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Landkreis investiert weniger als geplant Zwischen Daumen und Zeigefinger

Sparen - koste es, was es wolle! Der Kreistag bastelt aktuell am Haushalt für das Jerichower Land, der laut Verwaltung ein Sechs-Millionen-Defizit aufweist. Etliche Baumaßnahmen werden nicht stattfinden. Zudem scheint das schnelle Ende für die Loburger Sekundarschule besiegelt.

Von Falk Heidel 14.04.2015, 03:28

Burg/Genthin l Seit Monaten tragen die Kreisverwalter entsprechende Zahlen und Daten für den aktuellen Haushalt zusammen. Herausgekommen ist ein Zahlenkatalog aus hunderten A4-Seiten, so dick wie der Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Problem: Derzeit sind die Ausgaben um sechs Millionen Euro höher als die Einnahmen. Außer diesem Defizit schiebt der Landkreis eine enorme Schuldenlast vor sich her. Würde man die auf die Einwohner umrechnen, ergebe sich eine Summe von 266 Euro pro Kopf.

Derzeit debattieren die Kreistagsmitglieder in diversen Ausschüssen, wo künftig Ausgaben wegfallen, wie das Geld sinnvoll eingesetzt werden soll. Einige Beispiele:

Schul e Seit Monaten gehört die Sekundarschule in Loburg zu den heiß diskutierten Themen im Jerichower-Land-Kreistag. Fest steht die Fusion mit der Sekundarschule in Möckern. Die Frage ist für Loburg: Sofort schließen, auslaufen lassen oder als Außenstelle langfristig erhalten? Nach einer Sitzung des Bildungsausschusses vor einigen Tagen zeichnet sich ein Ergebnis ab. Ausschuss-Vorsitzender Hartmut Dehne beantragte ein schnelles Ende für die Loburger Schule: "Aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich jede Investition in Loburg nicht mehr." Hintergrund ist eine Summe von 1,5 Millionen Euro, die für die Schule Loburg im Kreishaushalt steht.

Dehne favorisiert stattdessen Investitionen in die Sekundarschule Möckern, die die Loburger Schüler aufnehmen wird. Klaus Bock meint: "Wir müssen gut überlegen, ob wir 1,5 Millionen für eine Schule einsetzen, die maximal noch zwei Jahre Bestand hat." Der Landkreis hat Rechtsmittel gegen einen Bescheid des Landesschulamtes eingelegt. Beobachter rechnen damit, dass diese Klage zurückgenommen wird.

Kerstin Auerbach mag den Argumenten nicht folgen: "Wir haben einen Kreistagsbeschluss, der den Erhalt der Loburger Schule beinhaltet." Sie meint zudem: "Die Summe für Baumaßnahmen in Loburg ist auch nicht höher als der tägliche Schülerverkehr nach Möckern." Auerbach fragt: "Wie wäre es mit einer Gesamtschule am Standort Loburg?" Hartmut Dehne: "Das würde den Standort Gommern gefährden."

Wald Hohe Personalkosten verursache der Kommunalwald des Landkreises: "Auf der anderen Seite gibt es keinen Gewinn. Wir sollten über den Verkauf des Waldes reden", sagte Dr. Peter Sanftenberg kürzlich im Umweltausschuss. Das Jerichower Land verfügt über eine 100 Hektar große Waldfläche: "Es handelt sich um ein Erbe. Allerdings ist das Testament so geregelt, dass der Verkauf nicht ohne weiteres möglich ist", erklärte Landrat Steffen Burchhardt (SPD). Burchhardt sagte auch: "Die Einnahmen im sechsstellen Bereich werden vorübergehend von Ausgaben für Munitionsberäumung, Aufforstung und Wegebau aufgezehrt." Teile des Kommunalwaldes liegen am Schießplatz Madel. "Der Wald ist teuer und begehrt, es wäre der falsche Weg ihn jetzt zu verkaufen. Er hat in der Vergangenheit Erträge erwirtschaftet und wird dies auch künftig tun", meint Kreisvorstand Bernd Girke. Zwischen ihm und Andreas Fischer (FDP/WG/FW) gab es im Ausschuss einen heftigen Disput. Fischer: "Um sich eine Meinung bilden zu können, benötigen die Kreistagsmitglieder umfangreiche und verlässliche Zahlen." Girke konterte: "Unsere Zahlen sind alles mögliche, aber nicht falsch."

Girke erklärte zudem, dass der Kommunalwald nicht gewinnmaximierend, sondern nachhaltig bewirtschaftet wird. Volker Bauer (CDU) nutzte dennoch den Begriff "Rendite": "Wir müssen die Frage beantworten, wie wirtschaftlich das Betreiben eines solchen Wertes ist." Das sieht Dr. Christoph Kaatz (Grüne) ganz anders: "Der Wald hat einen ökologischen Wert und sollte in kommunaler Hand bleiben."

Info 90000 Euro pro Jahr stehen im Haushalt für die Tourismus-Förderung. Kommendes Jahr sollen es nur noch 80000 Euro sein. Weniger als 8000 Euro gehen als Mitgliedsbeitrag an den Fremdenverkehrsverein Genthin. Dessen Tourist-Info um Leiterin Marina Conradi kümmert sich in großen Teilen um die Förderung und Vermarktung von Sehenswürdigkeiten, Kulturstandorten und Veranstaltungen im Landkreis. Jedes Jahr entstehen zudem etliche Broschüren für Einheimische und Touristen.

Sport Für die Sportstätten des Landkreises werden demnächst Betriebskosten-Zuschüsse von den Sportvereinen fällig. Laut Zahlen des Landkreises gibt es hier ein Defizit in Höhe von knapp 150000 Euro. Girke zufolge sollen nur erwachsene Sportler für die Hallennutzung zahlen, nicht aber Kinder und Jugendliche: "Wir haben bereits mit den Vereinen darüber gesprochen. Derzeit arbeiten wir an einer Beschlussvorlage für den Kreistag." Und: "Egal, welche Sporthalle, die Beiträge sollen überall gleich sein."

Kurse Für Fortbildung innerhalb der Kreisverwaltung steht im Haushalt eine jährliche Summe in Höhe von 430000 Euro. "Bedeutet im Schnitt 842 Euro für Weiterbildungen pro Mitarbeiter und Jahr", sagte Andreas Fischer. "Wie kommt eine derart hohe Summe zustande?" Kreisvorstand Girke: "Wir prüfen seit Jahren, ob angebotene Fortbildungen tatsächlich nötig sind. Im Großteil handelt es sich um Pflichtseminare, beispielsweise für Brandschutzprüfer oder Leitstellenmitarbeiter." Die Kreisverwaltung beschäftigt aktuell 511 Mitarbeiter. Landrat Burchhardt: "In den kommenden Jahren werden wir 30 Prozent der Stellen mit neuen Arbeitnehmern besetzen müssen."

Musik "Es gibt kein Tabu, wir müssen auch die Kosten für die Kreismusikschule hinterfragen", meint Genthins Ex-Bürgermeister und Kreistagsmitglied Wolfgang Bernicke (Die Linke). Andreas Fischer: "Die Ausgaben sind in den vergangenen Jahren um 20 Prozent gestiegen, die Einnahmen nicht." Im Haushalt ist die Musikschule mit 500000 Euro verbucht. Darunter jährlich 95000 Euro für Honorare an nebenberufliche Musiklehrer. Durch den Ausschuss ging die Frage, ob die Schule auch durch einen Verein oder eine Stiftung getragen werden könnte. Antworten gab es keine.

Bau Vier Hochbauprojekte und 16 Tiefbaumaßnahmen sollten in diesem Jahr im Landkreis realisiert werden. "Einige Vorhaben werden wir 2015 nicht mehr umsetzen können", sagte Kreisvorstand Girke. Betroffen davon seien einige Straßenbaumaßnahmen und zum Beispiel eine Sanierung (Stark III) am Gymnasium Gommern. Fraglich sind Girke zufolge der Lehrerparkplatz und eine neue Behinderten-Toilette an der Burger Clausewitz-Sekundarschule. Dagegen soll die Schulhofsanierung an der Sekundarschule Gommern Mitte des Jahres fertig sein. Zudem soll das Projekt Schulhofsanierung am Burger Gymnasium wie geplant umgesetzt werden.

Müll Durch den Umweltausschuss ging die Frage, wie hoch ist der jährliche Überschuss der Abfallwirtschaftsgesellschaft (AJL), der in den Kreishaushalt fließt? Eine Antwort seitens der Verwaltung gab es nicht. Laut Volksstimme-Informationen lag der Überschuss für das Jahr 2012 bei 1,1 Millionen Euro (Umsatz; 7,6 Millionen). Die AJL bewirtschaftet auch die Kleinannahmestellen auf den Deponien in Burg und Parey. Es gibt zwei Umladestationen in Ziepel und Parey. Hier wird der gesamte Restmüll für den Transport zum Müllheizkraftwerk in Rothensee vorbereitet. Der Landkreis ist mit 51 Prozent Mehrheitseigner. Der Rest (49 Prozent) gehört dem Großentsorger Remondis.