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Schauspieler des Genthiner Amateurtheaters zeigen "Valentinade" in ausverkauftem Lindenhof Liebevoll inszenierte Lieblosigkeiten

Von Kristin Schulze 17.02.2014, 01:40

Gat-Chef Eckhard Neumann hält nichts vom Valentinstag. Und so bekam seine Frau Uta ihre Blumen schon eine Woche vorher. Den Genthinern bescherte er aber pünktlich zum 14. Februar 15 liebevoll inszenierte Lieblosigkeiten.

Genthin l Ein Paar sitzt im Restaurant. Es sind die Wagners aus Genthin. "Schmeckt dir der Wein?", fragt Jürgen und schiebt hinterher: "Sitzt du bequem?" "Gefällt dir die Tischdecke?" "Nein", sagt seine Frau Rita, und ihr Ton verrät, dass jede seiner Fragen sie ein Stück näher an den Nervenzusammenbruch bringt. Herrlich auch ihr Mienenspiel. Sie hebt die Brauen, rollt die Augen, rümpft die Nase, legt die Stirn in Zornesfalten ... Und verlässt schließlich entnervt das Restaurant ...

Die Wagners streiten sich vor 75 Leuten im ausverkauften Lindenhof. Und das nicht zum Spaß, sondern für ihren Sketch "Unvergessliches Essen". Das ist einer von 15 Programmpunkten der 12. Valentinade des Genthiner Amateurtheaters (gat).

Verantwortlich für das große Ganze ist gat-Chef Eckhard Neumann. Zur Premiere am Freitagabend erscheint er wortkarg. Essen will er nichts, trinken auch nicht und reden erst recht nicht. Eines ist dann doch aus ihm herauszukriegen. "Ich bin ganz schön aufgeregt."

Das ist verständlich, viel Zeit zum Proben blieb dem Ensemble nicht. Am 6. Januar brachten sie die letzte Vorführung des Weihnachtsmärchens über die Bühne. Normalerweise ein Ereignis, das Eckhard Neumann den Winterurlaub auf Teneriffa buchen lässt. Der fiel in diesem Jahr aus, zu wenig fortgeschritten waren die Proben zur Valentinade.

"Taxi-Chaos und andere Lieblosigkeiten" heißt sie in diesem Jahr. Und besteht aus 15 Sketchen plus Entree plus Finale. Das alles zeigten die gat-Schauspieler am Freitag und Sonnabend im vollbesetzten Lindenhof. Die Karten waren binnen weniger Tage ausverkauft.

Hochzeit inklusive Nachwuchs, Affäre und Scheidung

Auf der Bühne streiten nicht nur die Wagners. Bei Christiane Schwarz und Dirk Matthies fliegen die Fetzen, weil er heiraten will, sie aber nicht. Die Hochzeit schon hinter sich hat Alfred Jansky. Nachwuchs, Affäre und Scheidung inklusive. Und so lässt er diese Liebe Revue passieren. Was so vielversprechend mit "Die Nacht war schwül, Emma küsste mit viel Gefühl" begonnen hatte, endet für Jansky als Sündenbock vor dem Scheidungsrichter.

Die Zuschauer applaudieren begeistert, und so manch einer mag denken "Gut, dass es bei uns noch nicht so schlimm ist".

Eckhard Neumann und seine Truppe zeigen Lieblosigkeiten für Verliebte und Geliebte und bescheren den Genthinern ein Valentinswochenende, an dem sie alle Lieblosigkeiten in den eigenen vier Wänden vergessen können. Spätestens, als Axel Lorenz in Kniestrümpfen und mit Hornbrille die Bühne betritt, um in der Reitschule von Christiane Schwarz nach einer Frau zu suchen, hat sich jeder Besucher mindestens einmal vor Lachen an seinem Getränk verschluckt.

Bis auf einen. Eckhard Neumann lacht noch nicht, es ist erst Halbzeit im Lindenhof. Zu viel kann noch schief gehen. Der gat-Chef ist Perfektionist und seine Liebe zum Detail in jedem Sketch zu sehen.

In "Topkapi" zum Beispiel. Eckhard Neumann gibt den neugierigen Touristen und bringt das Publikum mit seinen Monologen zum Lachen. Dazu kommen Sigrid Neumann als genervte Ehefrau und Marina Conradi als eifrige Reiseführerin. Beide reden kein Wort. Doch ihre Gesichter sprechen Bände. Auf Conradis steht geschrieben: "Ich mache drei Kreuze, wenn ich die nervigen Touristen endlich los bin." Und Sigrid Neumanns Mimik sagt: "Man, wie es mich nervt, dass der Alte nur Augen für die jungen Dinger hat."

Regiepremiere für den Sketch von Jürgen Wapniarz

15 Sketche beziehungsweise Lieblosigkeiten später haben es die Schauspieler geschafft, das Niveau über die ganze Vorstellung sehr hoch zu halten.

Aber warum ist diese Valentinade eigentlich mit "Taxi-Chaos" überschrieben?

Des Rätsels Lösung folgt im gleichnamigen letzten Sketch des Abends. Entstanden ist dieser unter der Regie von Jürgen Wapniarz, der damit seine Premiere als Regisseur feierte.

Sechs Personen sitzen in einem Taxi und machen den Zuschauern die Entscheidung, wer der beste Schauspieler in diesem Fahrzeug ist, schwer. Der launische Fahrer, gespielt von Manfred Göbel? Kathleen Lemke als zickige Geliebte? Oder Jürgen Wagner als untreuer Ehemann? Auch Claudia Borschinsky, Sigrid Neumann und Jürgen Wapniarz sitzen im Taxi. Einer besser als der andere.

Am Ende ist der beste Schauspieler nicht zu ermitteln. Fest steht aber, dass die Regiepremiere von Wapniarz gelungen ist.

Genauso wie das Gesamtkunstwerk Valentinade. Premiere geglückt, Zuschauer begeistert, Amateurthater auf höchstem Niveau. Da entspannen sich sogar die Gesichtszüge von Eckhard Neumann. Aber nur kurz. Nach der Show ist schließlich vor der Show.