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Vorläufiger Höhepunkt in der "Text:"-Reihe des Städtebundtheaters zu einem bedeutenden deutschen Künstler Telefonische Grüße von Alexander Kluge an "seine Gemeinde" in Halberstadt

Von Renate Petrahn 20.04.2013, 01:23

Halberstadt l 2013 scheint das Jahr zu werden, in dem Halberstadt so facettenreich wie wahrscheinlich nie zuvor das Schaffen von Alexander Kluge würdigen wird. Den Auftakt machte die Reihe "Text:" des Nordharzer Städtebundtheaters. Während in den drei vorausgegangenen Veranstaltungen "nur" über Kluge debattiert wurde, antwortete Kluge gestern durch Live-Zuschaltung direkt auf die Fragen der Literaturwissenschaftlerin Dr. Ute Pott und von Sebastian Fust, Schauspieldramaturg am Nordharzer Städtebundtheater, sowie von Besuchern. Zuvor hatten die Moderatoren das Publikum auf Autor und Werk eingestimmt.

Passend dazu las Gerold Ströher Kurzgeschichten aus "Chronik der Gefühle", in denen prägende Erinnerungen Kluges an seine Heimatstadt, die "neben Stalingrad der wichtigste Ort der Welt geblieben ist", einen breiten Raum einnahmen: vor allem der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945, den er als 13-Jähriger erlebte. Eine Sprengbombe schlug nur wenige Meter neben ihm ein. Erlebnisse, die erst nach 30 Jahren verarbeitet wurden. Weiter die Erinnerung an den Vater, den Theaterarzt Ernst Kluge, der aus der Oper, Reihe 3, Platz 7 auch durch den Sohn zu Patienten gerufen wurde - daher die Bedeutung der Oper in Kluges Schaffen, die er als "Kraftwerk der Gefühle" bezeichnet, - die ersten Opernaufführungen nach der Zerstörung bei Heine. Und dann pünktlich um 20 Uhr Kluge live.

Überraschend zunächst die jugendliche Stimme des 81-Jährigen, dann beeindruckend seine konzentrierte Sorgsamkeit bei der Beantwortung der Fragen, gepaart mit Nachdenklichkeit und oft einer Prise Humor. Und auch in diesem Telefongespräch war das große Thema Kluges präsent: der Krieg und wie die Menschen sich dagegen wehren können.

Im Gespräch gewinnt der Mensch Kluge an Kontur

Kluge sucht nach Möglichkeiten und findet sie - das Handeln der Menschen und ihr Zusammenleben. Dank der bestens vorbereiteten Moderatoren und der beiden Tontechniker Kay Lautenbach und Stefan Ulrich gewannen die Zuhörer nicht nur vertiefte Einblicke in die Weite und Komplexität des Denkens Kluges, sondern auch der Mensch hinter dem epochemachenden Künstler gewann an Kontur, wenn Kluge beispielsweise auf die Frage, wie er zur Literatur gekommen sei, antwortete: über das Kindermädchen, das ihm abends Geschichten erzählte, da sie, wie alle Halberstädter, begabt für das Erzählen gewesen sei.

Weitere Veranstaltungen im Laufe des Jahres werden sich dem Leben und Werk dieses bedeutenden Mannes widmen. So am 26. Mai die Matinee des Städtebundtheaters in der Martinikirche. Hannelore Hoger liest Texte von Kluge, die auch direkt mit der Martini-Kirche in Zusammenhang stehen. Am Klavier wird sie von Intendanten Johannes Rieger begleitet. Übrigens ist die Theater- und Filmschauspielerin und Theaterregisseurin durch ihre Zusammenarbeit mit Alexander Kluge bekannt geworden.

Ab September wird eine Sonderausstellung zu Alexander Kluge im Gleimhaus zu sehen sein. Die Eröffnung findet am 12. September statt. Gefolgt von einer kommentierten Textcollage zum Gesamtwerk von Alexander Kluge am Nordharzer Städtebundtheater im November. Einbezogen in den Reigen der Veranstaltungen wird auch die "Kluge-Villa", heute Sitz der Kreisvolkshochschule Harz am Standort Halberstadt in der Friedenstraße 53.

Dies alles im Blick, ist der Gedanke, dass der Regisseur, Schriftsteller, Theoretiker und Macher von TV- und Kulturmagazinen im Privatfernsehen 2013 in seine Heimatstadt kommen wird, mehr als realistisch. Schließlich verabschiedete sich Alexander Kluge nach dem Telefoninterview am Donnerstagabend mit herzlichen Grüßen an "seine Gemeinde" in Halberstadt.