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Zugemauerte Fenster und Bögen, alte Gräber und andere Überraschungen Großbaustelle gibt immer wieder neue Spuren der Geschichte preis

Von Sigrun Tausche 02.07.2011, 06:36

Vergangene Woche sind im Beisein von Bau- und Verkehrsminister Thomas Webel die neue Zufahrtsstraße zum Klos- ter Jerichow und der Parkplatz freigegeben worden. Von hier aus müssen die Besucher der- zeit noch auf einem Behelfsweg, vorbei am künftigen Empfangsgebäude, gehen, um dann im Kloster auf weitere Baustellen zu treffen. Beide mit viel Geld geförderten Großprojekte sind noch in vollem Gange.

Jerichow. Auf dem Weg zum Eingang des Klostermuseums treffen die Besucher gleich auf eine weitere Baugrube. Bei Schachtarbeiten stießen die Bauleute hier nicht nur auf den gemauerten Kanal, der früher die Abwässer von der Brennerei zum Klinkengraben leitete, sondern auch auf menschliche Gebeine. Dass es rings ums Kloster alte Bestattungsstätten gibt, war im Grunde klar, betont Jan Wißgott, Leiter der Stiftungsverwaltung. Nur wusste freilich niemand, was man wo finden würde.

Bevor es hier baulich weitergehen kann, müssen erst die Archäologen ihre Arbeit tun. Marion Veit, als Zeichnerin beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie angestellt, und Lutz Gräning aus Mangelsdorf haben hier schon viele Stunden verbracht. Vom Grabungsbeginn neben dem Eingang zum Kloster bis zur Ecke Klosterkirche - also vorm Kapitelsaal - haben sie 22 zusammenhängende Grabstätten gezählt, ausgerichtet in Ost-West-Richtung. Wann die Bestattungen erfolgten, soll anhand von Analysen noch festgestellt werden. Vermutlich sind sie mehrere hundert Jahre her.

In Höhe der Kirche, wo der alte Abwasserkanal durch die Bestattungsplätze hindurchführt, wurden nur noch jede Menge einzelne Knochen und Schädel gefunden. Die Grabstellen sind zerstört worden, als der Kanal gebaut wurde. Das müsse zwischen 1830 und 1860 passiert sein, vermutet Wißgott.

Weiter vorn sind wieder unberührte Grabstellen zu finden. Marion Gläser dokumentiert alles, bevor die Gebeine herausgeholt und sichergestellt werden. Gezeichnet werde aber vor Ort nur noch das Profil der Grabung, betont sie. Die Grundfläche werde fotografiert. "Sonst würde alles viel länger dauern!" Bei aller Sorgfalt, die Spuren der Geschichte für die Nachwelt zu erhalten, arbeiten die beiden doch so zügig wie möglich. Darüber ist Jan Wißgott sehr froh. So kann hier eventuell schon kommende Woche mit der Leitungsverlegung begonnen werden.

Tunnel zwischen Kloster und Brennerei

Geht man weiter zum Eingang des Klosters, trifft man auf die nächste Baustelle: Wo die alte Brennerei an das Kloster angebaut ist, entsteht eine Art Tunnel, der künftig zum neuen Eingang vom alten Maischekeller her führen wird. Hier sind Handwerker gerade dabei, einen Träger einzuziehen, der die Wand des Obergeschosses abfängt. Dann kann ein Teil der Mauern weggerissen werden. Nach hinten, zur Südseite hin, ist der Durchgang bereits offen, und in der Wand zur Westseite ist eines von zwei Fenstern zum Brüdersaal, die komplett zugemauert waren, bereits zum Teil wieder freigelegt worden. Restaurator und Bauforscher haben dies mit aller Vorsicht gemacht und festgestellt, dass die Original-Laibung erstaunlich gut erhalten ist, zeigt Jan Wißgott. "Es war eine vierfache, gotische Laibung mit spitzen Bögen und einem Stempel in der Mitte." Sie werde komplett restauriert werden können. "Wir hoffen, dass auch beim anderen Fenster die alte Laibung noch in der Wand steckt!"

Wenn künftig die Besucher durch diesen Tunnel zum neuen Eingang gehen, dann werden sie durch diese Fenster bereits einen ersten Blick in den Brüdersaal werfen können.

Eine Spanndecke ist in diesem Durchgang bereits eingezogen. Sie soll in Leichtbauweise komplettiert werden. Das im hinteren Bereich vorhandene Tonnengewölbe werde nach vorn gezogen.

Das künftige Eingangsgebäude - der alte Maischekeller beziehungsweise frühere Stall - ist kaum wieder zu erkennen. Das Stück, wo das Gebäude an das Kloster anschloss, ist weggerissen - hier wird bereits der Fahrstuhlschacht gemauert. Der Rest des Gebäudes hat bereits ein neues Dach, welches zum Kloster hin erst geschlossen werden kann, wenn der Fahrstuhl drin ist.

Innen wird es zunehmend heller, denn alte Fensteröffnungen werden wieder hergestellt, ebenso drei frühere Türöffnungen auf der Ostseite, die dann bis unten verglast werden sollen, um einen lichtdurchfluteten Raum zu erhalten.

Während der Arbeiten wurden auf der Südseite frühere Bögen entdeckt, die später bündig zugemauert worden waren. Sie werden nun von eigenen Beschäftigten des Klosters wieder freigelegt, ebenso die darin befindlichen Fensteröffnungen.

Die gemauerte Gewölbedecke des Stallgebäudes wurde von Putzresten befreit. Leider sei sie nicht mehr gut genug erhalten, um sie steinsichtig zu belassen, erklärt Wißgott. deshalb werde sie mit einer leichten Schlempe überstrichen, so dass sich die Ziegel abheben werden und man die Struktur sieht. "Diese Schicht wird atmungsaktiv sein und auch dafür sorgen, dass Salze aus dem Mauerwerk gesaugt werden." Man könne sie dann später leicht erneuern.

Großer Museumsraum, von breiter Bank geteilt

Ebenfalls kaum wieder zu erkennen ist der Museumsraum im Obergeschoss des Ostflügels. Sämtliche Zwischenwände zu den ehemaligen Büros und Nebenräumen sind verschwunden. Der erhöhte durchgehende Seitenbereich dieser früheren Räume wird vom bereits fertigen Unterbau einer breiten Bank begrenzt, auf der künftig die Besucher ausruhen können. In diese Bank wird eine Heizung integriert. Auf der Nordseite dieser Empore sind lediglich die künftigen Toilettenräume abgetrennt, ansonsten ist dieser Bereich ein einziger großer, heller Saal, unterbrochen nur von Stützbalken.

Sämtliche Fenster dieses Raums werden noch erneuert, kündigt Jan Wißgott an. "Sie entsprechen in keiner Weise mehr den Sicherheitsanforderungen."

Eine Isolierung gegen Wärmeverlust bekommt der Raum noch von oben her - auf der Decke des Dachgeschosses. Riesig erscheint dieses, wird aber bis auf Installationen wie die Elektroverteilung, Brandschutz- und Einbruchsüberwachung, leer bleiben. Zahlreiche neue Balken verstärken den Dachstuhl. Das Dach des Ortsflügels ist bereits fertig erneuert. Eine Brandwand zum Südflügel muss noch eingezogen werden - alle Beeiche werden künftig so voneinander getrennt, dass im Ernstfall Brände nicht übergreifen können.

Romanische Putzreste werden gerettet

Ein kleines Gerüst steht auch unten im Kreuzgang an der Wand des Ostflügels. Hier sei ein Restaurator dabei, die Reste des romanischen Putzes zu sichern, erläutert Wißgott. Bis zu acht sehr alte Putz- und Farbschichten seien hier festgestellt worden. Hohlräume darunter werden mit Kleber ausgespritzt und der Putz dann leicht angedrückt, damit er sich wieder mit der Wand verbindet

Auf dem Rückweg zum Parkplatz geht es wieder vorbei am künftigen Empfangsgebäude, dem alten Schafstall. Dieses hat mittlerweile nicht nur ein neues Dach, sondern auch der Innenausbau ist weit fortgeschritten. Kaum mehr als die Außenwände waren stehen geblieben. Ein Hingucker innen sind allein schon die sauber miteinander verzahnten Balken, die den großen Dachstuhl abstützen. Im großen Eingangsbereich mit Tresen werden sie sichtbar bleiben. Bereits abgeteilt sind der künftige Vorführraum sowie Toiletten und Aufenthaltsräume. Im hinteren Bereich wird Platz für die Fahrradunterbringung sein.