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Harzer Kreisverwaltung forciert Bemühungen um barrierefreie Bushaltestellen Das Maß aller Dinge sind fünf Zentimeter

Von Ingmar Mehlhose 28.01.2014, 02:17

Immer mehr Bushaltestellen sollen barrierefrei werden. Dieses Ziel hat sich die Kreisverwaltung gestellt und richtet danach ihre Förderung aus.

Halberstadt l "Barrierefreiheit kommt einem schnell über die Lippen", sagt Silvia Illas. Die Behindertenbeauftragte der Kreisverwaltung Harz weiß, dass die Realität oft anders aussieht. Dabei ist allein zwischen Abbenrode und Falkenstein jeder 13. Einwohner betroffen. Rund 17 550 Menschen leben hier mit einem Handycap. Davon sind 8990 gehbehindert und unter diesen 1167 außergewöhnlich schwer. Das ist der Stand vom 31. Dezember 2012. Geändert haben dürfte sich an diesen Zahlen aber nur wenig.

Die Kreisverwaltung sieht sich da bereits seit längerem in der Pflicht. Silvia Illas: "Es geht nicht nur um Rampen." Sondern speziell auch um den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dafür liegt die Verantwortung im Halberstädter Landratsamt.

"Das ist eine Mammutaufgabe, der wir uns stellen wollen und müssen", konstatiert Michael Wendt. Er ist Teamleiter im Geschäftsbereich Wirtschaftsförderung und stellt die neue Richtlinie zur Förderung von Investitionen im ÖPNV vor. Ziel ist es, speziell Bushaltestellen barrierefrei herzurichten. Deren Zahl geht in die Tausende, schätzt Wendt. Den Anforderungen entsprechen derzeit etwa fünf Prozent.

Bordhöhen, Markierungen für Sehbehinderte, Witterungsschutz, Warteflächen Info-Systeme für Fahrgäste, sogar Fahrradständer und anderes mehr spielen dabei eine Rolle.

Michael Wendt zeigt Fotos von Fallen, die auf Behinderte lauern. Fußwege aus Rasensteinen etwa - "sicher gut gemeint, aber mit einem Rollator nicht begehbar". Oder Busbuchten. Die sind laut Wirtschaftsförderer ohnehin " ein Auslaufmodell". Dort werden dreimal so viele Unfälle registriert, wie bei Haltepunkten direkt an Fahrbahnrändern.

Wendt und seine Kollegin Renate Schulz bereiten derzeit ein Musterblatt vor. Es soll demnächst an die Kommunen verschickt werden. Die verstärkten Bemühungen um mehr Barrierefreiheit sind allerdings kein gerade erst entdecktes Betätigungsfeld. Der erste Entwurf des Papiers stammt von 2008. Zudem gab es im März 2013 ein erstes Haltestellen-Seminar mit Prof. Dr. Manfred Gerlach, dem ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet. Michael Wendt: "Und dann gibt es da noch den Faktor Mensch. Es werden Schulungen bei den Fahrern nötig sein."

Maximal fünf Zentimeter sollte der Abstand zwischen Buseinstieg und Wartefläche betragen. Dieses "Maß aller Dinge" zu erreichen, ist nach Ansicht der Experten in vielen Fällen technisch möglich. Allerdings muss es zugleich wirtschaftlich sein.

"Es besteht kein Rechtsanspruch auf Förderung der ÖPNV-Infrastruktur", schränkt Renate Schulz ein. Sie bearbeitet die Vorgänge. Nicht finanziell bedacht werden können im Übrigen Verkehrsunternehmen. Dort greifen andere Ins-trumentarien.

Jetzt im Januar werden die Kommunen aufgefordert, ihre Anträge spätestens zum 31. März einzureichen. Diese werden gesammelt und gemeinsam mit Silvia Illas und dem ÖPNV-Beirat gesichtet. Daraus entsteht eine Prioritätenliste. Renate Schulz: "Bis Ende Juni. Dann wissen wir auch, wieviel Geld als Zuweisung vom Land im Topf ist." Jährlich stehen aus Magdeburg zwischen 30 000 und 60 000 Euro zur Verfügung. Im Schnitt liegt die Förderung bei 75 Prozent. Ab Juli können die Zuwendungsbescheide verschickt werden.

2013 sind in der Kreisverwaltung nach Angaben der Sachbearbeiterin acht Anträge eingegangen. Vier davon konnten finanziell bedacht werden. Wobei der Osterberg in Neinstedt aus drei Einzelvorhaben bestanden hat.

"Barrierefreiheit wird auch in einer neuen Aktion der Schwerpunkt sein", kündigt Silvia Illas derweil an. Zusammen mit dem Internationalen Bund ist ein Schülerwettbewerb zu diesem Thema ausgelobt worden. Einsendeschluss ist der 19. Juli 2014. Eine Jury wird die besten Beiträge prämieren. Für September ist dann die Gründung eines Bündnisses "Harzkreis inklusiv" vorgesehen. Silvia Illas: "Es gibt viele Denkansätze, aber auch jede Menge Beratungsbedarf."