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Skurrile Fälle aus dem Berufsalltag der Verbraucherberaterin Heidi Günther Verwunderung über eine echte "Rolex"

03.05.2014, 01:23

Vor "Neppern, Schleppern und Bauernfängern" wird gewarnt, sind Betrüger am Werk. Die Halberstädter Verbraucherberaterin Heidi Günther kann aus ihrem Berufsalltag etliche Beispiele dafür aufzählen. Und die Opfer sind keinesfalls allein gutgläubige Senioren.

Von Tom Koch

Halberstadt l Jugendliche schwatzen Gleichaltrigen Handy-Verträge auf. Der betuchte Rechtsanwalt fällt auf einen dubiosen Geldanlage-Tipp herein, und der Chefarzt erleidet finanziellen Schiffbruch beim Kauf einer Eigentumswohnung. Heidi Günther hat das alles in ihrem Berufsalltag erlebt und noch jede Menge mehr. 23Jahre war die Halberstädterin als Verbraucherberaterin tätig, nun ist sie Rentnerin.

Während der offiziellen Verabschiedung erklärte sie: "Es sind keinesfalls allein die gutgläubigen Rentner, die auf die vielen Betrugsmaschen hereinfallen." Sie habe Klienten im Alter von elf bis 90Jahre betreut, die Betrogenen seien in allen sozialen Schichten zuhause, ein Fall habe ihr sogar ein hoher kirchlicher Würdenträger beschert - konkreter möchte Günther nicht werden.

In den 1990er-Jahren galten zunächst die häufigsten Beschwerden Möbel- und Schuhkäufen, darauf folgten Reklamationen wegen Handwerkerpfuschs. Dass die Beraterin der Verbraucherzentrale den Chef der Halberstädter Handwerker-Innung der Dachdecker gut kannte, war von Vorteil: "Gemeinsam haben wir den Schwarzen Schafen das Handwerk gelegt." Gleiches gilt für den großen Ärger mit Gebrauchtwagen, an denen beispielsweise der Kilometerstand frisiert worden war. Günther: "Auch dabei war es hilfreich, dass ich zum Innungschef Otto Ernst gut Kontakte hatte."

Besonders ist ihr jener Fall in Erinnerung geblieben, als eine Spätaussiedlerin bei einem Landsmann einen Kreditvertrag geschlossen hatte. Als Tilgung und Zins gezahlt waren, kam heraus, dass der Frau auch sieben Handyverträge untergejubelt worden waren, davon fünf allein bei einem Anbieter. Es ist dem Engagement Heidi Günthers zu verdanken, dass diese dubiosen Verträge storniert wurden.

"Würde die ganze kriminelle Energie, die die Betrüger für immer neue Abzocken aufwenden, für Sinnvolles verwendet, es gäbe auf der Welt viel weniger Probleme", ist Heidi Günther überzeugt. Ihre Klienten seien nicht ausnahmslos Halberstädter gewesen, zu je einem Drittel auch Menschen, die in den früheren Kreisen Quedlinburg und Wernigerode zuhause sind, teilweise sogar aus dem nahen Niedersachsen, beispielsweise aus Wolfenbüttel. Sie bedauert, dass die Wernigeröder Stadtverwaltung ihre finanzielle Unterstützung für die dortigen Beratungstage der Verbraucherzentrale gestrichen habe. Ihre berufliche Praxis habe gezeigt, der Bedarf ist nach wie vor vorhanden.

Auch, weil inzwischen neue Betrügereien zu beobachten sind: Hier werde ein Gutscheinheft samt kostenlosem Lotterielos verteilt. Wer bestätigt, das erhalten zu haben, unterschreibt unwissentlich die Bestellung eines Zeitschriftenabos. Da gibt es eine Umfrage, und auch in diesem Fall soll das Opfer eine Unterschrift leisten - ein Stromliefer- oder Handyvertrag, oft auch eine Zeitschriftbestellung sind die ungewollte Folge. Die Expertin warnt: "Immer, wenn etwas zu verlockend klingt, sollte man besonders aufmerksam sein." Vor allem in Fußgängerzonen, Einkaufszentren oder am Telefon, dort würden die meisten Betrüger agieren.

Der Widerruf bei solchen Vertragsabschlüssen, auch bei einem Teppichkauf auf "Butterfahrten" werde in sechs Wochen leichter, kündigte Prof. Armin Willingmann eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Sinne des besseren Verbraucherschutzes an. Der Jurist ist Vize-Vorstandschef der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalts und in dieser Funktion dankte er Heidi Günther "für ihre langjährige qualitativ hochwertige Beratung".

Von einem weiteren skurrilen Fall konnte sie zum Berufsausstand berichten. In der Türkei hatte ein Rentner für 22000D-Mark eine "Rolex" gekauft - eine Edeluhr als Altersvorsorge. Daheim plagte ihn die Sorge, ob die Uhr gefälscht sei. Die Überprüfung des Uhrmacher zeigte: Sie ist echt. Die Überprüfung Heidi Günthers ergab, der Rentner hatte zusätzlich zum Uhrenkauf Verträge über eine Lebensversicherung und einen Kredit abgeschlossen.

weitere Infos zum Verbraucherschutz: Beratungsstelle Halberstadt, Telefon (03941) 442576; im Internet: www.vzsa.de