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Neues Kommunalverfassungsgesetz verbietet Dörfern mit unter 300 Einwohnern den Ortschaftsrat "Ratlosigkeit" in Schopsdorf ab 2019

Von Kristin Schulze und Stephen Zechendorf 19.08.2014, 01:18

Ab 2019 dürfen Orte mit weniger als 300 Einwohnern keinen Ortschaftsrat mehr haben. So hat es Sachsen-Anhalts Landesregierung in das seit 1. Juli geltende Kommunalverfassungsgesetz geschrieben. In der Einheitsgemeinde Genthin ist Schopsdorf von dieser Neuregelung betroffen.

Genthin/Schopsdorf l Der im neuen Kommunalverfassungsgesetz enthaltene Paragraf 82 formuliert es so: "Ab Beginn der Wahlperiode 2019 besteht die Verpflichtung, in Ortschaften mit bis zu 300 Einwohnern einen gewählten Ortsvorsteher zu haben. Eine Ortschaft mit mehr als 300 Einwohnern kann einen gewählten Ortschaftsrat oder einen gewählten Ortsvorsteher haben."

Von dieser Neuregelung ist in der Einheitsgemeinde Genthin nur Schopsdorf betroffen. Laut Stadtverwaltung sind zur Zeit 245 Einwohner in dem Dorf gemeldet.

"Die Zahl 300 ist recht tief angelegt", sagt Genthins Bürgermeister Thomas Barz. Es sei über höhere Grenzen bei der Einwohnerzahl diskutiert worden. Dann wären auch andere Genthiner Ortschaften betroffen. Für Barz trifft die Diskussion um Ortsvorsteher und Ortschaftsrat nicht den Kern des Problems. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Ortschaften stärker aufgestellt werden." Das heißt, dass die Räte mit mehr Rechten, aber auch Pflichten ausgestattet würden, um so die Identifikation der Einwohner mit ihrem Ort zu stärken. "Es ist doch so, dass die Menschen das Gefühl haben, der Ortschaftsrat hat nichts zu sagen", so Barz.

Ähnlich kommentiert auch Schopsdorfs Ortsbürgermeisterin Angela Schwarzlose das neue Gesetz. "Die großen Entscheidungen fallen eh in Genthin. Der Einfluss des Ortschaftsrates ist recht begrenzt." Wegen der großen finanziellen Rücklage Schopsdorfs hätte man sich im vergangenen Jahr noch gegen die Vorsteher-Variante entschieden. "Da geht es um Summen im sechsstelligen Bereich. Diese Last wollten wir nicht auf die Schultern des Vorstehers und des Stellvertreters legen, sondern gemeinsam im Rat tragen."

"2019 ist die Rücklage aufgebraucht, da spricht nichts mehr gegen einen Ortsvorsteher."

Angela Schwarzlose

Bedenken wegen des fehlenden Rates ab 2019 hat sie trotzdem nicht. "Dann dürfte die Rücklage aufgebraucht sein und es spricht nichts mehr dagegen." Außerdem seien ein Vorsteher plus Stellvertreter in der Unterhaltung deutlich günstiger als ein Rat.

Orte mit mehr als 300 Einwohnern (wie Mützel, Parchen und Gladau) haben auch ab 2019 das Recht, einen aus mehreren Personen bestehenden Rat zu wählen. Hier gilt: Nicht die Ortschaften, sondern nur der Stadtrat entscheidet, ob diese Dörfer einen Rat oder einen Vorsteher bekommen.

Thomas Barz sieht den Vorsteher nicht als Trend für alle Genthiner Ortschaften und würde "pro Rat" votieren. "Denn die Stadt braucht starke Ortschaften." Das letzte Wort hätte in dieser Sache der Stadtrat.

Der Ortsvorsteher wird, wie derzeit die Ortschaftsräte, von den Einwohnern für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Er nimmt die Aufgaben wahr, die bislang der Rat hatte.

Im Innenministerium von Minister Holger Stahlknecht (CDU) wirbt man für diese Variante: "Mit dem neuen Gesetz wurde das bisherige Ortschaftsrecht optimiert", erklärt Sprecherin Anke Reppin. Mit dem Modell des Ortsvorstehers bekämen die Bürger kleiner Dörfer schließlich die Möglichkeit, ihren Ortsvorsteher direkt zu wählen.

Eine Einschätzung, die Thomas Barz teilt. Bisher werden die Ortsvorsteher von der Verwaltung eingesetzt, erklärt der Bürgermeister. So geschehen mit Franz Schuster in Paplitz und Ludger Schattmann in Fienerode. "Ab 2019 können die Einwohner ihren Vorsteher direkt wählen, das ist auf jeden Fall die bessere Variante", sagt Barz.

Im Rahmen der alten, jetzt abgeschafften Gemeindeordnung konnten die Bürger der Einheitsgemeinde Genthin je nach Einwohnerzahl ihres Ortes bis zu neun Vertreter direkt wählen. Wie viele Räte ein Dorf bekommt, liegt in den Händen des Ortsbürgermeisters. Thomas Barz erklärt: "Wegen der Änderung der Hauptsatzung haben wir im vergangenen Jahr alle Ortsbürgermeister angeschrieben." Diese konnten dann entscheiden, ob sich an der bisherigen Zahl der Räte etwas ändert. So wurde in Gladau von sechs auf fünf, in Schopsdorf von sieben auf fünf und in Parchen von sieben auf vier Mitglieder verringert. In Tucheim und Mützel blieb die Zahl der Räte konstant.

Die Landesregierung lässt den Stadt- und Gemeinderäten im Land freilich eine Möglichkeit, auch für Unter-300-Seelen-Orte einen mehrköpfigen Ortschaftsrat zu installieren: Die Dörfer müssten dafür allerdings zusammengelegt werden und bestehende Grenzen neu definiert werden: "Die Zusammenlegung kleiner Ortschaften zu einer größeren, mehr als 300 Einwohner zählenden Ortschaft eröffnet die nach Paragraf 82 bestehende Möglichkeit, die Vertretung in der neuen, in ihren Grenzen geänderten Ortschaft durch einen direkt gewählten Ortschaftsrat wahrzunehmen zu lassen", heißt es im Gesetz. So wäre ein Zusammenschluss von Paplitz und Schopsdorf denkbar. Für Ortsbürgermeisterin Angela Schwarzlose vorerst keine Alternative. "Ich kann mir das gegenwärtig nicht vorstellen. Was aber in den fünf Jahren noch passieren wird, kann ich nicht voraussagen."