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  7. Null Promille: Was Fahrschüler beteuern, ist nicht die Realität

Akteuere ziehen nach dreijähriger Projektarbeit kritische Bilanz und wollen Arbeit fortsetzen Null Promille: Was Fahrschüler beteuern, ist nicht die Realität

Von Regina Urbat 20.11.2014, 02:08

"Null Promille" ist ein Projekt, mit dem auf die Folgen von Fahrten unter Alkohol und Drogen aufmerksam gemacht wird. Nach dreijähriger Laufzeit in Fahrschulen des Harzkreises sind die Initiatoren von der Wichtigkeit ihres Engagements überzeugt. Vorausgesetzt, sie finden genügend Sponsoren, wollen sie ihre Arbeit fortsetzen.

Wernigerode/Halberstadt l Jugendliche trauern um einen Freund. Sie weinen am Grab, sind betroffen und nachdenklich. Ihr bei einem Verkehrsunfall getöteter Kamerad saß betrunken hinter dem Steuer seines Autos und hatte den Crash selbst verursacht. Nur fünf Minuten dauert der Film "Du fehlst mir ...", den das Projektteam an den Anfang seines Vortrages stellt.

"So haben wir gleich zu Beginn die Fahrschüler für unser Anliegen sensibilisiert", sagt Klaus-Dieter Krebs. Der Leiter der komplementären Einrichtungen des suchtmedizinischen Zentrums am Diakonie-Krankenhaus Elbingerode gehört zu dem Trio, das das Projekt "Null Promille" seit drei Jahren in Fahrschulen im Harzkreis umsetzt. Unterstützt wird er von seiner Kollegin Antje Rumpf, Fachfrau für Suchtprävention in der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Wernigerode, und von Dagmar Rudloff. Letztere ist Chefin in der Führerscheinbehörde der Kreisverwaltung und begrüßt sehr die Projekt-Mitwirkung.

"Wir wissen nur zu gut, dass Fahren unter Alkohol- und Drogeneinfluss auf der Tagesordnung steht." Jährlich würde ihre Behörde bis zu 600 Anzeigen von der Polizei und Staatsanwaltschaft erhalten, die den Entzug des Führerscheins zur Folge haben. "Was das bedeuten kann, machen wir den Fahrschülern deutlich", sagt Dagmar Rudloff. Neben der Einschränkung der Mobilität, des Verlustes von Job oder Lehrstelle würden die Rechenbeispiele für finanzielle Konsequenzen oftmals besondere Wirkung zeigen. Es können nämlich durchaus bis zu 10 000 Euro zusammenkommen, wenn Blutuntersuchung im Krankenhaus, Gerichtskosten, Schadensersatzansprüche, Versicherungsausgleich und der Vorbereitungskurs für die medizinisch psychologische Untersuchung, kurz MPU, aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. "Da sind die etwa 100 Euro für den Neuantrag eines Führerscheins das geringste Übel", sagt Dagmar Rudloff.

Rechenbeispiel zeigt oftmals große Wirkung

Der Kostenfaktor "sticht", bestätigt Antje Rumpf. Sie habe mehrfach als Reaktion von den Fahrschülern die Beteuerung gehört: "Wenn ich die Fleppen habe, kiffe ich nicht mehr. Dafür ist mir der Führerschein einfach zu teuer." Oder: "Unser Motto, das wir im Vortrag ausgeben, würden viele blind unterschreiben." Es lautet: "Wenn ich fahre, trinke ich nicht, und wenn ich trinke, fahre ich nicht." Ob die Teilnehmer am "Null Promille"-Projekt als Autofahrer wirklich Wort halten, lässt sich nicht nachweisen.

Dafür gibt es für das in Sachsen-Anhalt bislang einzige Aufklärungsprojekt, das sich gezielt an Fahrschüler während ihrer Ausbildung richtet, erste Ergebnisse. Die fachgerechte Bewertung haben Studenten übernommen.

Die größte Gruppe der Befragten war unter 18 Jahren, weibliche und männliche Teilnehmer hielten sich die Waage. Fast alle hatten schon einmal Alkohol konsumiert. "Überrascht haben uns die Angaben über die Häufigkeit und Menge", sagt Antje Rumpf. 34 bis 40 Prozent würden zwei- bis viermal im Monat trinken, jeweils sieben bis zehn Gläser Alkohol und einige sogar mehr. Zum Thema Drogenkonsum ihr Fazit: "Probiert ja, aber nicht regelmäßig."

Dass 28 Prozent der Befragten bei jemanden mitgefahren sind, der unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand, "bereitet uns Sorge", sagt Klaus Dieter Krebs. Denn viel zu oft würden Alkoholfahrten tödlich enden und unschuldige Menschen, "die zur falschen Zeit am falschen Ort waren" zu Schaden kommen. Zudem sei im Harzkreis "besonders im Bereich der illegalen Substanzen im Straßenverkehr ein großer Anstieg zu verzeichnen", sagt Dagmar Rudloff.

Das Trio ist sich einig, dass das Projekt fortgesetzt werden sollte. Dafür würde auch die Bewertung ihrer Arbeit sprechen. Für 92 Prozent der Befragten habe der Vortrag neue Informationen enthalten, die Mehrheit sei zum Nachdenken über den eigenen Alkohol- und Drogenkonsum angeregt worden und wolle ihr Wissen mit Freunden teilen. Zuallerletzt durften die Fahrschüler den drei Akteuren eine Note geben. "Die meisten gaben uns eine Eins und Zwei", sagt Klaus-Dieter Krebs erfreut. Übrigens, erfreut seien die Projektteilnehmer über das Geschenk, das jeder zum Abschluss des 90-minütigen Vortrags bekommt.

Starterpaket mit hilfreichem Inhalt

Es handelt sich um ein Starterpaket, das hilfreichen Materialien wie ein Einwegpusteset zur Überprüfung des Alkoholwertes, Karten mit Taxirufnummern und Hinweisen zum Verhalten im Vollrausch enthält. Ermöglicht haben Sponsoren das Paket, ebenso die Vortragsarbeit. Die Kosten für die Projektarbeit würden pro Jahr etwa 4000 Euro betragen. "Wir haben sehr gut gehaushaltet, doch nun brauchen wir wieder Unterstützung, um fortzufahren", sagt Krebs, der sich bei allen Sponsoren bedankte.