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  7. Milchbauern fordern Mitsprache bei Preisen

Europa-Abgeordneter Horst Schnellhardt berät in Langenstein mit Experten aus Sachsen-Anhalt Milchbauern fordern Mitsprache bei Preisen

Von Dieter Kunze und Dennis Lotzmann 23.03.2011, 04:29

Der Milchhof Langenstein konnte am Sonntag auf sein 20-jähriges Bestehen zurückblicken. Das Jubiläum soll am 7. Mai mit einem Tag der offenen Tür gefeiert werden. Bei einem Treffen mit Milchbauern aus Sachsen-Anhalt erläuterte Betriebsinhaber Jürgen Meenken jetzt am Rande des Firmenjubiläums, warum es für die Milchbauern weiterhin viele Probleme und Zukunftssorgen gibt.

Halberstadt/Langenstein. "Wir brauchen einfach mehr Mitspracherecht bei der Milchpreisgestaltung, um endlich auch Gewinne zu erwirtschaften und den Investitionsstau in unseren Betrieben abbauen zu können", betonte Landwirt Jürgen Meenken. Bisher werde der Wettbewerb ausschließlich zwischen Handels- und Molkereiketten und auf dem Rücken der Produzenten ausgetragen. Weil im Jahr 2015 die EU-Milchquotenregelung auslaufe, habe die Europäische Kommission vorgeschlagen, diesen Sektor auf eine stärker am Markt orientierte und nachhaltige Zukunft vorzubereiten.

Die Milchbauern sollten künftig im Verbund als Erzeugergemeinschaft selbst Preise aushandeln können, denn aus den ursprünglichen Molkereigenossenschaften seien inzwischen oft große Konzerne geworden, die vor allem auf hohe Gewinne orientiert seien und kaum noch die Mitgliederinteressen ihrer Milchbauern vertreten würden, so Meenken als Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) in Sachsen-Anhalt.

"Wenn wir richtige Marktteilnehmer sein sollen, dann müssen wir uns auch stärker als bislang am Markt artikulieren können", brachte Meenken die zentrale Forderung der Landwirte auf den Punkt. Die von ihm befürworteten Erzeugergemeinschaften seien als Verhandlungspartner der Molkereien denkbar, müssten dann aber auch die nötige Größe haben, um mit dem erforderlichen Nachdruck auftreten zu können. "Nicht zuletzt mit Blick auf die extreme Konzentration auf dem bundesdeutschen Molkereisektor müssten derartige Erzeugergemeinschaften aus meiner Sicht auf Landesebene gebildet werden", meinte Meenken. Schließlich bestimmten aufgrund des Konzentrationsprozesses heute bundesweit weniger als zehn Großmolkereien das Geschäft und damit die Preise.

Weil die Molkereien die Milchbauern finanziell "in die Zange nehmen", hätten bereits zahlreiche Betriebe aufgegeben. In Langenstein stünden gegenwärtig 360 Milchkühe. "Bei einem Preis von 27 Cent je Kilogramm konnten wir das vorige Wirtschaftsjahr nur dank der Quersubventionierung durch unsere Biogasanlage überstehen", erläuterte Meenken den anwesenden Gästen die Misere.

Eine Misere mit Folgen für das Langensteiner Unternehmen: Mehrere Investitionsvorhaben liegen nach Meenkens Worten auf Eis. Das Umweltamt fordere mit Nachdruck den Bau eines neuen Silolagerplatzes. Das Güllelager müsse erweitert werden, eine Fuhrwerks-Waage werde benötigt und auch eine eigene Tankstelle sei erforderlich. Der enge zeitliche Korridor für das Ausbringen von Gülle auf die Fel-der erfordere zudem mehr Lagerkapazität. Künftig müsse über neun Monate statt wie bislang über sechs Monate Gülle gebunkert werden.

"Die Leute wohnen zwar auf dem Dorf, doch der typische Güllegeruch wird nicht mehr akzeptiert", weiß die Landtagsabgeordnete Frauke Weiß (CDU) aus ihren Vor-Ort-Gesprächen. Allein der Bau des Siloplatzes und des Güllelagers dürften rund 400 000 Euro kosten, überschlug Landwirt Meenken während des Treffens in seinem Betrieb.

"Wenn wir richtige Marktteilnehmer sein sollen, müssen wir uns stärker als bislang am Markt artikulieren können"

Zwar seien inzwischen mehrere Stalldächer saniert worden. "Aber nur, weil ein Investor Solaranlagen darauf installieren durfte", erläuterte Meenken. Finanziert werde die Sanierung über die Produktion und den Verkauf von Solarstrom. Es habe jedoch unterm Strich zähe Verhandlungen darüber gegeben, weil die Einspeisevergütungen deutlich reduziert worden seien.

Um für die Zukunft besser gerüstet zu sein, wurde die eigene Jungtieraufzucht mittlerweile in die Altmark verlagert. "Dort gibt es gutes Grünland, das wir bei unseren Böden hier nicht haben", erinnerte Meenken. Mit dem so in Langenstein gewonnenen Platz können künftig 140 Milchkühe mehr versorgt werden.

"Die verpflichtende Zeichnung von Geschäftsanteilen und der damit verbundene Zwang des Milcherzeugers zur Ablieferung der gesamten erzeugten Kuhmilch sowie eine zweijährige Kündigungsfrist zum jeweiligen Jahresende spotten jeder Beschreibung als Marktteilnehmer", pflichtete auch der Europaabgeordnete Dr. Horst Schnellhardt den Landwirten bei. Schnellhardt war Meenkens Einladung gern gefolgt, um die Sorgen der Vertreter der Milchbauern Sachsen-Anhalts aus erster Hand zu erfahren.

Und die Sorgen sind in der Tat recht groß: In der Regel werde die erste abgelieferte Milch des Monats erst am 15. Tag des Folgemonats von der Molkerei abgerechnet, ohne dass der Milcherzeuger zuvor den genauen Milchpreis kenne, erfuhr der EU-Parlamentarier. Ein Unding, wie die Landwirte meinen: "Welcher am Markt agierende Unternehmer liefert etwas, ohne zu wissen, welchen Erlös er dafür bekommen wird?"

Die Milcherzeuger brauchen eine unabhängige Instanz vor der Molkerei, bekräftigte auch Schnellhardt. Die Milcherzeuger-Gemeinschaften, wie sie das Marktstrukturgesetz bisher definiert, seien dafür bestens geeignet. Die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform des Milchmarktes müssten nun genau geprüft werden.

Auch Uwe Goldammer, Geschäftsführer der Agrargesellschaft Ostharz in Harsleben formulierte klare Forderungen: "Es muss etwas passieren, wenn 2015 die Milchquote fällt." Die Steuerung müsse in die Hand der Produzenten. "Wir brauchen 40 Cent pro Kilogramm Milch." Da der Handel meist ein Quartal im voraus Preisverhandlungen führe, müssten diese Verhandlungen auch die eigentlichen Produzenten einbeziehen. In dem Milchviehbetrieb in Harsleben würden aktuell 300 Kühe von 15 Mitarbeitern versorgt.

Der EU-Parlamentarier Schnellhardt dankte den Landwirten für die umfangreiche Aufklärung über die aktuelle Situation. Jetzt müssten auch die Landtagsabgeordneten den nötigen Druck auf das Ministerium ausüben, damit die Verhandlungen in die richtige - und von den Landwirten geforderte - Richtung gehen.