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  7. "Bürgernahe Polizei" kommt an, FAG nicht

Gespräch mit Innenminister Holger Stahlknecht in Jerichow / Fragen zur Zuständigkeit von RBB`s und Feuerwehr "Bürgernahe Polizei" kommt an, FAG nicht

Von Sigrun Tausche 09.12.2014, 02:08

Zu einem Gespräch mit den beiden Regionalbereichsbeamten, Vertretern der Stadt, dem Stadtwehrleiter und dem Landtagsabgeordneten Detlef Radke traf sich Innenminister Holger Stahlknecht im Jerichower Rathaus. "Es läuft gut!" konnte er von den RBB`s auch hier erfahren. Einige Probleme kamen aber auch auf den Tisch.

Jerichow l "Das ist für Jerichow eine schöne Geschichte", sagte Polizeiobermeister Lutz Pelzer, "denn hier gab es seit Jahren keine Revierstation mehr." Bei den ersten Fußstreifen seien er und seine Kollegin Anja Andres von vielen Leuten angesprochen worden. "Erst waren sie skeptisch, dann fanden sie es super."

Schwer sei es freilich, allen Orten der weitläufigen Einheitsgemeinde gerecht zu werden. "Wir haben einmal versucht, alle Orte abzufahren, waren fünf Stunden unterwegs und haben 180 Kilometer zurückgelegt. Dabei sind wir etliche Waldwege gefahren, sonst wäre es noch mehr!"

Nicht so einfach zu vermitteln sei den Bürgern allerdings, dass die RBB`s nicht sofort losfahren, wenn irgendwo ein Unfall passiert ist, sondern zum Beispiel bei ihrem Termin in Schule, Kindergarten oder anderswo bleiben. Möglich sei der Einsatz der RBB`s in solchen Fällen, betonte Polizeisprecher Thomas Kriebitzsch, der auch für die RBB`s zuständig ist. "Das entscheidet im Einzelfall die Zentrale." Grundsätzlich aber seien die RBB`s aus dem Einsatzdienst raus.

Das Thema Unfälle hatte Innenminister Holger Stahlknecht schon im ersten Teil des Gesprächs aufgegriffen. "Bei Verkehrsunfällen ist oft gar keine Polizei notwendig, weil diese hier nur Erfüllungsgehilfe der Versicherung wäre. Nur bei Personenschaden und bei Trunkenheitsfahrten muss die Polizei kommen!"

Alle sieben Minuten passiere in Sachsen-Anhalt ein Verkehrsunfall. Weil viel zu oft die Polizei gerufen werde, würden dabei viel zu viele Beamte gebunden, die anderswo dringender benötigt würden. Lutz Pelzer merkte dazu an, dass viele Leute gar nicht wüssten, ob sie die Polizei bei einem Unfall rufen müssen oder nicht.

Auf das Missverhältnis zwischen objektiver Kriminalstatistik und subjektivem Sicherheitsgefühl der Bürger ging Stahlknecht ausführlicher ein. "Bei Kapitalverbrechen haben wir eine Aufklärungsquote von über 90 Prozent", setzte er seine Gesprächspartner in Erstaunen. Seit 1990 gebe es auch einen ständigen Rückgang der Kriminalität. Aber deutschlandweit nehmen Einbruchdiebstähle und sonstige Diebstähle zu, und hierbei seien auch die Aufklärungsquoten nicht so gut.

Das präge das subjektive Sicherheitsgefühl: Die Leute haben das Empfinden, sie seien immer weniger sicher. Und wenn die nach Einbrüchen gerufene Polizei erst nach einer Stunde kommt, verstärke das die Unsicherheit. Objektiv sei das aber völlig ausreichend, denn der Täter sei eh` weg. In solchen Fällen müsse auch gar nicht die 110 gewählt werden.

Eine dringende Frage zum Thema Unfall-Absicherung hatte Stadtwehrleiter Ralf Braunschweig. Er berichtete aus eigenen Erfahrungen, dass Feuerwehrleute über längere Zeit eine Unfallstelle sperren und absichern mussten, weil von der Polizei gesagt wurde: "Wir haben keine Leute!"

Das sei eine Einzelsituation und sehr bedauerlich, betonte Kriebitzsch. "Rein rechtlich ist die Feuerwehr dafür nicht zuständig!" Stahlknecht relativierte das in gewisser Weise: "Rettungsdienst und Feuerwehr müssen in zwölf Minuten vor Ort sein, die Polizei nicht. Deshalb wird die Feuerwehr in der Regel erstmal das Absperren übernehmen. Aber wir werden das nicht ins Gesetz schreiben! Sobald die Polizei vor Ort ist, muss sie das übernehmen."

Bürgermeister Harald Bothe sprach dann auch noch das Finanzausgleichsgesetz (FAG) an. Er stellte die Situation der Stadt dar: Dank herber Sparmaßnahmen sei es gelungen, den ersten doppischen Haushalt mit einer Null abzuschließen. Dabei seien alle Sparmöglichkeiten voll ausgeschöpft worden. Die Ortsbürgermeister haben nur noch spärliche 70 Cent pro Einwohner zur Verfügung. "Und jetzt kommt das FAG 2015: Die Stadt Jerichow hat die größten Kürzungen im Landkreis hinzunehmen, nämlich fast 600 000 Euro! Jetzt fangen wir wieder von vorne an. Das kann doch nicht der Sinn sein!"

Auch die drei Prozent Personalabbau in der Kernverwaltung in den vergangenen drei Jahren erwähnte Bothe. "In der gleichen Zeit hat der Landkreis 7,8 Prozent mehr Personal eingestellt!" Und er gab dem Minister mit, das Land möge es den Kommunen dann nicht auch noch schwer machen durch Gesetze, die sie zusätzlich belasten, wie das KiFög.

Ralf Braunschweig warnte, dass die Kürzungen auch die Feuerwehren betreffen und zu einem weiteren Investitionsstau führen werden.