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Bernd-Lutz Lange las am Sonnabend in der Gardeleger Bibliothek Ein Sachse mit Buch und Bier

Von Gesine Biermann 02.05.2011, 06:40

Ihr Lachen war wohl noch vor der Tür zu hören: Am Sonnabend hatten die Besucher von "Buch und Bier" in der Gardeleger Bibliothek so großen Spaß wie selten in den vorangegangenen neun Jahren der Veranstaltungsreihe. Bernd-Lutz Lange, Autor, Kabarettist, bekennender "Damenradfahrer" und leidenschaftlicher Sachse, erzählte und las mit so viel Charme, Witz und Mundart, dass das kühle Blonde in mancher Hand fast ein bisschen warm wurde.

Gardelegen. "Isch gomm gleisch wiedor!" Eben gerade hatte Bibliotheksleiterin Ursula Isenberg ihren Stargast vorgestellt, da war der schon wieder verschwunden. Sekunden später tauchte er glücklicherweise wieder auf, allerdings mit einem anderen Buch in der Hand als mit jenem, aus dem er an diesem Abend lesen sollte. Seines war es dennoch: "Magermilch und lange Strümpfe", Buchhändlerin Eleonore Albrecht hatte es mitgebracht. "Isch gloobe, isch läse Ihnen daraus ooch noch was vor", sächselte Lange fröhlich. Das Publikum ("Ihr glingt gornisch wie Osten hior") - rückte sich - mit Bierchen in der Hand - vergnügt die Stühle zurecht. Immerhin hatte der Förderverein der Bibliothek zum internationalen Tag des Buches und Bieres ja auch wieder zu "Buch und Bier" eingeladen.

Zum zehnten Mal übrigens, wie Ursula Isenberg betonte. Und das finde er "sowas von symbadhisch", versicherte Lange. Auch auf seinem Tisch stand schließlich so ein Fläschchen Hopfensaft. Zurück nach "Zwiggau" lasse er sich da aber natürlich fahren, versprach der Autor. "Nisch, dass Sie dengen, isch dringe hier und foahre dann och noch..."

Zum Trinken indes kam der 1944 in Zwickau geborene Schriftsteller an diesem Abend gar nicht so viel. Und seinem Publikum ging es irgendwie nicht anders. Denn das lachte schon bei Langes ersten Geschichten aus seiner eigenen Kindheit Tränen.

Das schnell mal von Eleonore Albrecht ausgeliehene Buch "Magermilch und lange Strümpfe" - letztere "an Leibschn" befestigt, was stets das "peinlische Gebibbel mit die Gnebbschen" nach sich zog - wurde zum Einstieg in eine Lesung auf "Sägsisch", in der der Mann vorn am Pult sein Völkchen südlich der Elbe in ein so sympathisches Licht rückte, dass alle Nichtsachsen am Ende wohl schon die nächste Reise nach "Leiptzsch" oder "Dräsdn" planten - und seine Landsleute - jawohl, es gibt sie auch in der Altmark - wohl mit ordentlich Heimweh im Bauch nach Hause gingen.

Den weitaus überwiegenden Teil des Abend widmete Lange aber natürlich seinem jüngsten Buch. Die Geschichten aus "Ratloser Übergang" hatten jedoch mindestens ebenso viel Charme wie seine Kindheitserinnerungen.

Lange beweist in seinem ulkigen Rückblick auf DDR-, Vorwende- und Nachwendezeiten nämlich auch, dass er ein echter Kabarettist ist. Denn 1966 gehörte der gelernte Gärtner und studierte Buchhändler zu den Gründungsmitgliedern der Leipziger Academixer, fuhr später samt "Gabbarett" mit dem Freundschaftszug an die russische Erdöltrasse, kam nach der Wende sogar nach "Los Änscheles", und lies seine "Erläbnisse" mit den "Ameriganern" und den "Freundn" im Freundesland zum großen Vergnügen der Gäste noch einmal Revue passieren. Unter Ossis versteht man sich schließlich auch ohne viele Erklärungen.

So machten seine Erinnerungen an den DDR-Ostseeurlaub den Zuhörern genau so viel Spaß wie Langes Beschreibungen einer Nachwende-Taxifahrt. Und mancher Besucher hatte wohl auch ähnliche Erfahrungen mit Diebstahlsanzeigen bei der Polizei gemacht wie der Zwickauer. Kein Wunder, dass die eineinhalb Stunden wie im Fluge vergingen.

Bevor sich Lange dann geduldig ans Autogramme schreiben machte, hatte er indes noch ein paar Tipps für die altmärkischen Gastgeber parat. Sollten die Besucher von "Buch und Bier" beim nächsten "Leipzsch-Besuch" auf einen Sachsen treffen, was nicht ausgeschlossen sein dürfte, sind sie nun gewarnt. Sie sollten, wenn sie in Eile sind, ihr Gegenüber lieber nicht nach dem Weg fragen. Der "Sagse" nämlich ist nicht nur "gemiedlich", sondern erzählt auch gern und viel.

Glücklicherweise galt das am Sonnabend auch für den Sachsen in der Bibliothek.