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Flüchtlingsberatung "Zur Not frage ich dann Mister Google"

Ebenso wie in Salzwedel und Kalbe bietet die Arbeiterwohlfahrt (Awo) nun
seit kurzem auch in Gardelegen eine Flüchtlingsberatung an. Bisher
einmal wöchentlich ist Sozialarbeiter Detlev Diesing an der Gartenstraße
27 vor Ort und hilft mit Rat und Tat vor allem durch den Behörden- und
Formulardschungel.

Von Gesine Biermann 20.02.2015, 02:20

Gardelegen l Jeden Donnerstag zwischen 7.30 Uhr und 15 Uhr ist er "theoretisch" im Awo-Büro an der Gardeleger Gartenstraße 27 zu finden. Theoretisch deshalb, weil er eben manchmal auch schnell mal weg muss, wenn er einen seiner Klienten begleiten muss. Wie schon in Kalbe und Salzwedel betreut Awo-Sozialarbeiter Detlev Diesing im Auftrag des Altmarkkreises nun auch in Gardelegen ausländische Mitmenschen. Zu ihm kommen Asylberechtigte ebenso wie Asylantragsteller, Spätaussiedler ebenso wie Geduldete. Da fällt auch so mancher Außentermin an.

Meist kann er allerdings schon mit dem Kugelschreiber helfen. Einen großen Teil seiner Arbeitszeit verbringt Sozialarbeiter Detlev Diesing nämlich naturgemäß mit dem Ausfüllen von Formularen. Zumeist sind es Anträge auf Sozialleistungen, oft aber auch Anmeldebögen für Krankenversicherungen, Kindergärten oder Gesundheitsfragebögen.

Gestern Vormittag sucht zum Beispiel ein syrischer Vater sein Büro auf. Mitgebracht hat er die verschiedensten Formulare - und zwar gleich immer sechsfach, für jedes Mitglied seiner Familie. Jeden der behördlichen Bögen hat Diesing schon unzählige Male gesehen. Routiniert füllt er alles aus. Erleichtert kann der Besucher anschließend den ganzen Formularstapel wieder einpacken.

Schnell geht dieses ganze Prozedere dennoch fast nie. Schließlich sprechen die wenigsten der Hilfesuchenden Deutsch oder Englisch. Nach wie vor ist die Sprache in der Flüchtlingsbetreuung eine große Hürde, bestätigt Diesing. Er ist zwar fit in allen rechtlichen Fragen rund ums Ausländerrecht, "in meinem Alter lerne ich aber kein Arabisch mehr", sagt er, "wenn gar nichts geht, frage ich zur Not Mister Google mal nach einem Wort." Auf Programme, die ganze Sätze übersetzen, gibt er nämlich nicht viel: Ein Besucher hatte ihn schon mal mithilfe eines solchen Programmes um einen Termin mit dem Papst gebeten. "Und so was bringt uns natürlich nicht weiter", sagt Diesing augenzwinkernd.

Eigentlich ist es aber tatsächlich die Sprachbarriere, die ihm die meisten Sorgen macht. Auch Behörden setzten oft eine Übersetzung voraus: "Da kommen die Leute her, zum Beispiel mit einem Schreiben des Jobcenters oder auch mit einem Terminzettel vom Arzt. Und darauf steht dann in großen Buchstaben: Bitte einen Dolmetscher mitbringen!" Woher der aber kommen soll, stehe nicht drauf, sagt Diesing achselzuckend.

Oft fordern Behörden einen Dolmetscher zum Termin

Froh ist der Awo-Mitarbeiter deshalb, wenn er auf einen Muttersprachler wie Midjoiti Nofi zurückgreifen kann. Der gebürtige Mazedonier hat viele Jahre in Deutschland gelebt, ist derzeit zwar nur geduldet, hilft aber gern. Mit Janet Warda, der Integrationsbeauftragten in der Gardeleger Gemeinschaftsunterkunft, gibt es zwar auch eine Dolmetscherin. Sie ist aber nicht immer verfügbar.

Auch dort können sich Asylsuchende übrigens weiterhin beraten lassen, versichert Diesing. "In der Gemeinschaftsunterkunft gibt es nach wie vor einen Sozialarbeiter." Das Angebot der Awo, ebenfalls aus Landesmitteln und über den Altmarkkreis finanziert, sei zusätzlich, aber auch dringend notwendig, da der Beratungsbedarf insgesamt nicht weniger werde.

Genau deshalb plant auch der Altmarkkreis weitere Maßnahmen. So prüfen Berater im kommunalen Jobcenter derzeit, wer sich möglicherweise aufgrund seines beruflichen Hintergrundes im Rahmen des zweiten Arbeitsmarktes für die Begleitung und Betreuung von Asylantragstellern eigne, teilt Pressesprecherin Birgit Eurich auf Nachfrage mit. Wie diese dann eingesetzt werden, sollen ab Mitte des Jahres zudem zwei Sozialarbeiter koordinieren, deren Teilzeitstellen in Kürze ausgeschrieben werden.

Möglich wird dies, weil das Land die Anzahl der Mitarbeiter mit sozialpädagogischem Hintergrund aufgestockt habe, so Eurich: "Entsprechend wird der Altmarkkreis das Äquivalent von mindestens einer zusätzlichen Stelle, die wir aufsplitten wollen, erhalten und direkt oder über Träger zwei Sozialpädagogen mit je mindestens einer halben Stelle anstellen."