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Staatsanwaltschaft Halberstadt sieht keinen hinreichenden Tatverdacht Abfuhr für Beleidigungsklage gegen einen ÖDP-Stadtrat

Von Jörg Endries 06.02.2015, 02:21

Die Debatte um das Für und Wider einer Fußgängerquerung in der Kühlinger Straße im städtischen Ordnungsausschuss hat kein rechtliches Nachspiel. Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung Halberstadt hatte einen Abgeordneten des Stadtrates wegen Beleidigung angezeigt.

Halberstadt l Abgeblitzt ist bei der Staatsanwaltschaft die Beleidigungs-Anzeige eines Abteilungsleiters der Stadtverwaltung Halberstadt gegen einen Abgeordneten des Stadtrates. Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck hat das Verfahren wegen Mangel an Beweisen eingestellt, informiert auf Volksstimme-Nachfrage der Leiter der Außenstelle der Staatsanwaltschaft Magdeburg in Halberstadt.

Manfred Wegener, Abteilungsleiter Tiefbau, hatte ÖDP-Stadtrat Jens Rehmann nach einer öffentlichen Debatte im Ordnungsausschuss, in der es um das Für und Wider einer Fußgängerquerung in der Kühlinger Straße ging, angezeigt (Volksstimme berichtete).

"Für uns besteht kein hinreichender Tatverdacht. Die Anzeige ist am 21. Januar eingegangen und bereits einen Tag später haben wir den Anzeigeerstatter informiert, dass das Verfahren eingestellt ist", berichtet Hauke Roggenbuck. Es sei mehr als fraglich gewesen, ob der Tatbestand der Beleidigung erfüllt und die Ehre des Anzeigeerstatters angetastet wurde. Allerdings habe die Staatsanwaltschaft nicht die beruflichen Kompetenzen des Abteilungsleiters überprüft, die Jens Rehmann beim Thema Verkehrssicherheit dem Verwaltungsmitarbeiter abgesprochen hatte.

Jens Rehmann forderte während der besagten Ordnungsausschuss-Sitzung ausdrücklich, die Meinung von Fachleuten einzuholen, wenn es um die Notwendigkeit einer sicheren Fußgängerquerung in der Kühlinger Straße geht. Dann fiel der Satz: "Sie, Herr Wegener, zähle ich nicht dazu." Das nahm der offenkundig dünnhäutige Straßen- und Tiefbau-Fachmann persönlich. Kurz zuvor hatte Manfred Wegener festgestellt, dass die Verkehrsbelastung in der Kühlinger Straße mit etwa 10 000 Fahrzeugen am Tag einen Ampelaufbau nicht rechtfertigen würde. Für Jens Rehmann eine ganz normale politische Debatte mit zwei verschiedenen Meinungen zu einem Thema. Warum sich Manfred Wegener in seiner Ehre verletzt fühlt, bleibt hingegen unklar. Mit Jens Rehmann und der Volksstimme wollte er darüber nicht sprechen.

Hauke Roggenbuck: "Die Äußerung von Herrn Rehmann ist im Rahmen der öffentlichen politischen Meinungsbildung und -debatte erfolgt und damit gedeckt." Die Staatsanwaltschaft habe das Grundrecht des Abgeordneten auf Meinungsfreiheit und das Interesse des Verwaltungsmitarbeiters abwägen müssen. "Wir mussten uns für die Meinungsfreiheit entscheiden", betont der Staatsanwalt. Jeder könne sich beleidigt fühlen, aber die politische Meinungsbildung und -debatte sei ein Grundwert der Demokratie, die zu schützen sei. Hauke Roggenbuck: "Poltern ist dabei erlaubt." Der Oberstaatsanwalt verweist auf Debatten im Bundestag oder im Landtag, wo der konträre Austausch von Meinungen auf der Tagesordnung stünde. Dort würde auch niemand Anzeige erstatten, nur weil jemand vehement eine andere Meinung vertrete.

"Ich freue mich, dass die Sache vom Tisch ist. Eine andere Entscheidung konnte es meiner Meinung nach auch nicht geben", zeigt sich Jens Rehmann gegenüber der Volksstimme erleichtert. Den ÖDP-Stadtrat hatte die Anzeige "wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen". Das sei das erste Mal, dass ein Verwaltungsmitarbeiter einen Abgeordneten angezeigt hat, weil er die Verwaltung kritisiert. Jens Rehmann: "Ich habe niemanden beleidigt, sondern meine Meinung gesagt." Außerdem habe er nur festgestellt, dass Wegener kein Verkehrssicherheitsexperte ist. Dafür gebe es vom Land berufene Fachleute. Der ÖDP-Stadtrat befürchtete, dass von der Anzeige ein fatales Signal ausgehen könnte. Würden Abgeordnete künftig einen Maulkorb verpasst bekommen, wenn sie eine andere Meinung als die Verwaltung vertreten, fragte der Stadtrat.

Wegeners Dienstherr, Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke), sagte dazu: "Das ist nicht das Niveau, auf dem Stadtrat und Verwaltung kommunizieren sollten. Dennoch sollte unterschieden werden zwischen Kritik in der Sache, die immer hilfreich ist, und Wertung einer Person und ihrer Leistung. Da ist subjektives Empfinden nicht immer dienlich."