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Radler mit Gommerns Wegewart Steffen Grafe auf Schlössertour durch die Einheitsgemeinde Gommern Durch die Hölle geht es zur wilden Zicke

Von Manuela Langner 20.08.2014, 03:11

Ein ganztägiger Ausflug war die Schlössertour mit Gommerns Wegewart Steffen Grafe am Sonntag. Die Radler lernten unterwegs viel Wissenswertes über ihre Heimat und hatten dank der guten Streckenführung den Wind fast immer im Rücken.

Gommern l Ins Verließ führt die Radler ihre erste Etappe. Heute ist es bequem ohne Stufen zu erreichen, die letzte Frau, die als Hexe verschrien war, wurde noch über das Angstloch hinabgelassen. Die Öffnung in der Decke ist nicht sehr breit. Mehrere Jahre saß die vermeintliche Hexe in dem kühlen, dunklen Gemäuer ein. Bis sie an den Folgen der Folter starb. Die Tür zu ebener Erde ist erst nachträglich in die über drei Meter starken Wände des Bergfrieds auf der Wasserburg zu Gommern gebrochen worden. So lange sollte der hohe Zugang per Strickleiter Sicherheit vor dem Feind bieten, wenn der massive Bergfried der letzte Zufluchtsort geblieben war.

Jennifer Kosowsky von Hotel, Gasthof und Brauerei Wasserburg zu Gommern zeigt mit dem Gewölbekeller auch den "schönsten Veranstaltungsraum", den die Wasserburg zu bieten hat. Für Hochzeiten und Geburtstagsfeiern wird er gern genutzt. Sie erklärt die mehr als 1000-jährige Geschichte der Wasserburg, die Nutzung als Gefängnis und Frauenzuchthaus und zu DDR-Zeiten als Lehrlingswohnheim und Ausbildungsstätte.

Erst einen Kilometer hat die zehnköpfige Gruppe um Steffe Grafe in den Beinen, als der Wegewart schon zu Tisch bittet. Fragebögen und Stifte zieht er aus seinem Rucksack hervor. Jetzt wird es knifflig: Wie viele Stauden ergeben das Gesamtbild des Heidegartens? Wie hoch ist der Aussichtsturm? Wann wurde die Wasserburg zu Gommern erstmals urkundlich erwähnt? Fernwärme, Zentralheizung oder Gasheizung: Womit war das 1899 eröffnete Fachkrankenhaus Vogelsang als erstes Krankenhaus ausgestattet? Die Auflösung gibt es beim Warten auf das Mittagessen.

Für die Radler geht es erstmal "durch die Hölle". So wird umgangssprachlich der Weg von der Wasserburg, an den Gärten und der Seniorenresidenz vorbei genannt. Wegen der Urlaubszeit seien es ein paar Teilnehmer weniger als sonst, erzählt Steffen Grafe. Zwischen 15 und 25 Radler machen normalerweise mit. Bei 25 ist für den Wegewart auch die Grenze. Dann teile er lieber und fahre die Tour zweimal. Seine (Rad-)Wanderungen sind kostenlos. Auch für die Kaffeekasse will der Dornburger nichts haben. Aber er freut sich, wenn die Rundfahrt den Teilnehmern Freude bereitet und ihre Erwartungen erfüllt.

Auf dem Weg nach Pretzien winkt ein kleiner Junge, der auf dem Gehweg wartet. Sein Kinderfahrrad ist mit einer Tandemstange am Fahrrad seines Vaters befestigt. Noch fröhlicher klingt sein "Hallo", als er in Papas Geschwindigkeit die Radler überholt, die ihrerseits angehalten haben, weil Steffen Grafe einen Tipp geben will.

Weiter geht es zur nächsten Station: Seit über 50 Jahren hat die Abteilung Kanu des SV Eintracht Gommern ihre Heimstatt am Steinhafen in Pretzien. Umgangssprachlich heißt es dort "wilde Zicke".

Ursprünglich sollte auf der Schlössertour erst Leitzkau, dann Dornburg angefahren werden. Wegen des kräftigen Windes drehte Steffen Grafe die Richtung um. So hatte kein Teilnehmer - vom DDR-Fahrrad bis zum Rad mit Elektroantrieb - Schwierigkeiten, die insgesamt rund 30 Kilometer lange Radrundwanderung bei bequemer Geschwindigkeit mitzumachen. Dort, wo vorhanden, wurden ausgebaute Radwege genutzt. Nur auf der wenig befahrenen Straße zwischen Dornburg und Prödel ging es übers Pflaster und in Richtung Leitzkau auf einem unbefestigten Abschnitt durch ein paar Pfützen.

Dornburg begrüßte die Radler mit der strahlend weißen Kirche auf der rechten und dem leuchtenden Dach des Schlosses auf der linken Seite des Weges. Unvorstellbar, dass das Elbe-Hochwasser im Juni des vergangenen Jahres den Frauen und Männern bis zum Hals gestanden hätte. An einer alten Eiche zeigt Steffen Grafe den Wasserstand vom Juni 2013.

Nach zehn Kilometern macht sich auf der Zufahrt zum Schloss erstmals der Wind bemerkbar.

40 000 Stauden, 17 Meter hoch, im Jahre 948 die erste urkundliche Erwähnung und Zentralheizug im Fachkrankenhaus Vogelsang lauten die richtigen Antworten des Rund um Gommern-Quiz. Wer von den insgesamt zehn Fragen nur drei oder vier richtig beantworten konnte, steht nicht allein da. Acht und neun Punkte wurden auch geschafft.

Die Dornburger Kirchglocke schlägt, als sich die Radler in Richtung Leitzkau auf den Weg machen. Hinter Prödel führt der ländliche Weg an einer Obstbaumallee entlang. Die Bäume hängen voll mit guten alten Kuchenpflaumen.

Hatte in Dornburg vor der Einkehr noch die Sonne geschienen, hat sich der Himmel inzwischen zugezogen. Steffen Grafe stoppt, um seiner Gruppe den Brocken zu zeigen. Die Sicht ist heute nicht die beste, aber die höchste Erhebung Sachsen-Anhalts lässt sich im Dunst erkennen.

Auf den letzten Kilometern ereilen die Gruppe noch zwei Pannen. Für solche Fälle hat Steffen Grafe Werkzeug dabei. "Wir fahren gemeinsam los, wir kommen auch gemeinsam wieder an." So war es auch am vergangenen Sonntag.