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Bäckermeister Gerhard Pieper aus Rietzel freut sich über die Verleihung des Diamantenen Meisterbriefes durch die Handwerkskammer Magdeburg In 35 Berufsjahren mehr als 1,7 Millionen Brote gebacken

Von Bettina Schütze 25.07.2014, 03:24

Rietzel l Die Handwerkskammer Magdeburg hat kürzlich Bäckermeister Gerhard Pieper aus Rietzel bei einer Festveranstaltung im Haus des Handwerks den Diamantenen Meisterbrief verliehen. Die Meisterprüfung hatte der Rietzeler am 17. Juni 1954 abgelegt. Mit gerade mal 22 Jahren hat er seinen Meisterbrief gemacht. In seiner Meisterklasse waren damals 23 Schüler. Drei von ihnen erhielten bei der Festveranstaltung den Diamantenen Meisterbrief.

Vater Willi Pieper hatte 1927 den Bäckerbetrieb in Rietzel gegründet und ihn 30 Jahre lang geführt. Gerhard Pieper: "1946 hat mein Vater zu mir gesagt, du lernst Bäcker, keine Widerrede." Und so war der berufliche Werdegang vorgezeichnet, der 35 Jahre anhalten sollte.

Zur Lehre, von 1946 bis 1949, musste der junge Gerhard Pieper zweimal zur Kaufmännischen Berufsschule nach Magdeburg-Sudenburg fahren. Für den Meisterprüfung-Lehrgang ging es dann noch einmal ein dreiviertel Jahr regelmäßig nach Magdeburg. Die Prüfung selbst erstreckte sich über drei Tage. "Am ersten Tag mussten wir in Rothensee praktisch arbeiten. Tags darauf folgte die schriftliche und den Abschluss bildete am dritten Tag die mündliche Prüfung", erinnert sich der 82-Jährige. Gefragt waren zur Prüfung Plundergebäck, Kalkulation und Buchführung.

"Früher haben die Leute noch die Eier für eine Torte gebracht."

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Prüfung wurde schön gefeiert. Für den frischgebackenen Bäckermeister stand danach die Rückfahrt nach Rietzel an. Die führte mit dem Zug von Magdeburg nach Burg. Von dort aus ging es mit dem Fahrrad weiter nach Rietzel. In Reesen wurde er von der Polizei angehalten, weil an seinem Rad kein Licht brannte. Gerhard Pieper: "Ich habe den Polizisten von meiner Meisterprüfung erzählt und sie rieten mir, abzuhauen und nach Hause zu fahren."

Das Berufsleben begann 1950 mit einem Jahr Arbeit in der HO-Konditorei in Burg. "Dort habe ich unter anderem Marzipan-Rosen gelernt. Das kam mir später zugute", so Gerhard Pieper. Und früher, so erinnert sich der Rietzeler, haben die Leute für eine Torte auch noch selbst die Eier gebracht.

Im Heimatdorf selbst lebten damals viele Flüchtlinge, die mit Lebensmittelkarten einkauften. Gerhard Pieper: "Die Karten wurden aufgeklebt und im Rat des Kreises abgerechnet. Dafür gab es dann Mehl."

Als seine Spezialität bezeichnet der Bäckermeister die Torte "Schachbretter". "Die war ein Renner und gab es nicht woanders." Die Torte, aus festem, ein bisschen herzhafteren Mürbeteig, wird heute noch gebacken.

"Der Bürgermeister ist weg, aber die Bäckerei gibt es heute noch."

1957 übernahm Gerhard Pieper die Bäckerei vom Vater. Ehefrau Hannelore stand ihm all die Jahre zur Seite. Der gemauerte Backofen, der rund 30 Jahre hält, ist ihm heute noch in Erinnerung. Er war ausgebrannt und ein neuer musste her. Die Bestellzeit beim VEB Backofenbau Magdeburg lag bei einem halben Jahr. Da lag es nahe, selbst Hand anzulegen. "Uns fehlten für die Vorderfront 1000 Hartbranntsteine. Vom Bürgermeister benötigte ich einen Schein, um diese Steine aus Kleps holen zu können", blickt Gerhard Pieper zurück.

Aber der Bürgermeister hatte wenig Verständnis und schickte ihn mit den Worten "Im Sozialismus werden Sie doch nicht mehr gebraucht" nach Hause zurück. Nach einer Rücksprache mit Kleps ging es zurück zum Bürgermeister. Gerhard Pieper: "Ich habe ihm gesagt, dass ich den Ofen auch ohne seine Hilfe bauen werde. Da hat er den Schein unterschrieben."

Später erzählte der Rietzeler diese Story öfter mit dem Satz: "Der Bürgermeister ist weg, aber die Bäckerei gibt es heute noch."

1992 übergab Gerhard Pieper die Bäckerei an seinen Sohn Gerd, der sie heute noch führt. Am 1. September 2002 feierte die Bäckerei ihr 75-jähriges Geschäftsjubiläum. Enkel Willi hat seinen Vornamen dem Vater von Gerhard Pieper zu verdanken. Der Berufsweg von Willi jun. führt derzeit aber nicht in Richtung Bäckerhandwerk. "Wer weiß, was später mal wird", so Gerhard Pieper.

In der Hochkonjunktur der Firma wurde dreimal am Tag, dienstags bis freitags, Brot gebacken, 240 Stück pro Tag. Das waren 960 Brote die Woche, 49 920 im Jahr und 1 747 200 in den 35 Jahren seiner Berufszeit. Bis zur Wendezeit holte die beispielsweise die Schweinemast Stresow an den Backtagen 70 bis 100 Brote mit dem Lkw aus Rietzel. Brötchen wurden zweimal in der Woche gebacken.

Auch heute noch steht der Rentner regelmäßig ab 7 Uhr in der Konditorei und hilft ein paar Stunden mit. Der große Fan der "Original Fienerländer Musikanten" aus Tucheim fehlt bei kaum einem Konzert seiner Lieblinge. Zum Adventskonzert gibt es dann immer eine Torte für die Musiker.