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Klimawandel sorgt laut Experten künftig für noch mehr Schädlingsbefall Waldbauern fürchten um Bestände

Von Ilka Marten 18.09.2014, 03:08

Was bedeutet es für die Zukunft der Wälder, dass diese bei Schädlingsbefall kaum beflogen werden dürfen? Das war gestern Thema einer großen Konferenz inmitten eines früheren Schadensgebietes in Kenzendorf.

Kenzendorf l "Wir mussten gezwungener Maßen zusehen, wie ein Wald abstarb", sagte die betroffene Waldbesitzerin Ehrengard Dümpert von Alvensleben und wies mit einem Blick nach draußen. Inmitten der 2009/2010 kahl gefressenen Kiefernwaldfläche bei Kenzendorf gab es gestern auf Einladung des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt eine Informationsveranstaltung zum Thema "Waldererhaltung durch Pflanzenschutz". Mit dabei sieben Bundestagesabgeordnete, einige Landtagsabgeordnete und Vertreter der Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft.

Der Vorsitzende des Verbandes, Franz Prinz zu Salm-Salm, umriss mit markigen Worten die Problematik, "dass wir 2015 aller Voraussicht nach nicht mehr fliegen dürfen". Die Waldbauern fordern, dass der Forstschutz mit Luftfahrzeugen sichergestellt werde und die Verantwortung dafür in die Bundesländer zurückkommt. "Vier Bundesbehörden arbeiten neben- und hintereinander und blockieren sich gegenseitig", kritisierte Salm-Salm.

Nicht nur, dass kaum zugelassen werden, befallene Gebiete zu befliegen, war gestern Thema, sondern auch der Umstand, dass es bald kein zugelassenes Mittel mehr geben werde.

Das einzige zugelassene Mittel Dimilin 80 WG darf bis maximal 30. Juni 2016 verwendet werden, ab Januar 2015 darf es schon nicht mehr verkauft werden. Zwei weitere Pflanzenschutzmittel werden jeweils nur für ein Jahr genehmigt.

"Ohne Pflanzen- schutzmittel werden solche Flächen zu gewohnten Bildern."

Gerhard Henke

Hinzu kommt, dass laut Gesetz von einer betroffenen Waldfläche nur die Hälfte behandelt werden darf, in Naturschutzgebieten gar nichts. Dr. Ralf Petercord von der Sektion Waldschutz des Deutschen Verbandes forstlicher Forschungsanstalten zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln im Wald verdeutlichte, dass die Schädlingsproblematik aufgrund des Klimawandels zunehmen werde. Schon jetzt seien laut Petercord all die, die mit dem Eichenprozessionsspinner kämpfen, "ein Opfer des Klimawandels".

Dass sich Ereignisse wie der Kahlfraß durch die Kiefernbuschhornblattwespe und das Absterben der Bäume in Zusammenhang mit dem Pilz Diplodia wie in Kenzendorf wiederholen könnten, sieht auch der frühere Leiter des Forstamtes Letzlingen, Gerhard Henke, so: "Ohne Pflanzenschutzmittel werden solche Flächen zu gewohnten Bildern." Er verwies auch auf den langen Zeitraum, den Genehmigungsverfahren für Befliegungen brauchen. "Wenn Entscheidungen innerhalb einer Woche getroffen werden müssen, ist das nicht möglich", so Henke.

Alois Gerig, forstpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, teilte mit, "dass angesichts der beängstigenden Schädigungen alle Beteiligten aufgefordert sind, an sachgerechten Lösungen mitzuarbeiten". Dazu gehöre, dass geeignete Mittel zur Verfügung stehen, die Luftausbringung vereinfacht werde und das Behörden-Hickhack endlich aufhöre.

Petra Crone, forstpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, forderte die Industrie auf, mehr für den Forstbereich zu tun, "um Lücken bei der Bekämpfung von Forstschädlingen zu schließen". Beide regten an, die Probleme an einem runden Tisch zusammen mit Vertretern der Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft zu erörtern. Gerig forderte zudem eine Koordinierungsstelle, so dass Probleme aus den Ländern

Waldverluste durch Nicht-Schädlingsbekämpfung fürchtet auch Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens (CDU). "Wenn es nicht anders möglich ist, müssen die Mittel als Ultima Ratio eingesetzt werden können." Es sei wichtig, dass Genehmigungen rechtzeitig erteilt werden, "denn eine Genehmigung nützt nichts, wenn die Bekämpfung einer Raupe zu spät erfolgt", sagte der Minister.

Die Nichtbekämpfung der Schädlinge sei eine Ressourcenverschwendung, ergänzte Waldbesitzerin Ehrengard Dümpert von Alvensleben, "und die finanziellen Einbußen werden auch die nachfolgenden Generationen noch spüren". Hinzu kämen für die Waldbesitzer die Kosten für die Wiederaufforstung.