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Landrat Michael Ziche im Volksstimme-Interview / Bilanz und Ausblick auf 2015 "Die Zeit wird uns Recht geben"

03.01.2015, 01:08

Schnelles Internet und Grüne Wiese-Kampagne, Haushalt und Schuldenabbau, Neuausschreibung des Rettungsdienstes und 20 Jahre Altmarkkreis: Landrat Michael Ziche blickt im Gespräch mit Volksstimme-Redakteurin Uta Elste zurück und voraus.

Volksstimme: Wie schätzen Sie die Entwicklung des Zweckverbandes Breitband Altmark im vergangenen Jahr ein?

Michael Ziche: Der ZBA hat sich gut entwickelt, immerhin haben wir dafür ja auch riesige Aufgaben bewältigt, von der Gründung über die Ausschreibung bis hin zum Zuschlag für die DNS:NET Internet Service GmbH als Betreiber. Es sind Gespräche auf allen Ebenen geführt worden, sowohl mit dem Land und dem Bund als auch der Europäischen Union. Da können wir mit den Ergebnissen sehr zufrieden sein.

Zumal jetzt der ZBA auch in ein Förderprogramm der Europäischen Union aufgenommen wurde und 70 Millionen Euro Fördermittel erhält.

Noch ist es nicht soweit. Aber: Wir wurden als einziges Projekt aus den neuen Ländern aufgenommen. Wir haben unseren gesamten Finanzbedarf auf etwa 120 Millionen Euro beziffert und die nötige Anschubfinanzierung auf etwa 70 Millionen Euro. Das würde unsere betriebswirtschaftlichen Berechnungen weiter verbessern. Das zeigt aber auch: Kommunen, die versuchen etwas zu bewegen, werden auch belohnt.

Im Dezember wurde mit der DNS:NET Internet Service GmbH der künftige Netzbetreiber vorgestellt, wie geht es in diesem Jahr weiter?

Wir werden voraussichtlich im Februar oder März bekannt geben, in welchen Orten zuerst investiert wird.

Stendal, Diesdorf und Salzwedel gehören nach wie vor nicht zu den Mitgliedern des ZBA. Die jüngste Abstimmung im Salzwedeler Stadtrat ging mit einem Stimmenpatt nur knapp verloren.

Das tut mir persönlich sehr leid, denn der Anschluss ans schnelle Internet ist nun einmal das wichtigste Infrastrukturprojekt, sowohl für den privaten Bereich als auch für öffentliche Dienstleistungen und vor allem für die Wirtschaft der Altmark. Das Versagen des Marktes ist hier in unserer Region eindeutig nachgewiesen und durch die jüngsten Entwicklungen in Salzwedel bestätigt worden. Dabei muss aber klar gesagt werden, dass die vom ZBA beziehungsweise DNS:NET verwendete FTTH-Technologie die mit Abstand beste und nachhaltigste Breitbandtechnologie ist. Ich bin mir sicher, dass sich unser Erschließungsansatz in drei bis vier Jahren national für den ländlichen Raum durchsetzen wird. Leider gab es nie Gelegenheit, einmal vor dem gesamten Stadtrat unser Konzept zu diskutieren. Dennoch: Die Zeit wird uns Recht geben. Davon bin ich überzeugt.

Themenwechsel: Wie stehen die Altmärker Ihrer Einschätzung nach jetzt zur Grüne-Wiese-Kampagne? Anfangs wurden häufig Vergleiche zur anonymen Bestattung auf Friedhöfen gezogen.

Der Aufschrei war ja vorhergesagt worden. Aber ich habe schon den Eindruck, dass die Kampagne bei den Altmärkern sozusagen konditioniert und dosiert angekommen ist. Sicher mussten das Konzept und die Idee, die dahinter steckt, durch die Menschen erst einmal verinnerlicht werden. Ich bin mir sicher, dass diese Kampagne auch noch weiter diskutiert wird. Das ist ja auch gut so. Übrigens, googlen Sie mal Grüne Wiese, da finden Sie zwar auch den gleichnamigen Cocktail, aber auch den Hinweis auf Stadtplanung und noch weit vor der anonymen Bestattung unsere Marketingkampagne. Grüne Wiese als Marketingkampagne für die Altmark heißt, dass hier Raum für Entfaltung ist.

"Der Ostteil des Altmarkkreises wird abgeschnitten."

Für die Umsetzung der Marketingkampagne wurde während der jüngsten Mitgliederversammlung des Tourismusverbandes Altmark eine mögliche Fusion des Verbandes mit dem Regionalverein angekündigt. Wie soll es hier in diesem Jahr weitergehen?

Das Grundsätzliche ist klar, jetzt geht es darum, die Rahmenbedingungen zu prüfen, beispielsweise bei Förderungen, dass sich die einzelnen Projekte nicht gegenseitig in die Quere kommen. Steuerrechtliche Dinge spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle, es muss eine Vereinsverschmelzungsprüfung geben, Anzeigefristen müssen beachtet werden und vieles mehr. Wo der neue Verein dann seinen Sitz hat, werden wir sehen. Für mich ist wichtig, dass wir hier in der Altmark gemeinsam ein Zeichen setzen. Immerhin sind wir die erste und auch einzige gewachsene Region, die ein Regionalmarkting aufgelegt hat.

In diesem Jahr wird der Altmarkkreis den Rettungsdienst neu ausschreiben. Wie ist der Stand des Gutachtens, das im Vorfeld der Ausschreibung erstellt wird?

Das Gutachten wird Grundlage unserer Diskussion mit den Krankenkassen sein, es ist derzeit noch in Arbeit. Die Neuausschreibung des Rettungsdienstes haben wir wegen des neuen Gesetzes in Sachsen-Anhalt ins Jahr 2015 verschoben. Aber es wird auf jeden Fall Neuerungen geben, so in der Region Brunau-Packebusch, wo bislang in Notfällen noch der Rettungshubschrauber zum Einsatz kommt, oder im Bereich Klötze. Im Nachbar-Landkreis Gifhorn ist die Rettungsstelle in Brome weggefallen, von dort sind im Bedarfsfall auch Einsatzkräfte zu uns gekommen. So viel steht vorab jedoch fest: Es wird nur das bezahlt, was die Kassen akzeptieren. Und trotzdem: In einzelnen Bereichen muss es Weiterentwicklungen im Interesse der notärztlichen Versorgung unserer Menschen geben, denn die Infrastruktur ändert sich. So wird zum Beispiel durch den Ausbau der Amerika-Linie der Ostteil des Altmarkkreises abgeschnitten. Wenn in Pretzier häufig die Schranken geschlossen sind, muss der Notarzt entsprechend organisiert werden, da wird es insbesondere Veränderungen an den Rändern geben.

Der Altmarkkreis plant in Gardelegen den Bau einer neuen Förderschule. Wird diese Schule den Demografie-Check bestehen?

Wir treten hier mit dem Wissen an, dass die Schülerzahlen nicht ausreichen werden. 90 Schüler erreichen wir auch mit den Jungen und Mädchen aus dem Bereich Klötze nicht. Deshalb setzen wir auf andere Kriterien wie Kapazität und Entfernung. Es wird nicht möglich sein, alle Schüler in Salzwedel unterzubringen und die tägliche Fahrt dorthin ist für die Kinder auch nicht zumutbar. Deshalb hoffen wir, dass wir über das Stark-III-Programm eine Ausnahme erwirken können. Ein kompletter Neubau ist schon deshalb nötig, weil das derzeitige Schulgebäude eine alte Ulanenkaserne ist, die barriereärmer und auch energieeffizienter sein müsste. Der Antrag ist gestellt, wir hoffen in diesem Jahr auf die Information vom Landesverwaltungsamt, so dass wir dann 2016 die Maßnahme umsetzen können. Wir sind da guter Hoffnung.

"Wir sind der einzige Landkreis, der Bibliotheken bezuschusst."

Alle Jahre wieder, auch vor ein paar Wochen, beschließt der Kreistag kurz vor Jahresende einen ausgeglichenen Haushalt für das darauffolgende Jahr. Wie bekommt man das in Zeiten der Kürzungen durch das Finanzausgleichsgesetz überhaupt noch hin?

Die Bedingungen sind für alle gleich, sodass das auch anderen gelingen müsste. Aber: Wir betreiben eine solide Haushaltwirtschaft und haben auch keine alten Fehlbeträge und damit eine deutlich bessere Ausgangslage. Wir waren schneller mit der Einführung der Doppik, Matthias Baumann als verantwortlicher Dezernent und Josephine Kluge als zuständige Mitarbeiterin schaffen mit den einzelnen Ämtern und Dezernaten eine gute Arbeitsgrundlage, und wir haben einen verantwortungsbewussten Kreistag. Und trotzdem leisten wir uns noch einiges, beispielsweise die Museen und die Förderung der Sportstätten. Wir sind der einzige Landkreis, der die Bibliotheken bezuschusst. Wir investierten aber auch in die Infrastruktur. Natürlich nutzen wir auch Förderprogramme, aber gerade da ist der ausgeglichene Etat wichtig, um die Eigenanteile zu finanzieren.

Der Altmarkkreis hat in den vergangenen Jahren seinen Schuldenberg halbiert, ist jetzt bei 34,7 Millionen Euro angekommen. Was ist da in den kommenden Monaten noch möglich?

Der Schuldenabbau wird nicht mehr im bisherigen Tempo weitergehen können. Wir sind vom letzten Platz in der Pro-Kopf-Verschuldung jetzt im Mittel aller Landkreise angekommen. Für eine vernünftige Strukturpolitik braucht man aber auch Geld, um Investitionen durchzuführen. Deshalb ist vorgesehen, in diesem Jahr einen Kredit in Höhe von zwei Millionen Euro aufzunehmen, gleichzeitig werden aber drei Millionen Euro Schulden planmäßig getilgt. Die aktuelle Situation auf dem Finanzmarkt bietet für den öffentlichen Bereich Chancen für Investitionen, um den Sanierungsstau abzubauen. Die Chancen werden nicht mehr da sein, wenn Geld wieder Geld kostet.

"Die Zukunft des Landes entscheidet sich im ländlichen Raum."

Bedingt durch Kriege und Krisen in zahlreichen Ländern nimmt auch der Altmarkkreis Flüchtlinge auf. Welches Potenzial könnte der Altmarkkreis dadurch nutzen?

Kürzlich habe ich Gespräche mit der Ingenieurkammer geführt, die ihre Hilfe bei der Intergration angeboten hat. Denn unter den Flüchtlingen sind auch viele Ingenieure, das ist eine Chance für unsere Region. Chancen bieten sich aber auch im Gastgewerbe und im Pflegebereich. Doch die Voraussetzungen sind, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, über Netzwerke eine Willkommenskultur zu schaffen und die einheimische Bevölkerung aufzuklären. Wir sind ein stabiles wirtschaftliches Land, daher haben wir die Verpflichtung, Verfolgte und Bedrohte aufzunehmen. Kalbe ist in diesem Zusammenhang ein Musterbeispiel, hier wurde mit der Stadt, dem Stadtrat und den Vermietern vorzügliche Arbeit geleistet.

Vorletzte Frage: Was hat Sie im vergangenen Jahr besonders begeistert?

Ich habe mich sehr über die große Besucherzahl beim Bürgerfest zum 20. Geburtstag unseres Altmarkkreises gefreut. Die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls und die Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Salzwedel an Pfarrer Joachim Hoffmann waren ebenfalls sehr beeindruckend. Na, und natürlich der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft!

Und was war aus Ihrer Sicht im vergangenen Jahr nicht so optimal?

Die Zusammenarbeit auf unterschiedlichen staatlichen Ebenen, zwischen Städten, Gemeinden und Landkreisen mit dem Land muss besser werden. Wir sind maßgebliche Gliederungen des Staates, und die Zukunft des Landes entscheidet sich nun mal im ländlichen Raum, da dieser immerhin 96 Prozent der Fläche des Landes einnimmt und dort 75 Prozent der Bevölkerung leben. Daher hat mich die Art der Diskussionsführung um das Finanzausgleichsgesetz schon sehr geärgert.