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Gastspiel des Bremer Tourneetheaters / Nachdenken über eine vereinsamende Gesellschaft Entführung zur Unterhaltung

Von Anke Kohl 19.04.2011, 06:29

Es scheinen die menschlichen Themen zu sein, die Ullrich Mattheus umtreiben und die er mit seinem Ensemble auf ebenso skurrile wie humorvolle Weise darstellt. Zum zweiten Mal gastierte das Bremer Tourneetheater in Gardelegen. Mit "Meier, Müller, Schulz" war es die Einsamkeit mitten in der Gesellschaft, von der das Stück auf der Bühne des Schützenhauses erzählte.

Gardelegen. Zwei Männer betreten die Bühne, und es scheint, als ob der eine den anderen eher in den Raum führt und schiebt. Was auf den zweiten Blick auch nicht verwundert, schließlich kann der ja mit tief ins Gesicht gezogener Mütze gar nichts sehen. Sie bleiben stehen, und der Sehende betrachtet wohlwollend den Herrn. Missfallen drückt plötzlich seine Mimik aus. Er führt den Mann an eine andere Stelle, schaut, nickt zufrieden und gießt sich, wie zur Belohnung, ein Glas Wein ein. Es scheint, als habe er gerade sein Zimmer neu dekoriert und ist nun zufrieden mit dem Ergebnis. "Bitte tun Sie mir nichts! Das muss eine Verwechslung sein", sind die ersten verzweifelten Worte des armen Maskierten, auf die er aber keine Antwort erhält. Statt dessen deckt der mutmaßliche Entführer liebevoll den Kaffeetisch und führt sein Opfer an denselben. Mit "Es ist kühl geworden" beginnt die seichte Konversation, die sich im Laufe des Stückes zu wahrhaft grotesken Wortwechseln zwischen dem Entführer Meier und dem Entführten Schulz entwickelt. Und als schließlich auch noch die naiv-nervige Nachbarin Frau Müller, die für den angekündigten Besuch ihrer Eltern dringend einen vorzeigbaren Verlobten braucht, ins Spiel kommt, sind den Wirrungen keine Grenzen mehr gesetzt.

"Alles dreht sich um die Einsamkeit der Menschen nebeneinander und die Perversion, was man daraus machen könnte", erklärt Ullrich Mattheus den Inhalt der grotesken Komödie von Autor Marc Becker. Das Szenario geht soweit, dass Nachbarin Frau Müller ganz begeistert ist von der Idee Meiers, sich einfach eine Geisel zu nehmen, um nicht allein zu sein. Als Kind habe sie ja auch mal ein Meerschweinchen gehabt, erzählt sie. Und falls Meier mal in Urlaub fahren wolle, sei das kein Problem. "Ich würde ihn nehmen", bietet sie bereitwillig ihre Hilfe zur Versorgung an.

Auf die Spitze getrieben, wird das Modell Entführung für Unterhaltung zum Erfolg, als in der Tagespresse eine neue Rubrik geschaffen werden musste. Gleich nach dem Fahrzeugmarkt gibt es nun auch den Geiselmarkt, und per Radioaufruf der Polizei wird nun nicht mehr nur nach Schulz gesucht sondern auch Krause, Pinsel, Kasunke, Stapenberg und, und, und.

Tinka Klindtwort als Frau Müller, Hendrik Massute als Geisel Schulz und Ullrich Mattheus als Meier lieferten ihren rund 50 Zuschauern mit "Meier, Müller, Schulz" viel Stoff zum Nachdenken zwischen humorvoll Dargestelltem und dem leise pochenden Selbstzweifel: Kenne ich vielleicht auch einen "Meier"?