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Heinz Doberitz und Milko Krause lassen Zeitzeugnisse der französischen Besatzungszeit sprechen "Restlos in die Armut gesetzt"

Von Manuela Langner 25.03.2015, 02:16

200 Jahre zurück in die Geschichte der Region nahmen Heinz Doberitz und Milko Krause am Sonntagnachmittag die Besucher des Heimatvereins Lübs. Mit zahlreichen Zeitzeugnissen schilderten sie die Geschehnisse der französischen Besatzungszeit, die massive Spuren hinterließ.

Lübs l Es gibt keinen Löffel, keine Tasse, keinen Zinn und keine Schere mehr und für Geld nichts zu kaufen, schrieb Johann Christian Tiemann, Zeitzeuge der französischen Besatzungszeit in unserer Region, an seinen Sohn. Das Original des 16-seitigen Briefes ist lange verloren. Die lückenhaften Transkriptionen füllte Heinz Doberitz nach intensiver Recherche unter anderem im Archiv des Evangelischen Kirchenkreises Elbe-Fläming in Burg und der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg auf.

Entstanden ist ein hübsches Livret mit dem kompletten Text. Ein Livret, weil die zur damaligen Zeit sehr angesagt gewesen seien, erklärte Heinz Doberitz. Zur Publikation gehört eine zeitgenössische Lithographie zur Kampfhandlung bei Vehlitz, die er im Kunsthandel gefunden hat. Zeitgenössisch oder nicht, es handele sich um eine fiktive Darstellung, sagte Heinz Doberitz. Aber auch wenn nicht alle Details der Darstellung stimmen, "ist es etwas, das man greifen kann".

Zum Greifen gab es während seines fast anderthalbstündigen, frei gehaltenen Vortrages vieles. Heinz Doberitz, der sich selbst einen an landeskundlicher Geschichte Interessierten nennt und betont, kein Historiker zu sein, hatte viele Zeitzeugnisse nach Lübs mitgebracht.

Beispielsweise den mit Münzen gefüllten Geldbeutel eines Maurers. Zeitweise waren damals bis zu 80 verschiedene Münzen im Umlauf. Wegen der zwei Währungen musste ständig gewechselt und umgerechnet werden. Bei Pastoren landeten Münzen im Klingelbeutel, die nach der Abwertung keinen Wert mehr hatten.

Unter den Zeitzeugnissen waren zudem Gefechtsfeldfunde wie zwei Musketenkugeln, die in der Luft aufeinandergetroffen sind und deshalb "preußisch-französische Freundschaft" genannt werden, 6-Pfünder-Kugeln, zerschlagene Granatstücke, Reste von Kavalleriehufeisen, aber auch Knöpfe und Schnallen.

Auf Suche nach Fundstücken wie Knöpfen ist auch der kleine Julius unterwegs gewesen, der 1823 in Vehlitz geboren wurde und später Philosophie und Theologie studierte. Seinen 27-seitigen Brief stellte Heinz Doberitz ebenfalls vor.

Wie sehr das Militär einen Platz mitten in der Gesellschaft hielt, machte Heinz Doberitz am Schulheft des Lübsers Andreas Naul fest. In Schönschrift musste der Junge immer wieder schreiben: "Das Gewehr als Hauptwaffe der ..."

Der dritte Zeitzeuge, den er zu Wort kommen ließ, war der schreibfreudige Pastor Heinrich Ludwig Ohnesorge, der zwei Jahre in Lübs arbeitete, später nach Leitzkau berufen wurde und insgesamt 14 Kirchenbücher füllte.

"Der Krieg ist mit brachialer Gewalt über die Menschen hergefallen." Zwischen 1806 und 1814 war die Region ständiges Durchmarschgebiet. Die Einwohner mussten Abgaben leisten und Einquartierungen hinnehmen. Obwohl ein Maurer nur elf Groschen am Tag verdiente, betrug die Einquartierungslast 16 Groschen. Viele Dokumente sind laut Heinz Doberitz erhalten, in denen die Bürger schildern, dass sie nichts mehr hätten, was sie geben könnten. "Die Bevölkerung war restlos in die Armut gesetzt."

Nicht nur die Zeitzeugnisse und Heinz Doberitz` Schilderungen fanden die Zuhörer spannend, sondern auch seine Erläuterungen, wie und wo er recherchiert. "Wenn man sich mit Geschichte beschäftigt, darf man nichts liegen lassen. Sie ist kein Bild, sondern ein Mosaik, das zusammengesetzt werden muss."

Mit der Zeit der französischen Besetzung beschäftigt sich er sich inzwischen seit mehr als zwei Jahrzehnten. Als Denkmalpfleger und Restaurator war er auf Gedächtnistafeln gestoßen und hatte mit Feldforschung begonnen. Nicht ohne Stolz erzählte Heinz Doberitz, dass seine Arbeiten jetzt auch in Frankreich veröffentlicht werden. Das bringe für ihn den großen Vorteil, dass sich die dortigen Archive für ihn öffneten.

Mit dem Hinweis, dass die Leute, die aus dem Kampfgebiet flüchteten, in Lübs und den Nachbarorten Unterschlupf fanden, schloss er den Bogen nach Lübs als Veranstaltungsort und übergab an Milko Krause, der alle Fragen zu den mitgebrachten Uniformen und Waffen beantwortete.