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Bürgerbegehren vom Gemeinderat als unzulässig erklärt / Bürgermeister reduziert es auf rechtliche Entscheidung Kita-Übertragung: Bürgerinitiative prüft eine Klage

Von Tobias Dachenhausen und Thomas Rauwald 19.07.2013, 01:16

Möser l Es ist ein Novum im Jerichower Land: Ein Bürgerbegehren zur Übertragung der Kitas von Möser/Schermen und Körbelitz wurde vom Gemeinderat als unzulässig erklärt. Die Bürgerinitiative denkt nun über eine Klage nach.

Mit "Es ist eine unfassbare Ohrfeige für die Bürger" ist die Stellungnahme der Initiatoren des Bürgerbegehrens nach der Entscheidung des Möseraner Gemeinderats vom Dienstag überschrieben. "Wir halten die Einschätzung der Unzulässigkeit des Begehrens für politisch völlig verfehlt und rechtlich zumindest fraglich", sagt Thomas Trantzschel.

Hintergrund: Bereits im Spätsommer des Vorjahres hat sich eine speziell für die Übertragung der beiden Kindertageseinrichtungen "MS Piratenclub" (Schermen/Möser) und "Regenbogen" (Körbelitz) ins Leben gerufene Arbeitsgruppe für das Kinderzentrum "Kunterbunt" als Favorit für die Übertragung in die freie Trägerschaft entschieden. Dafür gab es dann im Oktober 2012 auch einen Beschlussentwurf. Doch der Gemeinderat entschied nur, dass die beiden Einrichtungen in freie Trägerschaften gehen sollen, eine Entscheidung an wen blieb aus. Im Januar legte der Kultur- und Sozialausschuss den Zeitplan für das weitere Vorgehen fest, im April sollte die Entscheidung fallen. Dort beschloss der Möseraner Gemeinderat dann, die Übertragung der beiden Kindereinrichtungen an das Europäische Bildungswerk für Beruf und Gesellschaft (EBG) zu vergeben und sich gegen den Vorschlag der Arbeitsgruppe zu entscheiden.

Daraufhin initiierten Thomas Trantzschel und Steffen Burchhardt ein Bürgerbegehren, um die Entscheidung des Gemeinderates zu revidieren. 1384 Bürger sprachen sich gegen den Ratsbeschluss aus. 1162 Unterschriften wären rein formell nur gebraucht worden. Eine am 25. Juni geplante Ratssitzung zu dem Thema wurde aus Formalien am Mittag abgesagt. "Die für die Gemeinderatssitzung festgesetzten Tagesordnungspunkte und Beschlussvorlagen waren bisher nicht zur Vorbereitung in einer Haupt- und Finanzausschusssitzung", hieß es damals aus der Verwaltung. Das wurde Anfang dieser Woche nachgeholt. Mittlerweile hatte die Kommunalaufsicht mitgeteilt, dass sich das Thema nicht um eine wichtige Gemeindeangelegenheit handele, und erklärte das formell zwar zulässige Bürgerbegehren als materiell unzulässig. Die Kitas würden zukünftig weiter als öffentliche Einrichtungen betrieben. Die Gemeinde bliebe weiterhin Eigentümerin der Einrichtungen und bediene sich nur eines Verwaltungshelfers, so dass die Gemeinde maßgeblichen Einfluss auf die Einrichtungen habe. Folglich sei mit der Übertragung der gemeindlichen Kindertageseinrichtungen in freie Trägerschaft keine Aufhebung einer öffentlichen Einrichtung im Sinne der Gemeindeordnung verbunden. Damit gebe es keine Grundlage für einen Bürgerentscheid, heißt es in der Begründung der Kommunalaufsicht. Die SPD-Fraktion folgte dieser Auffassung nicht. Dennoch erklärte der Gemeinderat das Bürgerbegehren für unzulässig.

"Es ist unbegreiflich, dass die Meinung von über 1366 Wahlberechtigten nicht automatisch wichtig ist. Bürgermeister und die CDU-Fraktion verstecken sich hinter einer Stellungnahme der Kommunalaufsicht", sagt Steffen Burchhardt. Trantzschel pflichtet ihm bei: "Den Bürgern diese Entscheidung als rechtlich alternativlose Maßnahme zu verkaufen, können wir durch den gesetzlich verankerten Ermessensspielraum in der Gemeindeordnung so nicht folgen. Wäre ein Wille da gewesen, hätte es auch einen Weg gegeben."

Unterstützung erhalten die Initiatoren des Bürgerbegehrens auch aus der Politik. "Ich halte die Ablehnung der Zulassung für nicht gerechtfertigt, da die Hintergründe dieses Entscheides offensichtlich nicht berücksichtigt wurden, und somit der Fakt ¿Demokratie\' hier völlig außen vor gelassen wird", sagt Sabine Roszczka (Die Linke), Kreistagsmitglied und Ortschaftsrätin in Möser. "Es gab eine Entscheidung für den Träger ¿Kunterbunt\'. Diese wurde demokratisch getroffen. Mir erschließt sich bis heute nicht der Grund, warum von Seiten des Gemeinderates und der Gemeindeverwaltung eine andere, nichtdemokratische Entscheidung festgelegt wurde", äußert die Ortschaftsrätin ihren Unmut.

Als Bürger der Einheitsgemeinde Möser fragt sich auch Matthias Graner (SPD), warum der Gemeinderat nicht den Mut habe, sich gegen die "schwammige Stellungnahme der Kommunalaufsicht" durchzusetzen. "Sonst wird immer furchtlos auf kommunale Selbstverwaltung gepocht - hier versteckt man sich kleinlaut hinter der Aufsichtsbehörde und redet sich ein, trotz klar formulierten Bürgerwillens keine andere Entscheidung treffen zu können. Da wundert es nicht, dass manche Bürger befürchten, bei der Vergabeentscheidung seien noch andere, nicht offen ausgesprochene Interessen im Spiel", so das Kreistagsmitglied.

Bürgermeister Bernd Köppen sagt, dass er die emotionale Diskussion und die Kritikpunkte durchaus verstehe. "Letztendlich kam es aber in diesem Fall nur auf eine rechtliche Bewertung an. Die Kommunalaufsicht hat das eindeutig herausgearbeitet, so dass nur diese Entscheidung blieb", verdeutlichte der Bürgermeister. Das Thema sei allerdings noch nicht vom Tisch. "Es folgt ein Verwaltungsakt, dann warten wir erstmal ab und über weitere Schritte möchte ich an dieser Stelle noch nichts sagen", erklärt Köppen.

Das Innenministerium, das am Montag zu einer Stellungnahme zum rechtlichen Hintergrund angefragt wurde, kündigte eine Antwort für heute an.

Trantzschel und Burchhardt dagegen prüfen jetzt gründlich den Schritt, das Verwaltungsgericht einzuschalten. "Damit künftig das Interesse der Bürger stärker berücksichtigt wird, muss sich aber etwas im Gemeinderat verändern. Ich bin mir sicher, dass in der nächsten Kommunalwahl einige Quittungen verteilt werden", prognostiziert Burchhardt.

Im Volksstimme-Ted unter www.volksstimme.de/begehrenmoeser hatten bis gestern Abend 193 Leser den Gemeinderatsbeschluss abgelehnt. 18 Leser halten ihn für richtig.