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Umfangreicher Wohnungsbau / Errichtung des Wasserwerks und Umspannwerkes / Kreissparkasse und Ruderclubhaus entstehen Mitte der 1930er Jahre erlebt Genthin einen Bauboom

Von Otto Schulze 08.11.2012, 08:12

In den Jahren 1934 bis 1939 wurden eine Reihe von Wohnungsbaumaßnahmen in Genthin durchgeführt. Damit war die Möglichkeit geschaffen, um die Einwohnerzahl auf 12 000 zu erweitern.

Genthin l Wie kam es gerade zu dieser Zeit zu diesem Bauboom? Es war die Zeit, in der Genthin einen gewaltigen Aufschwung bekam durch die Ansiedlung zuerst vom Henkelwerk und später in noch größerer Dimension vom Silva-Werk im Liesenwald an der Chaussee nach Jerichow. Dazu kam, dass in dieser Zeit Genthin ein Wasserwerk in der Rathenower Heerstraße baute, um so die ganze Stadt mit Trinkwasser zu versorgen. Auch wurde 1934 bis 1935 das Umspannwerk in der Nähe der Försterei Meierei an der Jerichower Chaussee gebaut. Es hatte die Aufgabe, die Silva-Metallwerke kontinuierlich mit Strom zu versorgen. All diese Werke brauchten Arbeiter und deren Unterkünfte.

Man war an guten ausgebildeten Arbeitskräften interessiert, die möglichst lebenslang im selben Betrieb ihrer Arbeit nachgehen und auch hier ihr Geld ausgeben. Auch wurde angestrebt, dass zu jeder Wohnung ein Garten oder ein Kleingarten gehörte. So entstanden Siedlungskomplexe in der Uhlandstraße (Kriegsopfersiedlung), im Heidewinkel (SA-Siedlung), in den Fuchsbergen, am Beerenweg sowie am Sonnenweg.

Henkel ließ die Henkelstraße, heute Rudolf-Breitscheid-Straße, mit besonders schönen Villen für seine Ingenieure bebauen und die Richard-Wagner-Straße mit Häusern für seine Meister. Am Dunkeweg wurde eine Fährstelle über den Kanal angelegt, da die Henkelbrücke noch nicht gebaut war. Henkel ließ aber auch im Akazienweg kleine Häuser errichten und alle hatten Gärten. Diese wurden als Henkelsiedlung bezeichnet. So entstand das große Vierfamilienhaus in der Schillerstraße. In der Rathenower Heerstraße baute die damalige Forstverwaltung drei wunderschöne Fachwerkhäuser für seine Forstarbeiter. Geradeüber in einem Flurstück, das mit Kiefern bewachsen war, wurde eine Wohnsiedlung mit 198 Wohnungen, verteilt auf 37 Häuser, geplant und gebaut. Es entstand eine Wohnsiedlung am Rande der Stadt, in der jede Wohnung nicht nur elektrischen Strom hatte, sondern auch an das Trinkwasser- und Abwassernetz angeschlossen worden ist.

Diesen Komfort hatte der Ortsteil Altenplathow, der dieser Siedlung vorgelagert war, nicht. Es war die Silva-Siedlung. Um seine Arbeiter schneller und sicherer zum Arbeitsplatz zu bekommen, ließ die Leitung des Betriebes Silva von der Altmärkerstraße bis zum Werktor einen breiten, bequemen Radfahrweg anlegen. Das Fahrrad war in dieser Zeit das meistgebrauchte Fahrzeug, das sich jeder leisten konnte. In der Zeit von 1934 bis 1939 wurden gleichzeitig zirka 50 Häuser im individuellen Wohnungsbau errichtet - und das verteilt auf das ganze Stadtgebiet. Das war noch nicht alles. 1938 baute das Johanniter-Krankenhaus auf dem Platz, wo vorher das Knabenrettungshaus stand, in der Karower Straße das damalige Isolierhaus. Die Baufirma dafür war aus unserer Stadt, nämlich die Firma Albrecht und Rißmann. Durch diesen Bau erreichte das Krankenhaus eine Kapazität von 170 Betten.

1935 wird die heutige Kreissparkasse mit dem Gesundheitsamt gebaut und ihrer Bestimmung übergeben. Im gleichen Jahr wird das Ruderclubhaus am heutigen Elbe-Havel-Kanal errichtet und feierlich eingeweiht. 1938 lässt die NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) in der damaligen Hafenstraße, heute Geschwister-Scholl-Straße, einen Kindergarten, direkt am Kanal bauen. Es war der erste Kindergarten unserer Stadt. Seine Leiterin war Clara Fritsche aus Genthin. Zu Zeiten der DDR war es eine Wochenkrippe und nach der Wende für einige Jahre ein Aussiedlerheim. Heute befindet sich dieses Grundstück in Privatbesitz.

Zudem lässt die Firma Kajahn in der damaligen Gasanstaltstraße, heute Straße der Freundschaft, einen Getreidesilo mit Bahnanschluss bauen.

Am 30. Januar 1934 wurde mit dem ersten Spatenstich, vom damaligen Bürgermeister Dr. Netzband ausgeführt, das Wasserversorgungs- und Entsorgungsprojekt für Genthin gestartet. Die Continental-Wasserwerke Berlin bekamen den Zuschlag für den Bau der Wasserleitung und des Wasserwerkes. Von der Handwerkskammer zugelassene Genthiner Installateure fertigten die Hausanschlüsse. Das für das Wasserwerk benötigte Bauland in der Größe von drei Hektar stellte für die Ablösesumme von 33 000 Reichsmark Gutsbesitzer von Pieschel zur Verfügung. Stadtbaumeister Tingelhof leitete den Bau.

Die Firma Gerdum und Breuer aus Kassel baute den 48 Meter hohen Wasserturm für 52 000 Reichsmark. Die künstlerische Außengestaltung erhielt der Genthiner Bildhauer Bernd Schmidt. Er schuf die acht Figuren, von denen vier beim Einmarsch der Roten Armee vom Sockel gestoßen wurden. Dieses Projekt war in allem für unsere kleine Stadt eine riesengroße Leistung. Gerade für alle Bewohner sauberes Trinkwasser und die Frage mit dem Abwasser im Griff zu haben, war eine enorme Verbesserung der Lebensqualität, besonders in hygienischer Sicht. Nun konnten alle Plumpsklos abgeschafft werden und die Wasserpumpen auf den Straßen hatten nur noch historischen Wert.

Das alles war aber nur möglich durch die Ansiedlung der Industrie in unserer Stadt. Auch blühte der Handel und seine Geschäfte in der Innenstadt auf.

Ähnliches gab es ja nochmals zu Zeiten der DDR, wo auch in Genthin viele Plattenbauten (im Rahmen des Wohnungsbauprogrammes der damaligen Regierung) errichtet worden sind.

Auch hier war es die Industrie, die für Arbeitsplätze sorgte und damit auch Wohnraum zur Verfügung stellen musste, nebst allen anderen kommunalen Einrichtungen, wie da waren Schulen, Kinderkrippen und Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten, Gaststätten und nicht zuletzt Ferienlager für die Kinder und Erholungsmöglichkeiten für die Belegschaft.