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Kreistag verordnet sich Stasi-CheckKlare Mehrheit für Vorstoß der CDU-Fraktion / Linke gegen die freiwillige Überprüfung

Die Mitglieder des neugewählten Kreistages sollen auf eine hauptamtliche
oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der
ehemaligen DDR überprüft werden. Dies hat sich das Gremium in seiner
jüngsten Sitzung mehrheitlich per Beschluss verordnet.

Von Dennis Lotzmann 12.09.2014, 03:15

Halberstadt l Mit dem Votum, das mit der Mehrheit der Kreistagsmitglieder der Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Grüne sowie der Bürgerfraktion/FDP zustande gekommen ist, sollen formell "alle Mitglieder" des 60-köpfigen Kreistages hinsichtlich ihrer Vergangenheit überprüft werden. Es geht dabei um die Frage, ob die gewählten Volksvertreter als hauptamtlich beschäftigte oder sogenannte inoffizielle Mitarbeiter (IM) für das frühere Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR gearbeitet haben. Überprüft werden sollen alle Abgeordneten, die zum Stichtag des Mauerfalls am 9. November 1989 bereits das 18. Lebensjahr vollendet hatten.

Die Initiative zur Überprüfung geht von der CDU-Fraktion aus. Fraktionschef Thomas Balcerowski warb im Kreistag dafür, dass sich das Gremium für diese Überprüfung interessieren und sich ihr alle Mandatsträger stellen sollten. "Spitzel", so Balcerowski in der Sitzung am Mittwoch unmissverständlich, "sollten sich nicht in diesem Kreistag befinden".

Wolfgang Döcke von der Bürgerfraktion/FDP erinnerte vor der Abstimmung jedoch daran, dass ein solcher Check grundsätzlich auf freiwilliger Basis erfolge: "Vor einer solchen Überprüfung muss die Einwilligung der jeweiligen Kreistagsmitglieder vorliegen." Das eigentliche Prüfverfahren liege in der Regie der Kreisverwaltung, diese müsse von den gewählten Volksvertretern die Einwilligung abfordern und darauf basierend die Anfrage an die Stasi-Unterlagenbehörde stellen, präzisierte Thomas Balcerowski.

"Die Bürger sollten schon wissen, wer wie mit dem System verbunden war und womöglich seine Nachbarn bespitzelt hat", ergänzte der CDU-Fraktionschef am Donnerstag gegenüber der Volksstimme. "Manche Dinge konnte man als DDR-Bürger nicht vermeiden - die Mitarbeit bei der Stasi aber durchaus. Deshalb ist die Mitwirkung in diesem Verein für mich auch eine Charakterfrage", betonte Balcerowski.

Zugleich erinnerte der Christdemokrat an die heftigen Debatten rund um das Thema im letzten Kreistag des Altkreises Quedlinburg. Nicht zuletzt deshalb sehe er die Notwendigkeit einer solchen Überprüfung nach wie vor als bewiesen an.

Im letzten Quedlinburger Kreistag hatte es eine solche Stasi-Überprüfung gegeben. Im Ergebnis waren bei vier Abgeordneten Verstrickungen mit dem DDR-Geheimdienst publik geworden. Die Mitglieder einer Ehrenkommission des Kreistages, zu der Vertreter aller Fraktionen gehörten, prüfte daraufhin die Unterlagen zu diesen vier Mandatsträgern.

Ergebnis: Bei drei Betroffenen, die bei der Armee angeworben und dabei teilweise erpresst worden waren und die Kontakte später schnell wieder abbrachen, wurde die Schuld als nicht gravierend eingestuft. Anders bei einem damals 72-jährigen Quedlinburger. Der hatte laut Ehrenkommission als IM "Turbine" rund 30 Jahre lang gespitzelt und dabei Personen im persönlichen und auch im beruflichen Umfeld massiv geschadet.

Pikant dabei: Jener Quedlinburger Linkspolitiker kandidierte 2007 für den ersten Kreistag Harz und hätte aufgrund seines Alter gute Chancen gehabt, als Alterspräsident die Legislaturperiode zu eröffnen. Dies verhinderten jedoch die Wähler.

Dass nun die Links-Fraktion im zweiten Harzer Kreistag weitgehend geschlossen gegen die Überprüfung votierte, ist für Balcerowski bezeichnend. "Es sind die Enkel der SED. Wenn bei ihnen wirklich ein Umdenken stattgefunden hat, sollten sie sich auch prüfen lassen. So aber machen sie sich ganz automatisch verdächtig", schlussfolgert der CDU-Fraktionschef.

Zugleich warnte Balcerowski, der altersbedingt selbst nicht ins Prüfraster fällt, vor Vorverurteilungen. "Wenn im Zuge der Überprüfungen Verstrickungen bekannt werden, müssen wir die Fakten und die persönliche Schuld im Detail ganz genau prüfen."