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MP3 Ein Format, das die Musikindustrie umkrempelte

14.07.2015, 00:58

Illmenau (epd) l Karlheinz Brandenburg mag Musik. Er ist Elektrotechniker. Audiokomprimierung, also das Verkleinern von Audiodateien, ist sein Fachgebiet. Der Thüringer Wissenschaftler gilt als Erfinder des MP3-Formats. Die Geschichte beginnt Anfang der 80er Jahre an der Universität Erlangen-Nürnberg, wo Brandenburg studierte und auf eine Forschergruppe stieß, die sich mit Audiodateien auf Computern befasste.

Als Doktorand untersuchte er Möglichkeiten, digitale Musik zu komprimieren. 1000 DM hatte er dafür innerhalb seines Forschungsprojekts bekommen. Die legte er einem Händler in Erlangen auf den Ladentisch: "Ich brauche für 1000 DM CDs, habe ich gesagt. Ich will möglichst verschiedene Arten von Musik, denn ich muss alles durchprobieren."

Aus diesem Material sollten zunächst kleine Song-Ausschnitte auf den Rechner kommen. Der Test der neu konzipierten Verfahren dauerte schier ewig - für 20 Sekunden Musik brauchte der Computer vier Stunden. Schon bald wurde aus dem Projekt Teamwork, Brandenburg arbeitete mit fünf, sechs anderen Doktoranden zusammen. Alle begeisterte Tüftler. Motor der Entwicklung sei die Idee gewesen, digitalen Hörfunk zu ermöglichen. Der Gedanke, Musik auf Computern zu speichern, habe eigentlich nahegelegen: "Aber Festplatten waren damals so teuer, da hat niemand daran gedacht, Tausende Stunden Musik zu sammeln."

Datei auf ein Zehntel des Originals verkleinert

Jahrelange hantierten Brandenburg und Kollegen an den Musikstücken. Wieder und wieder versuchten sie, die digitalisierten Klänge zu verbessern. Das komplizierteste Lied: "Tom`s Diner" von Suzanne Vega. Ende 1992 hatten die Wissenschaftler einen ersten Standard erreicht. Vor 20 Jahren, am 14. Juli 1995, einigten sich die Forscher um Brandenburg dann auf den Namen des Formats: Die Dateiendung mp3 war geboren. Kann man verständlich erklären, was das Verfahren ausmacht? Das Stück werde in seine Bestandteile zerlegt, in einzelne Frequenzen. Im Endeffekt werden dann genau solche Informationen benutzt, wie sie das menschliche Gehör wahrnimmt. Dadurch habe man die Datei in sehr guter Qualität auf ein Zehntel des Originals verkleinern können. Nun konnten zahlreiche Lieder gespeichert werden.

Online-Plattformen wie die Musiktauschbörse Napster boomten, massenhaft luden Nutzer Musikstücke herunter - die Inhaber der Rechte schauten in die Röhre. Die Musikindus- trie nimmt inzwischen mit dem Verkauf von Tonaufnahmen nur noch rund halb so viel ein wie Ende der 90er Jahre. "Wisst ihr eigentlich, dass ihr die Musik- industrie zerstören werdet?" Das habe ein britischer Start-Up-Unternehmer sein Team schon Mitte der 90er Jahre gefragt, erzählt Brandenburg. Die Erlanger Wissenschaftler hätten Vertreter der Plattenfirmen frühzeitig auf die Entwicklung hingewiesen, seien aber kaum auf Interesse gestoßen.

Heute leitet der 61-Jährige das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie im thüringischen Ilmenau. Durch die MP3-Lizenzgebühren sei er wohlhabend geworden, sagt er. Auch seine damaligen Kollegen seien an den Einnahmen beteiligt. "Wenn die Leistung auf mich zugespitzt wird, ist mir das gar nicht lieb. Ich habe MP3 nicht alleine erfunden."