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Langensteiner eröffnen saniertes Domizil im Schäferhof und begrüßen Landwirtschaftsminister Großer Bahnhof in Kulturscheune

12.11.2013, 01:13

Großer Bahnhof in Langenstein: Mit einer beeindruckenden Mozart-Gala ist im Beisein von prominenten Gästen, darunter Landwirtschaftsminister Aeikens (CDU), die Fest- und Kulturscheune im Schäferhof Langenstein feierlich eröffnet worden. In die Freude mischte sich auch Unmut, weil die Stadtverwaltung durch Abwesenheit glänzte.

Von Renate Petrahn

und Dennis Lotzmann

Halberstadt/Langenstein l Die Musiker des Nordharzer Städtebundtheaters haben offenbar hellseherische Fähigkeiten. Als sie im Sommer ihr traditionelles Konzert im Langensteiner Schlosspark witterungsbedingt absagen mussten und versprachen, es zur Eröffnung der Kultur- und Festscheune nachzuholen, müssen sie geahnt haben, dass hier etwas ganz Großes entsteht. Am Sonntag war es soweit: Nach monatelangen Sanierungsarbeiten weihten die Mitglieder des Merinovereins ihr neues Schmuckstück offiziell ein.

"Ohne den Leader-Zuschuss hätten wir das nie stemmen können."

Holger Werkmeister, Vize-Chef des Merino-Vereins

DieOrchestermusiker des Nordharzer Städtebundtheaters unter der Leitung von Johannes Rieger sorgten - wie im Sommer versprochen - für einen der Höhepunkte bei der feierlichen Veranstaltung. Sie brachten in ihrer Gala überwiegend wenig bekannte und eher selten gespielte Stücke von Wolfgang Amadeus Mozart zu Gehör. Musikdirektor Johannes Rieger nutzte den Abend, um gewohnt geistvoll den musikalischen Lebenslauf des genialen Musikers nachzuvollziehen. Als Solistin war die Mezzosopranistin Regina Pätzer zu erleben. Auch sie begeisterte das Publikum in dem mit mehr als 300 Gästen vollbesetzten Festsaal.

Viele Gäste, unter ihnen Hermann Onko Aeikens (CDU), Landesminister für Landwirtschaft und Umwelt, Landrat Martin Skiebe (parteilos), der Europa-Abgeordnete Horst Schnellhardt und Landtagsmitglied Bernhard Daldrup (beide CDU) sowie Sparkassenchef Werner Reinhardt genossen den Moment der Einwohnung. Auch Ulrich Marwahn vom Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten Mitte (ALFF) sowie viele Sponsoren waren der Einladung gefolgt, um das Ereignis gemeinsam mit den Langensteinern zu feiern. Freude und Stolz, vor allem aber Anerkennung über das Erreichte, war Tenor in den drei Reden des Abends.

Holger Werkmeister, Vize-Vorsitzender des Fördervereins Merino/Kultur- und Festscheune Schäferhof, skizzierte in seiner Rede mit Zahlen und Fakten die Dimensionen des Umbaus des ehemaligen Schafstalls in die Festscheune: 100 Kubikmeter Beton wurden verbaut, rund 12 000 Schrauben und 12 500 Mauerziegel verarbeitet, 60 Kubikmeter Holz angefasst und insgesamt gut vier Kilometer Kabel verlegt. Hinzu kamen rund 22 500 Dachziegel und 250 Meter Kanalrohr. "Am Ende waren auch 55 Kubikmeter Sandstein nötig, um das denkmalgeschützte Gebäude den neuen Erfordernissen anzupassen", rief Werkmeister als Bauleiter den Zuhörern in der nahezu vollbesetzten Scheune ins Gedächtnis zurück.

Diese Zahlen sind die berühmte eine Seite der Medaille. Die andere sind die finanziellen Rahmenbedingungen. Und dabei bewegten die Merino-Vereinsmitglieder Hand in Hand mit vielen anderen Langensteiner bislang weit mehr als 300 000 Euro. "Ich denke, rund 320 000 Euro netto dürften es bislang sein", sagte Werkmeister gegenüber der Volksstimme und erinnerte noch einmal an die bedeutende Rolle des ALFF: "Ohne den Leader-Zuschuss hätten wir das nie stemmen können." Alles in allem seien hier rund 195 000 Euro an Fördergeld geflossen.

"Es war absoluter Wahnsinn, wie alle im Ort mitgezogen haben."

Frauke Meenken, Vorsitzende des Merino-Vereins

Dabei stand das ambitionierte Projekt zunächst unter keinem besonders guten Stern. Die Merino-Vereinsmitglieder, die seit vielen Jahren die Sanierung der Scheune geplant hatten, waren auf der Leader-Prioritätenliste anfangs ziemlich weit nach hinten gerutscht. Vermutlich, weil niemand im Vergabegremium damit rechnete, dass die Vereinsmitglieder den vergleichsweise üppigen Eigenanteil zur Co-Finanzierung des beantragten Förderbetrages aufbringen können.

Doch den Merino-Leuten gelang das Kunststück, den Eigenanteil mithilfe von vielen Sponsoren zusammenzutragen und so doch noch den Zuschlag bei der Fördermittelvergabe zu bekommen. Obendrein steckten viele Helfer aus Langensteiner Vereinen und aus der Einwohnerschaft das berühmte Muskelgold in das Projekt.

"Es war absoluter Wahnsinn, wie alle im Ort mitgezogen haben", so Vereinschefin Frauke Meenken. "Neben vielen von unseren knapp 50 Vereinsmitgliedern packten auch 40 bis 50 Helfer aus dem Ort mit an." Obendrein hätten viele Handwerker und Firmen mitgearbeitet und ihre Leistungen dem Verein gespendet. "Schreiner, Maurer und Pflasterer waren dabei nur einige Gewerke", sagte die Vereinschefin, für die das Projekt ein Musterbeispiel für dörfliche Zusammenarbeit und Zusammenhalt ist.

Holger Werkmeister bereitete es in seiner Rede sichtlich großes Vergnügen, aus einem Gespräch mit Orchesterleiter und Theater-Intendant Johannes Rieger und Chefdisponent Volker Reichenbecher zu plaudern. Dabei sei es im Mai um die witterungsbedingte Verlegung des Sommer-Klassik-Open-Air-Konzertes auf November und in die Festscheune gegangen. Was im Mai geradezu visionär anmutete, sei dank des Engagements vieler Helfer Wirklichkeit geworden.

Vereinschefin Frauke Meenken erinnerte daran, dass Visionen ohne Visionäre nicht möglich seien. "Unsere Visionäre heißen Cordula von Rhade und Holger Werkmeister."

Höchstes Lob kam auch von der Landesregierung: Orte wie Langenstein zeigten, wie lebens- und liebenswert der ländliche Raum sei, unterstrich Landwirtschafts- und Umweltminister Hermann Onko Aeikens. "Wir brauchen mehr Langensteins", unterstrich der CDU-Politiker in seiner launigen, mit Bonmots gewürzten, Rede.

"Wir brauchen mehr Langensteins."

Hermann Onko Aeikens, Umwelt- und Landwirtschaftsminister

Ein Buffet rundete den gelungenen Abend für Leib und Seele ab. Schon dort gab es hinter vorgehaltener Hand auch Kritik an der Stadtverwaltung, die trotz Einladung keinen prominenten Vertreter entsandt habe.

Kritik, die der Langensteiner Klaus Aedtner am Montag am Volksstimme-Lesertelefon glasklar formulierte: "Das ist wirklich ein Unding, dass niemand gekommen ist. Da waren 300 Gäste, ein Landesminister und viele Prominente vor Ort. Ich finde, es ist politisch unklug und auch eine Missachtung der Arbeit des Vereins, dass niemand von der Stadt gekommen ist und es auch kein Grußwort gab."

Stadtsprecherin Ute Huch versuchte am Montag, diese Kritik zu relativieren. Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) sei am Wochenende nicht in Halberstadt gewesen. "Herr Henke hatte dies dem Merino-Vereinsvorstand vorab mitgeteilt. Außerdem war er in der vorigen Woche in Langenstein und hat diesen Besuch genutzt, um das Engagement der Vereinsmitglieder persönlich zu würdigen. Und ein Grußwort war vorab auch nicht angefragt."

Obendrein, so Ute Huch, sei sie am Sonntag in Langenstein gewesen und habe dem Merino-Vorstand noch einmal die Grüße von Oberbürgermeister Henke übermittelt.