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18-Jähriger aus dem Raum Mieste vor Gardeleger Amtsgericht Bewährungsstrafe und 200 Arbeitsstunden

Von Ilka Marten 24.03.2011, 05:30

Gardelegen. Wegen Diebstahls verurteilte das Jugendschöffengericht einen 18-Jährigen aus dem Raum Mieste zu sechs Monaten Jugendstrafe, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung. Außerdem muss der junge Mann 200 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten und die Verfahrenskosten tragen.

Staatsanwalt Bernd Blasczyk findet deutliche Worte: "Sie sind einfach nur ein kleiner, frecher Dieb." Der Aftershave-Klau war zuvor bei den vielen Lügen und anderen unglaublichen Geschichten des Angeklagten während des Prozesses fast ein bisschen in den Hintergrund gerückt. Im November 2010 wurde Matthias* in einem Stendaler Einkaufsmarkt erwischt, wie er ein Aftershave im Wert von 4,45 Euro stahl. Seine Version: "Ich wollte ja nicht klauen. Ich hatte genug Geld dabei, aber ich war durcheinander."

Deswegen habe er nur das Sechser-Paket Brause, zwei Energy-Drinks und die zwei Tüten Gummibären auf das Band an der Kasse gelegt. Doch zuvor war Matthias in der Kosmetikabteilung, und da sah die Kaufhausdetektivin, wie er das Aftershave ausprobierte - und es in seine Tasche steckte. Die Frau behielt ihn im Blick. Dass er so viele Sachen gekauft habe, dass er keine Hand mehr frei gehabt habe, verneint die Detektivin.

Richter Axel Bormann kennt den Angeklagten bereits. Erst im Juni 2010 hatte er ihn wegen Diebstahls zu einer Woche Dauerarrest und 100 Arbeitsstunden verurteilt, das Aftershave klaute Matthias gerade mal zwei Tage nach der Rückkehr aus der Jugendarrestanstalt. Doch nicht nur das: Als die Detektivin Matthias nach dem Personalausweis fragte, sagte dieser, er habe ihn nicht dabei. Und gab statt seines Namens den Namen Mike Krokowski an. Wohnen würde er in Osterburg, sogar Straße und Hausnummer fielen ihm spontan ein. Als er sagte, er sei 16, aber kein Geburtsdatum dazu wusste, wurde die Frau stutzig: "Aber ich habe manchmal auch Leute, die sind Analphabeten. Und ich hatte bei ihm schon den Eindruck, dass irgendwo ein Groschen an der Mark fehlt."

Sie holte die Polizei - und die fand bei Matthias zügig den Personalausweis. Seine Begründung für die Namenslüge: "Ich hatte Schiss, ich war ja erst frisch aus Halle zurück." Und dahin wolle er nicht zurück: "Bloß nicht, das war schlimm genug. Das Essen war Scheiße. Es gab jeden Tag Leber, ich esse so etwas nicht." Bormann darauf süffisant: "Das ist ja auch ungesund. Gab es nichts anderes?" Matthias überlegt kurz, ja Bratkartoffeln und Rührei, Schnitzel und Pilzsoße mit Kartoffeln habe es auch gegeben. Bormann: "Klingt doch gut."

Doch Matthias schildert den Jugendarrest mit bedrücktem Blick wie ein Martyrium. Nach dem Frühstück musste er immer zurück ins Zimmer, den ganzen Tag saß er da mit einem anderen jungen Mann aus Stendal: "Der war ganz nett." Der Richter daraufhin: "Müssen wir nächstes Mal wohl doch ein Einzelzimmer nehmen, was?" Abendessen habe es gegeben, "Stulle mit Wurst oder Käse", schildert Matthias im Jammerton. Bormanns Geduld ist ausgereizt: "Das war wohl alles nicht gut genug für Sie!"

Die Namenslüge beim Diebstahl ist indes nicht die einzige, mit der sich der Staatsanwalt und das Gericht befassen müssen. Bei der Polizei einen Tag später gab Matthias an, sich an nichts mehr erinnern zu können, weil er so viel getrunken habe. Dabei bleibt er auch am Prozesstag: Zwei Kästen Bier habe sein Kumpel zu dessen Geburtstag spendiert, davon habe er allein zehn Flaschen getrunken, zwischen seinem Schulschluss um 15.45 Uhr und der Tatzeit 17.50 Uhr.

"Ich hatte Schiss, ich war ja erst frisch aus Halle zurück"

Diese Schnelligkeit beim Biertrinken zweifelt Staatsanwalt Blasczyk stark an. Und Bormann fragt: "Besteht Ihr Leben nur aus Lügengeschichten?" Denn die Kaufhausdetektivin und die zwei Polizisten, die ebenfalls als Zeugen aussagen, sind sich sicher, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt absolut keinen alkoholisierten Eindruck gemacht habe. Matthias´ Erklärung der fehlenden Alkoholfahne: "Ich hatte mich ja in der Kosmetikabteilung eingedieselt." Bormann überrascht: "Auch im Mund?"

Kopfschüttelnd nimmt noch jemand diese Aussagen des Angeklagten zur Kenntnis: seine Mutter, die im Zuschauerraum sitzt. Fassungslos ist auch der Jugendgerichtshelfer: "Erst als ich die Anklage gesehen habe und dann auch noch als ich las, wann die Tat war. Da bin ich noch mehr vom Stuhl gefallen." Denn: Matthias ist kein Unbekannter, er hat in den vergangenen vier Jahren sieben Einträge im Erziehungsregister stehen, immer wegen Diebstahls.

Und auch schon vor seinem 14. Lebensjahr klaute er mehrfach. Die Empfehlung des Jugendgerichtshelfers ist eindeutig: "Schädliche Neigungen sind bei ihm auf alle Fälle vorhanden, deswegen eine Jugendstrafe auf Bewährung." Dem schließt sich Staatsanwalt Bernd Blasczyk an: "Sie scheinen wirklich nichts gelernt haben. Sie klauen nach Lust und Laune. Und Sie sind kein Kleinkind mehr, das man hätscheln kann."

Sein Antrag: sechs Monate Jugendstrafe, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung, und 200 gemeinnützige Arbeitsstunden. Kopfschüttelnd fügt er hinzu: "Ich befürchte ja, dass wir uns wieder sehen."

Dem Strafantrag schließt sich das Jugendschöffengericht an, außerdem entscheidet es, dass Matthias die Verfahrenskosten zahlen muss. "Die können Sie abstottern, dann können Sie nicht so viel trinken", so Richter Bormann. Die 200 Arbeitsstunden muss Matthias bis September geleistet haben, sonst gibt es Beugearrest für den jungen Mann, der zurzeit ein berufsvorbereitendes Jahr absolviert und eine Lehre anstrebt. Ein Zeitproblem wegen der schulischen Verpflichtungen sieht Bormann jedoch nicht: "Sie können ja auch sonnabends und sonntags arbeiten."(*Name geändert)