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20-jähriger Gardeleger zu Geldstrafe verurteilt / Erhebliche Schadensersatzkosten zu erwarten Ein brutaler Faustschlag mit schlimmen Folgen

Von Ilka Marten 25.11.2011, 08:22

Hohe Schadensersatzforderungen erwarten einen jungen Mann aus Gardelegen. Er schlug einen Salzwedeler nieder. Strafrechtlich wurde der 20-Jährige kürzlich verurteilt.

Gardelegen/Salzwedel l Es war ein Faustschlag, der das Leben von zwei jungen Männern prägen wird. Den 17-jährigen Tim* aus Salzwedel, weil er seit Mai eine Titanplatte im Kopf hat, den 20-jährigen Lukas* aus dem Raum Gardelegen, weil er mit seiner Faust Tims Stirnbein brach. Wegen gefährlicher Körperverletzung musste sich Lukas nun vor dem Amtsgericht Gardelegen verantworten. Richter Axel Bormann verurteilte den 20-Jährigen zu einer Geldstrafe von 200 Euro. Außerdem kommen auf den jungen Mann Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen in Höhe von mehreren tausend Euro zu. Den Faustschlag gab der Angeklagte von Beginn an zu, begründete dies aber damit, dass er sich selbst bedroht fühlte und in Notwehr gehandelt habe.

Dabei fängt alles harmlos an am 7. Mai im Club Hanseat in Salzwedel, wo an dem Abend mehrere Hardcore-Bands auftreten. Lukas fährt mit Freunden hin, Tim kommt - stark angetrunken - ebenfalls mit ein paar Kumpels zum Konzert. Krachige Klänge dröhnen aus den Boxen, vor der Bühne stehen die Gäste, in der Mitte wird getanzt. Dabei ist Tanzen das falsche Wort - im Hardcore-Deutsch heißt das moshen, pogen und violent dancing. Schubsereien, wildes Umherspringen, teils Tritte - eine rüde Methode, etwas für Fans. "Mit Füßen und Fäusten", schildert Tim. Bis dahin stimmen die Aussagen von Opfer Tim und dem Angeklagten Lukas überein. Lukas sagt, er habe getanzt, sei dabei absichtlich dreimal von Tim, der mehr am Rand steht, geschubst worden und habe von ihm einen Schlag ins Gesicht bekommen. "Ich hatte Blut an der Lippe", so der 20-Jährige. Die jungen Männer geraten auf der Tanzfläche aneinander. Die Sicherheitsleute schnappen Lukas und ziehen ihn raus. "Dann habe ich ihn beobachtet, er hat mich ausgelacht, ich habe mich provoziert gefühlt", gibt der Angeklagte zu.

"Die Fäuste waren unten, aber sie waren geballt"

Als der letzte Song der Band wenige Minuten später verklungen ist, steht Lukas auf der großstufigen Tribüne "und da habe ich zugeschlagen, weil Tim direkt auf mich zukam und ich dachte, er schlägt wieder zu". Richter Bormann schaut ihn eindringlich an: "Sie haben präventiv zugeschlagen? Es muss ein mörderischer Schlag gewesen sein, so als wenn man ein Bolzenschlaggerät in der Hand hat. Tim hat Glück, dass er noch lebt." Lukas schaut kurz nach unten, blickt dann Bormann in die Augen: "Ich habe mich bei ihm entschuldigt. Wir haben uns danach noch unterhalten. Er ist wirklich genau auf mich zugekommen." Der 17-jährige Tim hat die Szene anders im Gedächtnis. Lukas habe immer wieder versucht, das Publikum anzustacheln. "Er ist in die Menge gesprungen und hat mir mit dem Fuß in den Oberschenkel getreten, das muss ich mir nicht gefallen lassen. Da habe ich ihn wieder in die Mitte geschubst, und er ist aufs Maul geflogen", schildert Tim die erste Auseinandersetzung. Lukas sei daraufhin total abgedreht, dann hätten die Sicherheitsleute ihn geholt, sagt das Opfer. "Die Band war fertig, für mich war das gegessen." Da kommt für ihn wie aus dem Nichts der Schlag von Lukas, der auf der Tribüne leicht erhöht steht, während Tim in Richtung Bar gehen will. Der Schlag trifft Tims Stirn mit brachialer Gewalt, weil Lukas höher steht und mit ausgestrecktem Arm und geballter Faust zuschlägt.

Wieder greifen die Sicherheitsleute ein. Nicht nur für Tim kommt der Schlag überraschend, auch für die Security: "Die Lage schien beruhigt, es war kein neuer Angriff zu erwarten", schildert ein Zeuge die Situation vor dem Faustschlag. Wie es zur ersten Auseinandersetzung von Opfer und Täter auf der Tanzfläche kam, weiß der Zeuge nicht mehr: "Es war plötzlich ein Knäuel. Ich habe Lukas da rausgeholt. Er war sichtlich aufgebracht."

Als sich der 17-jährige Tim nach dem Schlag an die Stirn fasst, "hatte ich eine Delle drin". Noch am selben Tag kommt er ins Salzwedeler Krankenhaus, wird nach Magdeburg verlegt, wo die Ärzte ihm wegen seines Schädelbruches eine Titanplatte einsetzen müssen. Recht wenig können Tims Freund und sein Bruder zur Aufklärung beitragen. Als eine Freundin des Angeklagten beim Fortsetzungstermin aussagt, fällt es schwer, der Notwehr-Argumentation von Lukas weiter folgen zu können, denn sie schildert, dass das Opfer Tim "mit geballten Fäusten auf Lukas zukam". Richter Axel Bormann stellt ihr eine wichtige Frage: "War er in Kampfhaltung?" Die Zeugin überlegt nur kurz: "Die Fäuste waren unten, aber sie waren geballt."

Am Ende des zweitägigen Prozesses wegen des Faustschlages im Hanseat verurteilt Richter Bormann Lukas zur Zahlung von 20 Tagessätzen á 10 Euro und der Verfahrenskosten. Außerdem ist der junge Mann dem Grunde nach verpflichtet, dem Adhäsionskläger Tim den materiellen Schaden zu ersetzen sowie ein Schmerzensgeld zu zahlen. Wie hoch dies sein wird, wird in einem Zivilverfahren zu ermitteln sein. Für den 20-Jährigen werden das jedoch nicht die einzigen Kosten sein, denn auch Tims Krankenkasse wird das Geld für die Behandlung bei dem Verurteilten einfordern. Es war ein fataler Faustschlag für Tim - und auch für Lukas. (*Name von der Redaktion geändert)