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Motorradfreunde Gardelegen und Gemeindepädagoge Lutz Brillinger luden Kradfahrer nach Estedt zur Andacht und zur Bikertaufe 5. Bikergottesdienst: Gebete, Riffs und Chrom

Von Gesine Biermann 28.04.2014, 03:34

Wenn anstelle von Orgeltönen harte Riffs zu hören sind, wenn Gottesdienstbesucher nicht in festlicher, sondern in Lederkluft erscheinen, wenn die Kollekte für eine Rockband drauf geht... dann ist Bikergottesdienst in Estedt - am Sonnabend zum fünften Mal und so gut besucht wie nie zuvor.

Estedt l Nein, noch sind es nicht so viele wie alljährlich in Hamburg. Den Mogo (Motorradgottesdienst) in der Hansestadt feierten in diesem Jahr 35000 Biker. Aber die Estedter sind auf einem guten Weg dorthin: Mehr als 70 Maschinen standen am Sonnabend chromblitzend im sonnendurchfluteten Estedter Pfarrgarten, und mehr als 100 Menschen lauschten der Predigt von Lutz Brillinger. Was sich die Motorradfreunde Gardelegen vor fünf Jahren als guten Start in die Saison dachten, findet immer mehr Freunde. Und das liegt ganz sicher an diesem besonderen Feeling, das in Estedt von Anfang an zu spüren war: Dort, unter freiem Himmel, fühlen sich die Lederjackentypen ganz offensichtlich wohl. Nichts engt sie ein. Hier sind sie so frei, wie auf der Straße.

"Motorradtage sind Feiertage für Biker."

Ein Gefühl, so gestand Gemeindepädagoge Lutz Brillinger, das er aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen könne, auch wenn seine Maschine "nur ausgeliehen" sei: "Mit dem Gasgriff haben wir unser eigenes Leben in der Hand", die Freiheit, auf der Straße dahinzugleiten, sei mit nichts zu vergleichen. Motorradfahren sei "der Ausbruch aus der alltäglichen Tretmühle", so Brillinger, "Motorradtage sind Feiertage für Biker."

Sein Amen blieb im Anschluss an seine Predigt indes nicht unkommentiert stehen. Denn einer, der über Brillinger stand - nämlich acht Stufen höher auf der Veranda des Pfarrhauses, wollte spontan "beichten" - evangelischer Gottesdienst hin oder her: Er habe seinen Führerschein leider vor Jahren abgeben müssen, gestand er. "Jetzt fahr ich Vespa mit 25 Stundenkilometern." Das wiederum nahmen ihm die Gottesdienstbesucher nicht krumm. Denn dafür spielten Bassist Lutz und seine Mitstreiter Oli (Drums) und Micha (E-Gitarre) für die "Gemeinde" der Motorradfreunde selbstkomponierten Hardrock mit einem irren Sound. Erstmals hatten die Motorradfreunde und Lutz Brillinger mit Plexibabes nämlich sogar für eine Liveband gesorgt, die für die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes sorgte, eine Überraschung, die ebenso ankam, wie die Versorgung mit Kaffee und Snacks vor der großen Ausfahrt.

Bevor die Maschinen starteten, wurde der Tag allerdings für eine Bikerin noch zu einem ganz besonderen: Denn Maria Witte, gebürtige Gardelegerin, ließ sich taufen, nicht mit Maschinenöl, sondern mit Wasser, einem Symbol für Gefahr - in der Pfütze auf dem Asphalt - genau so wie für die Hoffnung, wie Brillinger erinnerte.

Ihr Taufspruch indes wäre auch ein guter Text für einen der vielen Aufnäher, die die Männer und Frauen auf ihren Lederwesten trugen: "Ein Geduldiger ist besser als ein Starker, und einer, der sich selbst beherrscht, besser als einer der Städte gewinnt." Geduld auf der Straße nämlich könne unter Umständen lebensrettend sein, betonte Brillinger.

Dann aber wurde letztere (die Geduld) nicht mehr länger strapaziert. Schon die letzten Akkorde der Plexibabes gingen in den ersten Motorgeräuschen unter. Mit Gottes Segen und den guten Wünschen aller Vierradfahrer starteten die Biker vom Estedter Pfarrgarten aus in beeindruckender Kolonne zu ihrer ersten Ausfahrt.

Mehr Fotos finden Sie in der Bildergalerie unter www.volksstimme.de/gardelegen