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Ratsmitglied appelliert, Empfehlungen der Orte nicht blind zu folgen Wenn Gemütslage entscheidet

10.12.2014, 01:09

Osterwieck (mhe) l Die Messen sind gesungen. Der Osterwiecker Stadtrat hatte Ende September mit großer Mehrheit entschieden, dass es vorerst keinen Bebauungsplan für ein Wohngebiet "Fichtenweg II" geben wird. Dabei handelt es sich um einen Grundstücksstreifen für mehrere Eigenheime direkt am Fichtenweg. Gleich dahinter entsteht momentan ein größeres Wohngebiet mit 20 Bauplätzen.

Beide Wohngebiete haben verschiedene Initiatoren, hinten eine Osterwiecker Baufirma, vorn eine Erbengemeinschaft aus Niedersachsen, die über die Entscheidung des Stadtrates enttäuscht war. Deren Vertreter waren nun zu Gast in der Osterwiecker Ortschaftsratssitzung und meldeten sich in der Einwohnerfragestunde zu Wort.

Bevor die Entscheidung im Stadtrat gefallen war, hatten sich noch andere politische Gremien mit dem Bebauungsplan "Fichtenweg II" beschäftigt. Der Bauausschuss des Stadtrates hatte mit zwei Gegenstimmen dem Vorhaben zugestimmt. Der Osterwiecker Ortschaftsrat hingegen hatte das Vorhaben mit drei Nein-Stimmen bei drei Enthalten abgelehnt.

Im Stadtrat gilt derweil das ungeschriebene Gesetz, dass der große Rat in solchen Fällen den Abstimmungsergebnissen aus dem jeweils betroffenen Ortschaftsrat folgt. Diese Verfahrensweise wird nun von Ortschaftsrätin Renate Fink (Bündnisgrüne) kritisiert.

Die Abgeordnete schilderte, dass sich nun durch die Erläuterungen der Erbengemeinschaftsvertreter im Ortschaftsrat für sie einiges anders darstelle, als auf der Sitzung im September. Damals sei das Vorhaben von Ortsbürgermeister Ulrich Simons (CDU) negativ dargestellt worden, die Abgeordneten hätten vorab keine Informationen gehabt. Der Ortschaftsrat habe "nicht nach Aktenlage, sondern nach Gemütslage entschieden", erklärte Fink. Zudem sei dieser Punkt nichtöffentlich behandelt worden, was bei einem Bebauungsplan überhaupt nicht statthaft sei. Sie habe sich seinerzeit der Stimme enthalten und sei mit einem "unwohlen Gefühl nach Hause gegangen". Im Nachhinein empfinde sie die Ablehnung als Unrecht.

Nachdem die Erben in der Vorwoche ihre Darstellung im Rat erläutert hatten, habe Fink einen Antrag gestellt, den Bebauungsplan nochmals in eine Tagesordnung aufzunehmen. Das sei mit vier zu fünf Stimmen knapp gescheitert, habe aber aus Finks Sicht schon ein ganz anderes Stimmungsbild gezeigt als im September. Sie appelliert daher an den großen Stadtrat, künftig nicht mehr ungeprüft Entscheidungen der Ortschaftsräte zu folgen.

Osterwiecks Ortschef räumt Fehler ein

"Auch ich mache Fehler", erklärte Ulrich Simons zu dem Vorwurf, dass der Bebauungsplan seinerzeit nicht öffentlich unter Grundstücksangelegenheiten behandelt wurde. "Das war nicht bösartig, ich hatte mich schlicht geirrt." Es habe sich seinerzeit aber auch niemand darüber beschwert, sondern erst jetzt. Auch dem Ratsprotokoll sei später zugestimmt worden.

Dass er das Vorhaben "Fichtenweg II" negativ sieht und dafür persönliche Gründe hat, verhehlt er nicht. Sie haben eine lange Vorgeschichte bis in die Nachwendezeit, als die Stadt dort schon einmal ein Wohngebiet plante. "Ich bin auch nur ein Mensch", sagte Simons. Letztendlich würden Mehrheiten entscheiden. Und der Ortschaftsrat sei sogar einstimmig gegen das Vorhaben gewesen.