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Debatte um Wintertourismus Kein Schnee auf Wurmberg-Pisten

Der Winter zeigt sich - aus Sicht der Schneefreunde - von seiner
schlechtesten Seite: es ist zu warm, es gibt keinen Schnee. Was hat das
für Folgen auf die Wernigeröder Tourismuspläne am Schierker Winterberg?

20.01.2014, 11:24

Wernigerode l "Noch geben wir den Winter nicht auf", zeigt sich Carola Schmidt zuversichtlich. Die Chefin des Harzer Tourismusverbandes sieht ohnehin ihre Ferienregion als Ganzjahresangebot, sagt sie der Volksstimme. Kultur- und Städtetourismus-Reisende würden in diesen Tagen den Schnee eher nicht vermissen, die Wintersportler ganz gewiss schon.

Die Tourismusexpertin begrüßt dennoch die Wernige­röder Pläne am Schierker Winterberg: "Dort sind Ganzjahresangebote vorgesehen, das ist genau das, was wir hier in unserer Region brauchen." Schmidt stört, dass die Klimadebatte allein auf den Schneemangel und den Temperaturanstieg reduziert werde, weil dabei Fragen beispielsweise nach der Zunahme von Stürmen ausgeblendet blieben. Allerdings weiß die Harzer Tourismuschefin auch, für viele Gäste gehörten Schnee und Harz im Winter zusammen: "Darum hoffen wir sehr, dass spätestens mit dem Beginn der Winterferien der Schnee fällt."

Zeitverschiebung, künftig weiße Ostern

Friedhart Knolle hingegen fühlt sich in seinen Warnungen bestätigt. Leider, wie der promovierte Geologe und Vize-Chef des Goslarer BUND-Kreisverbandes bekräftigt. Für ihn ist "ganz klar, der Winter 2013/2014 liegt im Klima­trend". Der Blick auf die Brocken-Temperaturkurve zeige deutlich, "hier verändert sich etwas, es wird wärmer". Angesichts solcher Fakten im Harz in Beschneiungsanlagen für Wintersportprojekte zu investieren, hält Knolle für fatal, für einen doppelten Fehler: ökologisch und ebenso ökonomisch.

Knolle verweist auf eine aktuelle Studie der Münchner Universität, die den Zusammenhang von Klimawandel und Wintersport in bayerischen Skigebieten untersucht hat. Die Berechnungen von Professor Jürgen Schmude lassen diesen zum Schluss kommen: "Die meisten deutschen Skigebiete liegen langfristig nicht hoch genug. Wenn wir unsere Modellierungen betrachten, werden wir bis 2050 voraussichtlich noch ein bis zwei deutsche Skigebiete haben." Zudem müsse sich der Tourismus auf eine Zeitverschiebung einstellen: Schneefreie Weihnachten und weiße Ostern - das sei zugleich eine neue Herausforderung für das Marketing der Skiregionen.

"Umweltschutz inklusive des Klimawandels ist seit langem ein wichtiges Thema im Deutschen Skiverband", betont Rüdiger Ganske. Der Wernige­röder engagiert sich seit Jahren als Präsident des Skiverbandes in Sachsen-Anhalt, und bekennt offen: "Natürlich macht uns als Wintersportler die aktuelle Wettersituation zu schaffen. Doch, immer mal wieder, auch als Kinder, haben wir solche Frühlinge im Winter erlebt."

Ganske verweist auf Prof.Ralf Roth, Chef des Instituts für Natursport und Ökologie der Deutschen Sporthochschule und Chef des Umweltbeirats im Deutschen Skiverband, der sich für "eine sinnvolle Anpassung des Wintersports an den Klimawandel" ausspricht.

Voreiliger Gehorsam in der Klimadebatte

Roth rät, offen über kurz- und mittelfristige Investitionen zu diskutieren. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft sieht er mindestens für das kommende Jahrzehnt "keine belastbaren Aussagen zur Veränderung der Schneesicherheit in den deutschen Alpen und den höhergelegenen Mittelgebirgen". Für die meisten dieser Skigebiete gelte, mit sinnvollen Anpassungen können in den nächsten Jahren die Folgen des Klimawandels abgemildert oder gar kompensiert werden. Dennoch blieben Investitionen in den Schneesport eine Risikoinvestition, warnt Roth. Der Wissenschaftler: "Schneesport wird jedoch weiter eine bedeutende Wert­schöpfungssrolle spielen".

Ein Abschied noch geeigneter Standorte aus dem Wintersport "im voreiligen Gehorsam der Klimawandel-Debatte" ist nach Roths Einschätzung wenig sinnvoll. Stattdessen sei eine zunehmende Risikostreuung über ganzjährige Tourismusangebote angesagt.

Genau das, so erklärt Rüdiger Ganske, sei in Schierke vorgesehen. "Die Anpassung an diese nicht voraussehbaren Winter-Situationen ist das Zauberwort: Das bedeutet für den Wintertourismus Beschneiung dort, wo es sinnvoll und möglich ist, inklusive kreativer Ganzjahresangebote." Die Projektentwickler des Salzburger "input"-Büros haben für den Winterberg Ideen für "365Tage Sport, Bewegung, Spaß, Erholung am Berg" im Einklang mit dem Nationalpark präsentiert. Geschäftsführer Helmut Müller hat die Latte für seinen Erfolg hoch gelegt: "Unser Projekt muss sich rechnen, auch ohne Schnee. Ob wir die Saison dann mit einem Butteraufstrich oder Kaviar beenden, das liegt am Schnee, aber satt werden wir auf alle Fälle."

Butter oder Kaviar, das liegt am Schnee

"Wir stehen mehrheitlich zu den Schierke-Plänen", bekräftigt CDU-Fraktionschef Karl-Heinz Mänz. Auch zum Winterberg, wenn es für diesen "attraktive Angebote für das gesamte touristische Jahr gibt", sagt Mänz. Er persönlich hat nur ein Problem: "Ist es sinnvoll, den Berg zu beschneien?" Das müsse ganz genau geprüft werden, fordert der CDU-Mann. "Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit", so Linke-Fraktionsvize Christian Härtel, "werden von uns bei jedem Schierker Einzelprojekt kritisch hinterfragt".

Den Klimawandel müsse man bei den Investitionen im Ganzjahreserlebnisgebiet am Winterberg "immer auf der Rechnung haben", findet Härtel. "Es ist doch ausgesprochen prima, dass unser Winterberg-Projekt eben nicht ausschließlich auf den Wintersport setzt", schätzt SPD/Grüne-Fraktionschef Reiner Schulze ein. 90Prozent der geplanten Angebote werden ganzjährig zu nutzen sein, "dass vielleicht mal der Winter nicht ganz so wie erhofft funktioniert, ist dabei also einkalkuliert". Schierke benötige dringend diese touristische Investition, und das tue auch dem Harz gut, sagt Schulze.

Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) steht ebenso weiter zum Schierke Projekt. "Weil es im Harz im Jahr 2100 deutlich wärmer sein wird, müssen wir doch nicht schon heute auf sinnvolle Tourismusprojekte auch im Wintersport verzichten." Mithin: 90Prozent des Klimagases CO stamme aus der Anreise der Skitouristen in die weitentfernten Alpen. Mit Braunlage und Schierke gibt es ein Angebot mitten in Deutschland, das sei zusätzlich attraktiv für Tagesgäste und Kurzurlauber, und habe somit auch positive Folgen für die Wirtschaftlichkeit der Investitionen, sagt Gaffert.

Übrigens, auch die Quedlinburger haben den aktuellen Winter noch nicht abgeschrieben. Die Stadtverwaltung bietet ganz aktuell eine Winterfreizeit für Jugendliche in Schierke an - mit "Abenteuer und Spaß im Schnee".