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Schulungsgrabung im Kloster Jerichow mit ehrenamtlichen Beauftragten der Bodendenkmalpflege Zugeschüttete Latrine erweist sich als Schatzgrube

Von Sigrun Tausche 18.02.2012, 05:22

Seit vergangenem Wochenende läuft im Kloster Jerichow eine Schulungsgrabung mit ehrenamtlichen Beauftragen der Bodendenkmalpflege aus vielen Teilen Sachsen-Anhalts. Dabei wurden schon zahlreiche "Schätze" aus dem 16./16. Jahrhundert zutage befördert.

Jerichow l Im Zuge der Umbauarbeiten rings ums Kloster wurde im vorigen Jahr dort, wo der alte Schweinestall beziehungsweise Maischekeller an den südlichen Giebel des Ostflügels anschließt, eine mittelalterliche Abortanlage entdeckt. Während ringsum gebaut wurde, ist dieser Bereich unangetastet geblieben, um im Zuge einer fachgerechten Grabung zumindest einen Teil dessen, was sich in dieser Grube befindet, zu bergen. Denn die Grube ist mit Bauschutt und Kulturgut aufgefüllt worden - vermutlich, als nach der Säkularisierung im Jahr 1552, als die Mönche das Kloster verließen, erläuterte Dr. Götz Alper, Gebietsreferent des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie.

Für die Archäologen ist die ehemalige Abortanlage damit eine wahre Schatzgrube, das hat sich nun bestätigt. Die Funde stammen offenbar schichtweise aus zwei Zeitabschnitten, sagt Alper: unten aus dem 15./16. Jahrhundert, oben aus dem späten 16. Jahrhundert. Dass manches deutlich älter ist als aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, sei verständlich, mag doch ein Kachelofen zum Beispiel schon hundert Jahre gestanden haben, ehe die Kachelreste hier entsorgt wurden.

Die Lage der Latrinengrube erkläre sich wohl daraus, dass sich im Ostflügel darüber das Dormitorium befand. "Der Ostflügel gehört zu den ältesten Teilen des Klosters", begründet Alper.

Der Archäologe zählt auf, was schon alles gefunden wurde: Neben verschiedenen glasierten Ofenkacheln sind es Scherben von Keramik verschiedenster Art wie Geschirr, Kochtöpfe, Waschschüsseln, aber auch von Spezialkeramik wie Kerzenleuchtern. Als Besonderheit zeigt er einen Teil eines Gefäßes aus wasserdichter, unter besonders hohen Temperaturen gebrannter Keramik, die wahrscheinlich aus dem Rheinland stammt - sogenanntes Siegburger Steinzeug.

Auch Baukeramik ist zu finden, glasierte Ziegel mit Tierpfotenabdrücken oder diversen Verzierungen sowie ganz eindrucksvolle Ziegelteile mit Verzierungen und Inschrift, überaus sorgfältig gearbeitet. Man wisse noch nicht, woher genau diese Ziegel stammen, sagt Alper.

Weiterhin seien jede Menge verschiedenster Glasscherben zu finden, darunter Teile von bunter Bleiverglasung, aber auch von schön verzierten Trinkgläsern. Es gibt Funde aus Eisen wie Messer und Nägel, aber auch anderes Metall: Kleiderschließen, Buchbeschläge, die Schließe einer alten Bibel und verschiedene Münzen.

Und es sind Knochen zu finden, jedoch ausnahmslos tierische, die offenbar von Speiseresten stammen und über Ernährungsgewohnheiten der Mönche Aufschluss geben. "Sie haben demnach wenig Rind- und Schweinefleisch gegessen, dafür viel Geflügel und Fisch."

Interessant für die Altersbestimmung sei die Holzkohle, die in der Grube entdeckt wurde.

Als Schulungsgrabung ausgewiesen sei dieses Objekt, weil es sich hervorragend dazu eigne, vielerlei Dinge rund um archäologische Grabungen zu üben. Ehrenamtliche Beauftragte der Bodendenkmalpflege aus den Kreisen Stendal, Jerichower Land, dem Bördekreis und Magdeburg seien vor Ort, jeweils acht bis 15 pro Tag im Wechsel. "Sie lernen hier zum Beispiel Profile zu zeichnen, damit sie es später bei kleineren Baumaßnahmen auch allein können", erklärt Götz Alper. In den nächsten Schritten wird das Gefundene, soweit möglich, gereinigt, sortiert, getrocknet, einiges auch schon mal zusammengesetzt.

Die Funde werden dann zunächst zum Landesamt für Denkmalpflege gebracht, um sie genau zu registrieren, speziell metallische Funde noch weiter zu reinigen, Altersbestimmungen vorzunehmen und nach Möglichkeit auch einige Gefäße zusammen zu setzen, kündigt der Archäologe an. Danach sollen die Funde möglichst zeitnah zurück nach Jerichow kommen und in die Ausstellung eingegliedert werden.

"Wir haben extra Urlaub genommen, um hier dabei sein zu können", betont Reinhard Kersten aus Beesewege bei Bismark. Er ist jetzt das 4. Jahr "Ehrenamtlicher" und beschäftigt sich ansonsten mit der Pflege der Hünengräber in seiner Heimatregion. Eva Fricke aus Magdeburg ist wie auch ihr Mann schon lange Ehrenamtliche. Das Kloster Jerichow kennt sie auch schon seit langem, ist aber erstmals bei einer Grabung hier dabei und findet es sehr spannend. Aus Jerichow hat sich Karl Eisbein angemeldet, eigentlich kein registrierter Ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger, aber von Berufs wegen doch Fachmann genug, um den Gästen von außerhalb Führungen durch die Klosteranlage anzubieten.