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Meteorologen mit Rekordmarken Allerlei Extreme im schönen Harztal

Die Frühjahrsmonate der Jahre 2013 und 2015 bieten genügend
meteorologischen Stoff, um als Extreme in die Statistiken einzugehen:
Sie waren extrem nass oder extrem trocken, bestätigen die Meteorologen
des Deutschen Wetterdienstes.

Von Dennis Lotzmann 03.06.2015, 03:33

Alexisbad/Harzgerode l 30 Grad Celsius, Sonne satt und strahlend blauer Himmel - genau danach sehnen sich vielleicht Urlauber, keineswegs aber Meteorologen. Die lieben es, plaudert einer von ihnen aus dem Nähkästchen, wenn es in der Wetterküche ordentlich zur Sache geht. Stürme, heftige Niederschläge, opulente Wolkenformationen oder eben auch schon mal anhaltende Trockenheit. Letztere dominiert bislang im Frühjahr 2015 in weiten Teilen Sachsen-Anhalts. Ganz anders in Bayern: Dort schüttete es in den vergangenen Tagen vielerorts, sodass punktuell gar Hochwasser drohte. So wie vor zwei Jahren. Damals "soffen" nicht nur zahlreiche Süddeutsche ab, sondern auch sehr viele Sachsen-Anhalter.

Zwar war im Frühsommer 2013 der Harz ebenfalls von Hochwasser betroffen - die hiesigen Schäden waren jedoch nichts im Vergleich zu den überfluteten Landstrichen an Saale und Elbe. Wie groß allein optisch der Unterschied zwischen dem Frühsommer 2013 und 2015 im Harz ist, machen zwei Fotos deutlich, die Hobbyfotograf Torsten Brehme aus Harzgerode in beiden Jahren gemacht hat: Am jeweils 1. Juni setzte Brehme den Selke-Wasserfall zwischen Alexisbad und Mägdesprung ins Bild. Im Jahr 2013 präsentierte sich der sonst recht zahme Fluss als reißender Strom, der talwärts schoss. Exakt zwei Jahre später muss man das Nass zwischen den gewaltigen Felsblöcken fast schon suchen.

Der optische Unterschied lässt sich mit Zahlen und Fakten aus dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) untermauern: Während am 1. Juni 2013 exakt 17,3 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch das Selketal geschossen waren, registrierten die Hydrologen zwei Jahre später ganze 0,274 Kubikmeter pro Sekunde. Umgerechnet auf die besser vorstellbare Literzahl differieren beide Werte für die Durchflussmenge zwischen 17 300 Litern (2013) und 274 Litern pro Sekunde am Montag dieser Woche.

Einige Kilometer weiter talwärts, am Ende des Selketals bei Meisdorf, rauschten am Hochwasser-Junitag des Jahres 2013 gar 24,5 Kubikmeter pro Sekunde durch das Selkebett in die Ebene und weiter Richtung Ermsleben (Stadt Falkenstein/Harz) und Gatersleben.

Obwohl die Mengen immens waren, kam der Harz seinerzeit mit einem blauen Auge davon: Am Pegel Meisdorf wurde damals ein Stand von 129 Zentimetern über dem Nullpegel des Baches registriert. Mit dem Nullpegel beschreiben Hydrologen gewissermaßen die Betthöhe eines Flusses. "Dieser Wert liegt wenige Zentimeter unter dem niedrigsten jemals gemessenen Wasserstand eines Baches oder Flusses an dieser Stelle bezogen auf Normalnull", beschreibt es eine LHW-Mitarbeiterin mit fachlichen Worten.

Mit 129 Zentimetern war an jenem 1. Juni 2013 in Meisdorf zwar der Grenzwert zu Alarmstufe zwei (ab 120 Zentimeter) überschritten - die Schäden hielten sich jedoch, abgesehen von kleineren Überflutungen, in Grenzen.

Ganz anders war damals die Situation an Saale und Elbe: Die traten wegen der zeitgleich stark angeschwollenen Zuläufe über ihre Ufer und überfluteten weite Landstriche. Tausende kämpften damals in Halle, rund um Magdeburg oder im Norden Sachsen-Anhalts gegen die Fluten und bauten mit Sandsäcken Deicherhöhungen.

Mit jedem Zusammenfluss von Bächen und Flüssen schwoll die Hochwasserwelle, die sich nordwärts bewegte, weiter an. Die Wassermassen der Selke fluteten kurz vor Wegeleben in die Bode und ließen den ebenfalls stark angeschwollenen Bode-Pegel weiter massiv steigen.

Grund für die großflächigen Überflutungen in vielen Teilen Deutschlands waren damals massive Regenfälle, wie Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst (DWD) anhand seiner Statistik berichten kann. Im Selketal habe der Mai 2013 sogar einen neuen Rekord markiert: "Damals wurden im Bereich Harzgerode 152,6 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter registriert." Umgerechnet in die griffige Einheit Liter waren das 152,6 Liter pro Quadratmeter und genau das Extrem, das die berufliche Neugier der Meteorologen anstachelt. "Der Mai 2013 war extrem feucht", erinnert sich der diplomierte Meteorologe. Ganz anderes der Mai 2015: Der schnitt mit gerade mal 17 Litern pro Quadratmeter staubtrocken ab.

Zwei Zahlen, zwei Extreme. Allerdings gab es trotz des massiven Regenfalls im Mai 2013 im unteren Selkelauf keine größeren Hochwasserschäden. Ist der Rückhaltedamm im Selketal doch entbehrlich? Die Zahlen könnten Gegnern wie Befürwortern neuen Stoff bieten.

Der umstrittene grüne Damm soll bei Hochwasser oberhalb von Meisdorf den maximalen Durchfluss auf einen Wert begrenzen, den die Selke flussabwärts gefahrlos durch Orte wie Meisdorf, Ermsleben, Hoym oder Gatersleben ableiten kann. Sobald die Selke einen höheren Pegel führt, käme es an jenem normalerweise grünen Damm zum Rückstau.

Die Monate Mai 2013 und Mai 2015 sind laut DWD-Aufzeichnungen gleichermaßen Ausreißer aus dem langjährigen Mittel. Das liegt für Harzgerode bei 58,3 Litern Niederschlag pro Quadratmeter. "Der Mai 2015 war mit 17 Litern zwar trocken, der Mai 2008 mit 10,7 Litern aber noch extremer", so Lux.

"Der Mai 2013 war extrem feucht - damals wurde bei Harzgerode ein neuer Niederschlagsrekord markiert."

Gerhard Lux, Sprecher beim Deutschen Wetterdienst

Der Mai 2013 liest sich mit 152,6 Litern auf einem Quadratmeter ganz anders. Überhaupt war das Frühjahr 2013 nass: Die Meteorologen erfassten 224,8 Liter - das vieljährige Mittel geben sie mit 148,3 Litern an. Im Frühjahr 2015 wurden 107,5 Liter erfasst. Es geht aber noch trockener: Im Frühjahr 2011 gingen pro Quadratmeter nur 58,9 Liter Regen nieder.

Übrigens: 2013 markierte zwar der Mai einen Niederschlagsrekord - das Frühjahr selbst war aber zu toppen: 1961 fielen 291,3 Liter Niederschlag.

Mehr zu Flusspegeln unter: www.hochwasservorhersage.sachsen-anhalt.de