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Familie Heckel will endlich ihr Haus in Alt Lostau nach der Flut neu aufbauen Sechs Monate nach dem Wasser noch kein Gutachten

Von Franziska Ellrich 27.01.2014, 02:34

Ihr Elternhaus wurde von der Flut völlig zerstört. Trotzdem haben die Heckels entschieden zu bleiben, das Haus neu aufzubauen - dieses Mal höher. Längst wollten sie damit beginnen. Doch das endgültige Gutachten für die Versicherung liegt auch sechs Monate nach dem Wasser nicht vor.

Lostau l Ganz vorsichtig zieht René Heckel einen alten Lehmstein nach dem anderen aus der bröckelnden Mauer in seinem ehemaligen Wohnzimmer. Wo vor einem halben Jahr noch eine Leuchte von der hellen Decke hing, steht jetzt ein Bauscheinwerfer. Wo es sich die vierköpfige Familie gemütlich gemacht hat, stapelt René Heckel Steine in einer Schubkarre. "Die Steine sind über hundert Jahre alt, die wollen wir in dem Neubau mit einmauern", erklärt der Alt Lostauer.

Es ist das Elternhaus seiner Frau, das vom Hochwasser im vergangenen Jahr völlig zerstört wurde. "So hoch stand das Wasser noch nie", sagt Anke Heckel. 1840 wurde der erste Spatenstich für das Haus gesetzt. Daran, dass das Wasser im Garten steht, hat sich die 48-Jährige längst gewöhnt. "Als Kinder war das sogar cool, wenn daraus eine Eisfläche fürs Schlittschuh laufen wurde."

"Nur zu sanieren, macht keinen Sinn, wenn das Wasser wieder kommt."

Doch bei dem Wasserstand von2013 wurden alle Räume sowie die Anbauten zerstört - die Heckels haben lange diskutiert, ob sie in Alt Lostau bleiben. Und ja, sie wollen. Aber: "Nur zu sanieren, macht keinen Sinn, wenn das Wasser wieder kommt", erklärt René Heckel. Deswegen wollen sie das Haus ab- reißen und neu bauen. Die Garage unten - das Haus darauf.

Das sieht der Sachverständige, der das Gutachten für die Versicherung der Heckels erstellt, jedoch anders. Mitte Juni kam Andreas Meßerschmidt nach Alt Lostau, um sich ein Bild von den Flutschäden zu machen. "Er hat die Wände und Fußböden abgeklopft, sich Fotos von davor angesehen", sagt Anke Heckel. Das Paar hatte ein gutes Gefühl. Rund sieben Wochen sollte es bis zur Fertigstellung des Gutachtens dauern. Darauf sind die Heckels angewiesen. Sie brauchen die genaue Schadenssumme, um einen Finanzplan zu erstellen - erst dann kann ein Antrag bei der Investitionsbank gestellt und Kredite aufgenommen werden. Ohne Gutachten also auch kein Baubeginn.

"Wie sollen wir das finanzieren? Wir brauchen ein realistisches Gutachten."

Aus diesem Grund hat sich der selbständige Dachdecker René Heckel mit dem Sachverständiger geeinigt: Er fertigt mit der Hilfe eines Ingenieurs vom Fach ein eigenes Gutachten an und Andreas Meßerschmidt kann anhand dessen seine Arbeit beschleunigen. Maximal vier Wochen sollte das dauern.

René Heckel hat sich an die Abmachung gehalten. 45 Seiten hat er in das Leipziger Sachverständigenbüro geschickt. 13 Wochen später noch kein Gutachten. "Es gibt keine Frist für die Erstellung eines Gutachtens. Es ist aber auch in unserem Interesse, ein Gutachten schnellstmöglich zu erhalten", erklärt Claudia Wagner von der Ergo-Versicherung. Doch die Erstellungsdauer sei eben auch von der Auslastung des Sachverständigen abhängig. Und genau damit argumentiert man im Leipziger Sachverständigenbüro. Dort heißt es: "Auf unseren Schreibtischen stapeln sich nach dem Hochwasser die Gutachten für Flutopfer, das braucht seine Zeit."

Als im November dann endlich Post aus Leipzig kommt, sind die Heckels erschrocken: 20000 Euro Differenz lagen zwischen ihren Berechnungen und denen des Sachverständigers. "Wie sollen wir das finanzieren? Wir brauchen endlich ein realistisches Gutachten." Genau das ist René Heckels Problem. Andreas Meßerschmidt hat in seinen Berechnungen Preise angesetzt, die unrealistisch sind. "Es gibt für solche Gutachten extra Kostenspielräume, angepasst auf die Regionen." Der Dachdecker hat sich belesen. Der Sachverständige liegt mit seinen Vorschlägen meist am Minimum oder sogar darunter. "Was er zum Beispiel für Abrissarbeiten veranschlagt, werden wir niemals so günstig machen lassen können", nennt Heckel nur ein Beispiel von vielen. Rund 120000 Euro wird die Alt Lostauer der Umbau kosten - eine Summe bei der jeder Cent zählt.

Deswegen haben die Heckels jetzt Widerspruch eingelegt. Andreas Meßerschmidt kann jedoch keinen Fehler in seinem Gutachten erkennen. Die letzte Chance für die Alt Lostauer: Einen eigenen Sachverständigen beauftragen. "Das steht dem Versicherungsnehmer selbstverständlich frei, die Kosten sind dann selbst zu tragen", so Claudia Wagner von der Ergo-Versicherung. René Heckels Ziel ist es, sich auf Grundlage des eigenen Gutachtens mit seiner Versicherung zu einigen. "Bisher haben wir dort große Unterstützung erfahren, also habe ich Hoffnung."

"Spätestens zu Weihnachten wollen wir in unserem neuen Haus wohnen."

Die hat auch Anke Heckel: "Spätestens zu Weihnachten wollen wir in unserem Haus wohnen." Die 48-Jährige bleibt trotz der ihr abverlangten Geduld optimistisch. Zurzeit ist das Paar in dem Haus einer Freundin in Niegripp untergekommen - die beiden Söhne haben eine Wohngemeinschaft in Möser gegründet. Die Sachen müssen also auch ein halbes Jahr nach dem Hochwasser noch in Kisten verpackt und überall verstreut untergestellt bleiben. Das zerrt.