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Rund 130 Lehrer und Erzieher ließen sich gestern in Kalbe zum Thema Gedächtnisförderung fortbilden/Dr. Dieter Böhm: "Schüler müssen Erlebnisse haben"

Von Conny Kaiser 08.04.2011, 04:27

Lehrer, die die Schulbank drücken, und das sogar freiwillig: Dieses Phänomen ist immer dann zuhauf zu beobachten, wenn die Gewerkschaft zur Fortbildung mit Dr. Dieter Böhm einlädt. So wie gestern in Kalbe.

Kalbe. "Schüler müssen Erlebnisse haben." Dann, so Dr.Dieter Böhm, bleibe ihnen auch etwas im Gedächtnis hängen. Böhm machte gestern Lehrer zu Schülern - und sorgte auf mitreißende Art dafür, dass dieser Nachmittag in der Kalbenser Sekundarschulaula bei ihnen nicht so schnell in Vergessenheit geraten dürfte.Schon der Einstieg war bezeichnend. Böhm stellte seinen Zuhörern drei Daten vor, und sie sollten sagen, was sie an diesen Tagen gemacht haben. Die meisten hatten spontan eine Antwort parat. Es handelte sich nämlich um den 9. November 1989, den Tag des Mauerfalls, um den 11. September 2001, als in New York das World Trade Center nach einem Terroranschlag einstürzte, und um den 30. August 1997, den Todestag von Prinzessin Diana.

Was Böhms Zuhörer in diesem Moment in sich wachriefen, war das episodische Gedächtnis. Dieses könne auch den Unterricht erfolgreicher machen. Doch stattdessen werde in Schulen häufig auf der Basis des so genannten ZDF-Gedächtnisses (Zahlen, Daten, Fakten) gearbeitet. "Ich nenne es auch das Guttenberg-Gedächtnis", so Böhm, denn es gehe mit einer "Quellenamnesie" einher.

Weiterhin gebe es das automatisierte, auch prozedurales Gedächtnis genannt. "Darunter fällt das Thema ,Brille verlegt\'", so der Pädagoge für Pä-dagogen. Denn das Ablegen einer Brille sei oft ein automatisierter Prozess, genau wie das Fahren eines Autos. Dann gebe es da auch noch das deklarative Gedächtnis, das den Menschen in Kategorien denken lasse. "Aber je schneller wir sie erkennen, desto schlechter speichern wir die Details", so Böhm, der auch noch das semantische Gedächtnis erläuterte. Semantik ist die Lehre der Bedeutung von Zeichen, unter denen auch Erinnerungen abgelegt werden können.

"Das Gedächtnis schlechthin gibt es also nicht", wie Dr.Böhm seinen Zuhörern verdeutlichte. Die waren noch zahlreicher als sonst in der Sekundarschulaula erschienen. Dorthin hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eingeladen. Ihre Vertreter begrüßten rund 130 Teilnehmer aus der gesamten Altmark.

Seit 2005 werden in Kalbe regelmäßig solche Verantaltungen mit dem Hirntrainer und Motivator aus Barleben veranstaltet. Er ist Lizenznehmer von Vera F. Birkenbihl, die in den U.S.A. Lernmethoden auf der Basis der Hirnforschung entwickelt hat. Nicht umsonst hat Böhm sein jüngstes Buch "Das Birkenbihl-Virus" genannt. Seine Freude am Lernen und Lehren steckt an. Auch dann, wenn sich der Gedächtnis-Fachmann bei der Frage nach seinem Alter lächelnd am grauen Haarschopf kratzt und sagt: "Das habe ich vergessen." Übrigens: Der Mann ist 54. Er konnte sich dann doch noch erinnern.