1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Mit Lehmwickel schließen Handwerker Wunden des Verfalls

Sanierung des Fachwerkhauses Hühnerbrücke 4 soll im Januar 2015 beendet sein Mit Lehmwickel schließen Handwerker Wunden des Verfalls

Von Jörg Endries 17.12.2013, 02:08

Das älteste Schulgebäude Halberstadt, das nach 20 Jahren Leerstand im Bestand gefährdet war, wird saniert. Das über 300 Jahre alte Fachwerkhaus wird aufwendig, behutsam und mit alten Handwerkstechniken herausgeputzt. Die Hühnerbrücke 4 soll im Januar 2015 bezugsfertig sein

Halberstadt l Holzwurm, Schwamm und Co. sind erfolgreich vertrieben. Die Hühnerbrücke4 in der Altstadt Halberstadts ist ein Leuchtturm der Fachwerkhaus-Sanierung. Nicht nur wegen ihrer vornehmen sandsteinfarbenen Fachwerkfassade, in der sie seit Mai erstrahlt. Die Rettung des ältesten Schulgebäudes Halberstadts aus dem Jahr 1697 ist ein Vorzeige-Projekt.

"Wir verwenden dabei nicht nur ökologisches Material, sondern setzen traditionelle Handwerkstechniken ein", betont Claudia Hennrich, Geschäftsführerin des Deutschen Fachwerkzentrums Quedlinburg (DFWZ). Damit ist die Sanierung beispielhaft für andere Vorhaben. Das DFWZ begleitet das Projekt federführend wissenschaftlich.

"In den vergangenen drei Monaten haben wir über eine Tonne Lehm im Haus verarbeitet."

Klaus-Dieter Mehlhorn vom Deutschen Fachwerkzentrum Quedlinburg

Trotz leichten Frostwetters ruhen die Arbeiten an der Hühnerbrücke4 derzeit nicht. Hinter der aufwendig instandgesetzten Fassade wird fleißig gearbeitet. "Wir kämpfen erfolgreich gegen den Winter an", betont Claudia Hennrich.

Jugendliche, die im Fachwerkzentrum ein freiwilliges Jahr oder eine Ausbildung absolvieren, haben in den zurückliegenden Wochen im Inneren des unter Denkmalschutz stehenden Hauses Wände geputzt und Dämmung angebracht.

Nach traditioneller Handwerkstechnik arbeitet Hannes Fricke - er stellt bei gerade einmal fünf Grad Lehmwickel her. Stroh wird mit Lehm vermischt und um eine Holzlatte gewickelt. "Bis zu 15Lehmwickel entstehen so pro Tag", berichtet der 17-Jährige. Zehn Stück werden davon für den laufenden Meter benötigt - für einen Raum im Schnitt250.

Die neuen Lehmwickel ersetzen an den Decken des alten Hauses die marode Bausubstanz - anschließend werden sie verputzt, auch die mächtigen Holzbalken, die die Decken des alten Gebäudes tragen. "Vorher verkleide ich sie noch mit Stroh, so hält der Putz besser", weiß Robert Mendritzki, der seit September in der Hühnerbrücke4 arbeitet.

"In den vergangenen drei Monaten haben wir über eine Tonne Lehm im Haus verarbeitet", informiert Fachmann Klaus-Dieter Mehlhorn, der sein Wissen über alte Handwerkstechniken im Bereich Maurer seit zwölf Jahren im Deutschen Fachwerkzentrum Quedlinburg an Jugendliche weitergibt. Ökologisch ist auch das Dammmaterial für die Innenwände. Die Platten bestehen aus einem Lehm-Kork-Holzspäne-Gemisch, sagt Robert Mendritzki.

"Erfreulich ist, dass wir sowohl im Zeit- als auch im Finanzplan sehr gut liegen."

Claudia Hennrich, Geschäftsführerin des Deutschen Fachwerkzentrums Quedlinburg

In der Holzwerkstatt des Fachwerkzentrums Quedlinburg, in der vier Lehrlinge arbeiten, sind elf Original-Fenster des ehemaligen Schulgebäudes aufgearbeitet worden - vorwiegend aus dem 19.Jahrhundert sowie zwei barocke, berichtet Claudia Hennrich. Außerdem sind acht barocke Nachbauten entstanden. Derzeit befinden sich in der Werkstatt die alten Türen in der Restaurierung. "Im kommenden Jahr folgt das Treppenhaus", kündigt die Geschäftsführerin an.

Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke), der die Baustelle am Freitag besichtigt hat, ist beeindruckt vom Fortgang der Arbeiten. "Das Haus bekommt Struktur. Ich freue mich darüber."

"Erfreulich ist auch, dass wir sowohl im Zeit- als auch im Finanzplan sehr gut liegen", betont Claudia Hennrich. Von den 1,2Millionen Euro Investitionskosten habe man etwa 400 000Euro ausgegeben. Das Geld floss unter anderem in ein Heißluftverfahren, mit dem der Schwamm, Holzwürmer und andere Schädlinge, die die wertvolle Bausubstanz befallen hatten, der Garaus gemacht wurde. Danach konnten der komplette Innenausbau des Hauses beginnen, die Gefache ausgemauert und Feuchtigkeitssperren unter die Schwellhölzer gelegt sowie die Fassade instand gesetzt werden.

Die modellhafte Sanierung, die zu 92,5Prozent vom Land Sachsen-Anhalt, dem Bund, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und anderen Geldgebern gefördert wird (7,5Prozent Stadt), hat das Fachwerkhaus vor dem Abriss gerettet. Mit der Fertigstellung der Hühnerbrücke 4, in der drei Wohnungen entstehen sollen, rechnet Claudia Hennrich im Januar 2015.