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Kreistagsvorsitzender sieht sich in der politischen Arbeit eingeschränkt / Landrat will weiterhin den Austausch Fickel: "Die Schonfrist ist vorbei"

13.02.2015, 01:33

Ein Haushaltsloch von mehr als sechs Millionen Euro, Ausschüsse werden zusammengelegt oder gar abgesagt. Kreistagsvorsitzender Matthias Fickel (CDU) kritisiert im Interview mit Redakteur Tobias Dachenhausen Landrat Steffen Burchhardt (SPD) und sieht ein Wahlversprechen in Gefahr. Burchhardt bezieht Stellung.

Volksstimme: Herr Fickel, der Sozialausschuss, in dem Sie Mitglied sind, wurde abgesagt. Als Grund führt der Landrat Steffen Burchhardt an, dass derzeit keine kreistagsrelevanten Themen zur Beratung anstehen. Trotzdem sind Sie frustriert. Warum?

Matthias Fickel: Wir sind gewählt wurden, um für den Bürger zu arbeiten. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in den Ausschüssen. Und um Politik gestalten zu können, wie der Landrat das vom Kreistag auch erwartet, müssen wir arbeiten. Und diese Arbeit passiert in den Fachausschüssen. Wenn diese abgesagt werden, sehe ich mich in meiner politischen Arbeit eingeschränkt.

Themenmangel ist also kein plausibler Grund?

Wir haben ein Loch von fast sieben Millionen Euro im Haushalt. Wir haben eine lange Konsolidierungsliste. Ich denke, es gebe eine Menge Themen, über die diskutiert werden könnte, wenn nicht sogar müsste.

Dazu erklärt der Landrat, dass auf der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses deutlich wurde, dass nur ein begrenzter Handlungsspielraum bei den Sozialleistungen besteht. Im Wesentlichen seien die laut Burchhardt durch das Gesetz bereits vorgegeben. Eine neue Beratung zum Thema Haushalt würde nichts ändern. Aber die Zusammenlegung der Ausschüsse ist eine Einsparungsmöglichkeit. So empfiehlt es der Landesrechnungshof bereits seit Jahren.

Wir reden hier vielleicht von einer Haushaltsgröße von 10000 Euro. Es hat so eine Art Geschmäckle, dass die Verwaltung jetzt zeigen will, dass es auch so geht. Eine Detaildiskussion fällt aber schwer, wenn die Tagesordnung doppelt so viele Punkte umfasst. Einsparungen an den Ausschüssen halte ich für den falschen Weg. Marathonsitzungen machen keinen Sinn. Es gibt auch andere Themen, als über vorgefertigte Beschlussfassungen abzustimmen.

Zum Beispiel?

Bauprojekte könnten konkreter dargestellt werden, da zum Beispiel ab diesem Jahr der Kreis auch für die örtlichen Straßenbaumaßnahmen in den Gemeinden zuständig ist. Warum kann sich der Ausschuss nicht mit Einwohnerfragen auseinandersetzen, sondern immer nur die Verwaltung. Die ganze Müllproblematik und und und. Es gibt genügend Themen, über die wir diskutieren können, die nicht gleich in Beschlussvorlagen münden müssen.

Burchhardt macht deutlich, dass weiterhin alle relevanten Themen in den Ausschüssen diskutiert werden sollen. "Eine Zusammenlegung bedeutet eine breitere Palette an ohnehin verwandten Themen", reagiert der Landrat auf die Vorwürfe. In regelmäßigen Abständen informiert Burchhardt die Fraktionsvorsitzenden des Kreistages über Neuigkeiten in Arbeitsberatungen. Keine gute Alternative?

Das hat keine Substanz. Die Fraktionsvorsitzenden können sich vorher mit ihrer Fraktion nie abstimmen, da das Thema ein unbekanntes ist. Man kann in diesen Beratungen kein konkretes Ergebnis erwarten.

Konkret ist allerdings das Defizit im Haushalt von über sechs Millionen Euro.

Das wäre ein weiteres Beispiel. Hier kommen mangelnde Informationen aus der Verwaltung. Es werden Vorschläge gemacht, aber die Stellungnahmen bekommen wir nicht. Es gibt genug zu bereden, auch strategische, perspektivische Dinge.

"Das Defizit wurde ganz transparent gemacht", widerspricht Burchhardt. Zu 99 Prozent der Ausgaben ist der Landkreis gesetzlich verpflichtet. Viele Möglichkeiten gibt es da nicht.

Ich höre zu oft vom Landrat, `das haben die mir so gesagt`. Jetzt müsste man eigentlich erkennen, wer hier die Richtlinien vorgibt. Keiner wird freiwillig in seinem Bereich den Rotstift ansetzen. Da muss der Landrat konsequent sein. Und dann mit der Politik, dem Kreistag, diskutieren. Das Gremium ist Teil der Verwaltung und wurde vom Landrat aufgefordert, sich einzumischen. Das scheint jetzt aber nicht mehr gewollt.

Das lässt sich der Landrat nicht vorwerfen: "Der Austausch mit den Fraktionen ist und bleibt wichtig." Von weniger Demokratie könne nicht gesprochen werden. Im Beschlussvorschlag für den kommenden Kreistag ist laut Burchhardt eine Erhöhung auf zehn Mitglieder je Ausschuss vorgesehen. "In Summe wäre damit jede Fraktion in jedem Ausschuss vertreten." Außer von der CDU habe es dazu keine negativen Signale gegeben. "Wir wollen die Arbeit effizienter machen, die Einsparungen im vierstelligen Bereich sind dabei ein positiver Nebeneffekt", erklärt Burchhardt. Kürzlich hat der Landrat offengelegt, wie er noch weitere 300000 Euro sparen will. Ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Natürlich. Das bringt uns nicht weiter. Es bleibt weiterhin ein großes Minus. Und wenn uns der Haushalt nicht genehmigt wird, dann müssen wir ihn anpassen. Es müssen unbedingt die Ausgaben verringert oder geschoben werden, damit wir nicht die Einnahmen stark erhöhen müssen. Die Zuweisungen vom Land werden sich nicht ändern, darum bleibt dem Landrat nur noch die Erhöhung der Kreisumlage. Die Schonfrist für den Landrat ist vorbei. Hier hängt eines seiner Wahlversprechen in den Seilen. Und diesen Automatismus wollen wir nicht. Jeder Euro, den wir jetzt noch einsparen können, hilft im Endeffekt den Gemeinden.

Die Angst vor einer höheren Kreisumlage will der Landrat nehmen: "In diesem Jahr gibt es absolut sogar eine Verringerung der Kreisumlage." Die Gemeinden sollen Zeit zur Umsetzung von Konsolidierungsmaßnahmen bekommen. Allerdings räumt Burchhardt ein, dass im kommenden Jahr eine Erhöhung der Umlage wieder zur Diskussion steht. Burchhardt fordert das Land auf, im Haushalt nachzubessern. Herr Fickel, wozu fordern Sie den Landrat auf?

Laut Finanzministerium bekommt der Landkreis übrigens sogar dieses Jahr rund 40 000 Euro mehr, auf keinen Fall weniger. Zu mir: Ich fühle mich mit der derzeitigen Vorgehensweise in der Ausübung meines Mandats eingeschränkt. Die Bürger nehmen uns als ihre Vertreter kaum noch wahr. Da brauchen wir uns nicht wundern, wenn die Politik auf der Straße gemacht wird. So viele Probleme wie jetzt hatten wir noch nie. Wenn unseren Ideen Gesetze entgegenstehen, sehe ich das vollkommen ein. Aber ich vermisse dieses Spiel der Ideen.

Was der Landrat dazu sagt: "Es ist ein einfaches und beliebtes Spiel, einerseits die Verringerung der Kosten zu verlangen, andererseits dann die Einschnitte zu beklagen und zu fordern, dass unliebsame Maßnahmen nicht umgesetzt werden sollen."