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39. Festsitzung des Genthiner Carnevalsclubs (GCC) im Stadtkulturhaus. Von Kristin Schulze und Mike Fleske GCC in St. Tropez: König, Cowboys und Pilger machen Urlaubsort zum Narrenstadl

23.02.2015, 01:37

Erhöhte Sicherheitsstufe für die Männer der Gendarmerie in St. Tropez: Am Sonnabend machten noch einmal die Genthiner Narren den beschaulichen Urlaubsort unsicher. Der Genthiner Carnevalsclub zeigte im ausverkauftem Stadtkulturhaus das Finale seiner 39. Session.

Genthin l Genthiner Stadtkulturhaus, 19.17 Uhr: Die Besucher haben ihre Plätze eingenommen, GCC-Präsident Wolfgang Fleischer steht an Tisch 1. Das Handy am Ohr, die Augen auf die Bühne gerichtet. 19.19 Uhr: Fleischer gibt den Männern, die für Licht und Ton verantwortlich sind das Signal. Es geht los. Nervös sieht Fleischer zu, wie Hartmut Nothe als Chef der Gendarmerie die Festsitzung eröffnet.

Seit Louis de Funès weiß man: Zu St. Tropez gehört die Gendarmerie. Deren Chef macht klar, dass an diesem Abend alles nach seiner Pfeife tanzen wird, ansonsten: Strafzettel, Geldstrafe oder Arrestzelle. Das Publikum ist begeistert, Nothe bekommt viel Applaus. Wolfgang Fleischer schaut noch immer nervös. Die Vorbereitung der 39. Session hat ihm einige graue Haare beschert. Auf etliche Mitglieder musste der GCC in diesem Jahr verzichten, Rita Bartz fehlte wegen Krankheit. Achim Ryssmann wegen interner Streitigkeiten. Würde das Programm ohne Ryssmanns Stimmgewalt funktionieren? Was wird aus den legendären Kopfschüssen? Was sagt das Publikum? Diese Fragen scheinen Wolfgang Fleischer um 19.25 Uhr noch nicht losgelassen zu haben. Während das Publikum bereits Interimskönig Bernhard Horn beklatscht, schaut er noch immer skeptisch.

Unbegründete Skepsis, wie von Nummer zu Nummer deutlicher wird. Der Genthiner Carnevalsclub zeigt ein Programm, das dem des Carnevalsclubs Waschmittelwerk, der Ende Januar im Stadtkulturhaus begeisterte, mindestens ebenbürtig ist. In der Zuschauergunst liegt der GCC nach wie vor vorn. Die Truppe definiert "ausverkauftes Stadtkulturhaus" noch einmal neu, braucht etliche Tischreihen mehr als ihr Nachbarverein. Und die Zuschauer bekommen einiges geboten.

Kaum in St. Tropez eingetroffen, gibt es dramatische Nachrichten aus der Heimat: "Deutschland ist eine Monarchie." Der Interimskönig von Deutschland Bernhard Horn macht seine Pläne für den Umbau des Landes öffentlich. Er wolle eine klarere Sprache einführen, "denn niemand sagt mehr, was er meint". Der neue König wird sich auch um die verlotterten Bahnhöfe, das Bildungswesen und die Frauenquote kümmern. "Statt vom Tot wirst du dann von der Tötin geholt."

Auch die Unternehmen dürfen sich freuen: "Bei mir bleibt das Geld im Land, macht die Wirtschaft Gewinn, wenn ich erst König von Deutschland bin." Nach dem royalen Glanz wird es spannend. Die Kopfschüsse sind dran. Zum ersten Mal ohne Achim Ryssmann. Der GCC zeigt, was ihn ausmacht: Manfred Göbel hat nicht Ryssmanns Stimmgewalt, singt sich aber die Seele aus dem Leib: "Wir tanzen, bis die Füße qualmen und der Saal in Flammen steht." Kopfschüsse ohne Ryssmann? Es fehlt etwas, aber es funktioniert.

Überhaupt ist der GCC stark in den musikalischen Darbietungen. Ob die Hommage an Udo Jürgens von den "Omas" oder die Tänzerinnen des Pareyer Tanz- und Gesangszentrums. Sie kommen nicht ohne Zugabe von der Bühne, das Publikum singt, klatscht und schunkelt mit. Mit Ulrike Paul gibt es zudem eine versierte Interpretin, die die Tanzdarbietungen mit Live-Gesang untermalt. Überhaupt bot die junge Pareyer Truppe mehrere einfallsreiche Nummern.

Ob ein Tanz der Marionetten oder eine Latino-Show im feuerroten Dress: Das Ensemble hat mittlerweile ein Niveau erreicht, das sich vor professionellen Tanzvereinen nicht verstecken braucht.

Michael Schremmer und Bernhard Horn begeistern beim "Computerkauf" und der "Zeitungsschau". Zur Premiere am 14. Februar führte Hartmut Nothe durchs Programm, am Sonnabend nahm Christian Granitzki seinen Platz ein. Auch die lokale Prominenz muss einstecken. Hatte der CCW hauptsächlich Horst Leiste und Thomas Barz auf dem Kieker, sind es beim GCC Harry Czeke und Lutz Nitz. "Harry Czeke ist traurig", sagt Christian Granitzki. "Der Bürgermeister nimmt ihn nicht mit in den Urlaub. Und bei der Jagdpacht darf er auch nicht mitreden." Ein mitleidiges "ooooh" geht durchs Publikum. Lutz Nitz, so erfährt das Publikum in der Zeitungsschau von Erwin und Herbert alias Horn und Schremmer, sollte mit der Silvesterrakete ins All geschossen werden. "Er stieg aber nicht auf, ist eben ein Blindgänger", kommentiert Herbert. Außerdem teilt das Duo die Gauner dieser Welt in drei Kategorien: "Kleine Ferkel, Giftmüll-Lothar und Straathof." Der Schweinebaron stecke mittlerweile tiefer in der Gülle als die Schweine.

Eine ebenfalls lockere Zunge hat eine Gruppe, die Rast auf St. Tropez macht. "Wir pilgern, pilgern, pilgern im Sauseschritt", wandeln sie einen alten Hit der Neuen Deutschen Welle ab und lästern über die Heimat und das Fernsehprogramm. "Die Folter ist nicht abgeschafft, es gibt noch den Musikantenstadl." Dass sich die Urlaubszeit gut eignet, um einen Partner zu finden, erklärt Dagmar Liebscher alias "kleene Marlene". "Wo ist der Mann, Mann, Mann, der mich befriedigen kann?", singt sie und steuert dabei zielstrebig Mützels Ortsbürgermeister Rüdiger Feuerherdt an. Zwar wird das Genthiner Original unter der Sonne Spaniens nicht fündig, darf aber einigen Herren im Saal auf den Zahn fühlen.

Ein ungleiches Paar geben auch Manfred Göbel und Birgit Heinzelmann ab. Als Barack Obama und Angela Merkel sind sie Teil der politischen Hitparade und nehmen den NSA-Abhörskandal aufs Korn. Auch Verteidigungsministerin von der Leyen bekommt etliche Seitenhiebe ab.

Am Ende übernehmen die Schweiß-Girls in der Gestalt von Cowboys und Indianern den Saal und sorgen für ein furioses Wild-West-Finale auf St. Tropez. Zu den Klängen des Fußball-Hits "Ein Hoch auf uns" zieht eine Polonäse durch das Kulturhaus. Danach sorgten Melly Key Band aus Magdeburg für Stimmung auf der Tanzfläche. Mittlerweile ist auch der skeptische Blick Wolfgang Fleischers einem glückseligen gewichen. Wahrscheinlich denkt er an das Publikum, das am Ende der Vorstellung aufgestanden ist, und die Narren minutenlang beklatschte. Keine Frage, der Weg zur 39. Sitzung war kein leichter, zum Schluss sangen die Karnevalisten aber völlig zu recht "Ein Hoch auf uns."

Einen Nachschlag zur Festsitzung des Genthiner Carnevalsclubs finden Sie morgen in der Volksstimme.