufenden Tarifrunde fest. "Wir wissen, dass die Bahnkunden nicht vor Begeisterung am Bahnsteig stehen und klatschen", sagte GDL-Chef Claus Weselsky - und wies der Bahn die Schuld zu. Am Montag hatte der Streik im Güterverkehr begonnen.

Deutschlands Konzerne fürchten durch den Ausstand einen Schaden von bis zu einer halben Milliarde Euro. Besonders betroffen sind nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) die Stahl-, Chemie- und Auto- branche, die auf die pünktliche Lieferung von Einzelteilen und Rohstoffen angewiesen seien. Die Bahn fürchtet, sie werde "massiv Geschäft verlieren". "Vor allen Dingen ist unser Image als verlässlicher Verkehrsträger in Gefahr", sagte Logistik-Vorstand Karl-Friedrich Rausch.

Der bundeseigene Konzern schlug abermals eine Schlichtung vor und erneuerte sein Angebot. Weselsky machte die Bahn verantwortlich: "Die Eskalation verursacht die Deutsche Bahn AG." Der Arbeitgeber verhandele seit zehn Monaten, ohne ein Ergebnis zu wollen. "Einen Schritt vor, zwei zurück", sei die Strategie. Der Konzern wies sämtliche Gewerkschaftsvorwürfe zurück. Auch der Deutsche Beamtenbund als Dachverband der Lokführergewerkschaft brachte eine Schlichtung ins Gespräch. Weselsky lehnte ab: "Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten", sagte er zur Begründung.

Die Bahn hatte zuletzt angeboten, die Löhne vom 1. Juli an in zwei Stufen um insgesamt 4,7 Prozent zu heben. Dazu sollte eine Einmalzahlung von 1000 Euro bis zum 30. Juni kommen. Die GDL fordert für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche. Ein Knackpunkt für die Gewerkschaft ist die Einstufung der Lokrangierführer im Tarifgefüge der Bahn. Sie kritisiert, die Bahn wolle diese Kollegen, die für das Koppeln und Entkoppeln von Zügen zuständig sind, niedriger einstufen als Mitarbeiter auf der Strecke.

Der Konflikt ist auch deshalb so schwierig, weil die GDL mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um Einfluss im Bahn-Konzern ringt. Außerdem will die GDL einen Erfolg erzielen, bevor das Tarifeinheitsgesetz der schwarz-roten Bundesregierung die Macht kleiner Gewerkschaften beschränkt.