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Tafel-Unglück in Gommern Weitermachen nach der Tragödie

Fünf Tage nach dem schrecklichen Unglück in der Gommeraner Ausgabestelle der "Tafel" sitzt der Schmerz tief bei den Mitgliedern der DRK-Suchtkurve in Möckern. Hier befindet sich die Zentrale des ehrenamtlichen Lebensmittelangebotes. Trotz der Trauer wollen die Helfer der "Tafel" schon heute ihre Arbeit fortsetzen.

Von Stephen Zechendorf 07.04.2015, 03:24

Möckern l In dem Schaufenster der Möckeraner "Tafel"-Ausgabestelle in der Magdeburger Straße 20 flackern drei LED-Kerzen. Sie sind stiller Ausdruck der tiefen Betroffenheit jener Männer und Frauen, die Lebensmittelspenden an hilfsbedürftige und geringverdienende Menschen weitergeben, und nun drei von ihnen bei einem unglücklichen Unfall - in Ausübung dieser ehrenamtlichen Tätigkeit - verloren haben.

Auch im Innenhof des "ambulant betreuten Wohnens" - dem Möckeraner Sitz der DRK-Suchtkurve - haben sie ein schlichtes Gesteck mit drei solchen Kerzen aufgestellt. Alle 42 Bewohner hier sind zutiefst bestürzt. Hier liegt die Zentrale der "Tafel" für Möckern und Gommern. Hier - vor fast auf den Tag genau neun Jahren - riefen Wolfgang Auerbach, Leiter des Möckeraner ambulant betreuten Wohnens, und einige Mitstreiter die Möckeraner "Tafel" ins Leben, um Bedürftigen zu helfen und um den Klienten der DRK-Suchtkrankenhilfe eine sinnvolle Tätigkeit und strukturierte Tagesabläufe zu geben. Gut ein Jahr später wurde das Angebot auf Gommern erweitert, mit einer Ausgabestelle im Gewerbegebiet am Rande der Stadt. Die "Tafel"-Leute waren von Anfang an mit dem Standort so weit draußen nicht wirklich glücklich, doch alle Bemühungen, zentrumsnah vielleicht sogar kommunale Gebäude beziehen zu dürfen, schlugen fehl.

"Wir haben hier in der Vergangenheit stets eine gute Arbeit abgeliefert und wir werden dies weiterhin tun", gibt sich Auerbach kämpferisch. "Wir werden nun einige Fragen klären müssen und bis zu deren Klärung wird es das Angebot der `Tafel` in Gommern nicht geben können", sagt Auerbach. Die Gommeraner Anspruchsberechtigten sind jedoch eingeladen, zunächst die Ausgabestelle in Möckern zu nutzen, und zwar zu den Ausgabezeiten, die bislang in Gommern galten: donnerstags in der Zeit von 13 bis 16 Uhr. "Wir sind darauf vorbereitet. Und wenn sich da was vermischt, ist das auch nicht schlimm", so Auerbach. Auch ihm ist die Dramatik der vergangenen Tage anzumerken.

Seit der Tragödie, bei der drei Mitarbeiter der "Tafel" zu Tode kamen, leistet Wolfgang Auerbach nahezu ununterbrochen Seelsorgearbeit. Die drei Verstorbenen gehörten fest zu der Gemeinschaft von Vereinsmitgliedern und Klienten der Suchtkrankenhilfe. "Es ist für uns alle ein Schock", sagt Auerbach. "Aber die Leute können damit umgehen. Trauern ja, aber wir machen weiter."

Auf gut 20 Helfer kann Auerbach zurückgreifen. Sie alle haben schon bei der "Tafel" mitgemacht, haben von Händlern gespendete Lebensmittel eingesammelt, bei der Warenausgabe geholfen oder die Lebensmittelbeutel zusammengestellt. Doch die drei, die am Donnerstag bei der Explosion getötet wurden, waren so etwas wie das "Hauptteam", sagt Auerbach.

In der Trauer allein gelassen
"Es gibt einige bei uns, die schon gesagt haben, dass sie in die Ausgabestelle Gommern keinen Fuß mehr reinsetzen wollen. Das Ereignis hat sich zu tief in die Seele eingegraben", sagt Auerbach. Das Gebäude - ein ehemaliger Zivilschutzbunker - ist nach Aussagen der Experten nach der Explosion eines Gasheizgerätes nicht einsturzgefährdet.

In Möckern ist man enttäuscht, in die organisatorische und mentale Aufbereitung der Tragödie bislang wenig bis gar nicht einbezogen worden zu sein. "Es gab aus Gommern kaum Kontakte zu uns", bedauert Auerbach. Dass die Stadt Gommern am Sonnabend das Osterfeuer abgesagt hat, wird in Kreisen der "Tafel"-Mitstreiter als nicht erforderlich angesehen. Und über die von diversen Stellen ins Gespräch gebrachte "zentrale Gedenkveranstaltung" hat man in Möckern auch kaum Kenntnis.