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Nicht nur wegen Funden aus Gerwisch und Schermen lohnt sich der Weg ins Kreismuseum nach Genthin Geschätzte Gegend seit der Altsteinzeit

08.07.2014, 01:29

Der berühmte Gerwischer Faustkeil ist nur ein Grund, weshalb es sich lohnt, den Weg ins Kreismuseum Jerichower Land nach Genthin auf sich nehmen. Museumsleiterin Antonia Beran führt kompetent durch die Sammlung und weiß das Interesse an Regionalgeschichte zu wecken.

Genthin/Biederitz/Möser l Vergilbt und angestoßen, aber immer noch ihren Zweck erfüllend: Die Pappe ist selbst schon ein Fall fürs Museum. Mit sauberer Schreibschrift sind darauf seit 125 Jahren der Fundort Schermen und das Fundstück selbst vermerkt, eine Fibel. Mit diesen Gewandschließen wurden einst Umhänge befestigt. Die Legionäre trugen sie ähnlich wie Abzeichen. Deshalb lässt sich heute die Region zuordnen, wo die in Schermen gefundene Fibel einst getragen wurde: auf dem Balkan oder im Schwarzmeergebiet.

In Schermen gebe es den über tausend Gräber umfassenden Friedhof, der mehrere hundert Jahre als Begräbnisstätte genutzt wurde, erklärt Museumsleiterin Antonia Beran. Erst beim Bau der neuen Autobahnabfahrt seien erneut viele Funde von Gräbern mit Beigaben gemacht worden. Diese liegen im Hallenser Museum für Vorgeschichte.

Dort befindet sich auch das Original des Gerwischer Faustkeils. "Aber wir haben eine sehr gute Nachbildung", sagt Antonia Beran. Dass der Faustkeil - immerhin der älteste Beweis, ab wann unsere Region bewohnt war - ein Gerwischer ist, musste erst einmal herausgefunden werden. Das Werkzeug wurde 1957 im Betonwerk Dingelstedt am Huy entdeckt. Die Kiesfuhre konnte nach Gerwisch zurückverfolgt werden, wo schon seit 1888 Kies abgebaut wurde.

Der Gerwischer Faustkeil aus dem Paläolithikum, der Altsteinzeit, zeigt nicht nur die "Zweckmäßigkeit der Werkzeuge". Es scheine, "als darüber hinaus auch das ästhetische Empfinden unserer Vorfahren zu erwachen begann", schreibt Thomas Weber in "Schönheit, Macht und Tod. 120 Funde aus 120 Jahren Landesmuseum für Vorgeschichte Halle".

Wahrscheinlich würden sehr viel mehr Funde dieser Art gemacht werden, wenn jedes Kieswerk seinen Ertrag durch ein Sieb schicken würde. Antonia Beran ist es schon mehr als einmal passiert, dass Baggerfahrer ihre Entdeckungen ins Kreismuseum brachten.

Während in der Ausstellung zur Urgeschichte die Funde ihren Orten zugeordnet sind, geht es in der Neuzeit um die historischen Prozesse und Entwicklungen. Da sei das Kreismuseum Jerichower Land ein wenig nordlastig, räumt die Museumsleiterin ein. Das hat seinen Ursprung in der Entstehungsgeschichte des Hauses. 1908 übernahm der Kreis Jerichow II die Sammlung des Vereins der Altertumsfreunde in Genthin und erweiterte sie. Als 1973 das Burger Stadt- und Schulmuseum geschlossen wurde, weil die Burger sich auf die Arbeitergeschichte und vor allem Hermann Matern spezialisieren sollten, ging ein Teil der kulturgeschichtlichen Sammlung, wie Textilien, Militaria und Hausrat, von Burg nach Genthin über. Das Magdeburger Kulturhistorische Museum pflegte unter anderem Kunstgegenstände und Möbel in seinen Bestand ein.

Arbeitsbeginn um 6 Uhr morgens, zwei Pausen, Arbeitszeit bis "nachmittags halb sieben, an Sonnabenden und Feiertagen nur bis 6 Uhr". Das ist in der Arbeitsordnung der Burger Schuhfabrik Conrad Tack festgelegt, die im Kreismuseum ebenso ausgestellt ist wie das Symphonium. Vor allem Kinder sind bei Rundgängen mit Antonia Beran durch das Museum immer schwer beeindruckt, wie schön der hölzerne Kasten seine Melodien spielt. "Für Familien war es damals eine Errungenschaft, eine Spieluhr zu besitzen."

Aus der ursprünglichen Burger Militaria-Sammlung sind derzeit unter anderem Pickelhaube und Stoffüberzug, Stahlhelme und Uniform in der Sonderausstellung "Heeresbericht - Schicksale im Ersten Weltkrieg: Edlef Köppen und andere" zu sehen. Die spannende Sonderausstellung über den in Genthin geborenen Schriftsteller, der den Antikriegsroman "Heeresbericht" nach seinen eigenen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg schrieb, läuft noch bis 5. Oktober.