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875-jähriges Jubiläum in Groß Quenstedt / Frauen stellen Buch mit allerlei Geschichten zusammen / Werk soll in Festwoche Mitte Juni vorliegen Über Bürgermeister, Tee-Eier und Brotschneider

Von Dieter Kunze und Dennis Lotzmann 18.04.2011, 04:38

Emersleben, Harsleben, Anderbeck und, und, und ... Die Liste der Gemeinden rund um den Huy, die in diesem Jahr ihr Ortsjubiläum begehen, ist lang. Während die Anderbecker beispielsweise bereits das 925-jährige Jubiläum ihrer ersten urkundlichen Erwähnung begehen, feiern die Groß Quenstedter im Juni das 875-jährige Jubiläum ihrer Gemeinde. Eigens dafür entsteht eine Festschrift.

Groß Quenstedt. Bereits vor einem Jahr wurde im Dorfclub der Beschluss gefasst, zu diesem großen Orts-Jubiläum ein Buch herauszugeben. Jetzt münden die Arbeiten an diesem Werk ins Finale. An der Endfassung werden gegenwärtig die letzten Federstriche gemacht - auf das Ergebnis und das fertige Werk sind viele Einwohner schon jetzt absolut gespannt.

"Wir haben keine normale, klassische Ortschronik verfasst, sondern verschiedene Geschichten zu wichtigen Ereignissen und Gebieten unseres Ortes aufgeschrieben", berichtet Cordula Puschmann, die sich seit Langem mit der Heimatgeschichte ihrer Gemeinde beschäftigt. "Wir haben nicht geglaubt, dass dabei so viel Stoff zusammenkommt."

Bisher haben sie und weitere Helfer sich jeden Dienstagvormittag - und manchmal auch noch am Nachmittag - getroffen, um das Werk Stück für Stück und Episode für Episode zusammenzutragen und ihre Erkenntnisse in Sätze zu gießen. Eine gewisse Basis gab es bereits, weil die Groß Quenstedterin bereits im Jahr 2005 mit einem Chronik-Projekt beschäftigt war.

Deshalb konnte sie nun auf Materialien des früheren Bürgermeisters Kurt Wartmann zurückgreifen, der vor allem viel über die Ereignisse im Dorf unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zu berichten wusste.

Auch die einstige Kita-Leiterin Gisela Himmelreich, Krippenerzieherin und Berufsschullehrerin Roswitha Zimmermann sowie Lehrerin Ingrid Schmidt unterstützen heute das Vorhaben. "Alles passiert auf ehrenamtlicher Basis", betont Puschmann. Jeder Helfer am Gesamtprojekt habe sich mit einem bestimmten Themenkreis befasst und Geschichten - beispielsweise über die Kirchen, die Schule und andere Bauwerke in Groß Quenstedt - gesammelt. Inzwischen ist das Team mit dem Schreiben fertig.

"Wir haben keine klassische Chronik verfasst, sondern Geschichten zu wichtigen Ereignissen aufgeschrieben"

"Das Korrekturlesen und das Zusammenfassen der Texte zum fertigen Buch sind nicht unbedingt einfacher", weiß Ex-Kita-Chefin Gisela Himmelreich mittlerweile. Auch die Auswahl der zahlreich geplanten Fotos im Buch und deren Erfassung im Computer habe viel Zeit in Anspruch genommen. Dabei hätten aber viele Groß Quenstedter mit ihren Unterlagen nicht nur rege Anteil genommen, sondern auch inhaltlich umfassend beigetragen. Das Buch selbst, so betonen die Macher ausdrücklich, erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit - aber viele Episoden aus der Ortsgeschichte werde man hier nachlesen können:

Aufgelistet sind beispielsweise die insgesamt 18 Bürgermeister, die seit dem Jahr 1908 die Geschicke der kleinen Gemeinde maßgeblich mit bestimmt haben. Auch die seit dem Jahr 2000 gekürten Ehrenbürger finden im Buch ihren Platz und werden gewürdigt. Viel gibt es auch über die Betriebe im Ort - beispielsweise die Ziegelei oder die Eisenbahn, deren Geschichte mit der geplanten Schließung des Bahnhofs nun wohl bald zu Ende geht - zu lesen.

Entdeckt wurden bei der Recherche auch Unterlagen über die Behelfsheime, die nach dem Krieg aufgebaut wurden. Der letzte Russland-Gefangene kam beispielsweise erst 1955 nach Hause. Mit den Jahren entwickelten sich Kindergarten und Schule.

Auch mit dem Hochwasser hatte Groß Quenstedt in der Vergangenheit oft zu kämpfen. Ein letztes Großereignis ist aus dem Jahr 1955 bekannt. Danach wurde die Holtemme begradigt und ausgebaut. "Oft kam aber viel Wasser aus dem Huytal und es ertrank manches Vieh", weiß Puschmann nach der Recherche der umfangreichen Unterlagen.

"Bei einem Treffen mit älteren Bürgern unseres Ortes stellten wir fest, dass es zu manchem Ereignis auch unterschiedliche Erinnerungen gibt", wirft Gisela Himmelreich ein. Man sei auf zahlreiche Bewohner zugegangen, um für "Geschichten aus früherer Zeit" zu recherchieren, berichtet Roswitha Zimmermann. Allerdings hätten am Ende nicht alle Informationen in dem Buch berücksichtigt werden können.

Dass man die Geschichte des Ortes möglichst umfassend bewahren sollte - darin sind sich die Buchautorinnen einig. "Viele Kinder und Jugendliche können sich manches heute gar nicht mehr vorstellen", weiß Puschmann. So habe es beim Besuch des Heimatmuseums kürzlich überraschende Fragen gegeben - beispielsweise danach, was denn ein Tee-Ei sei oder wie eine Brotschneidemaschine funktioniere.

Einen Schwerpunkt bildet im Buch natürlich die Landwirtschaft, die in Groß Quenstedt stets im Mittelpunkt stand. Auch die verschiedenen Bräuche beispielsweise zu Pfingsten und beim Hausschlachten sollten nicht in Vergessenheit geraten, finden die Autorinnen und haben ihnen deshalb angemessenen Platz eingeräumt im Buch.

"Wir sind den vielen Helfern im Ort für die breite Unterstützung absolut dankbar", betonen die beteiligten Frauen. Auch der kürzlich verstorbene Bürgermeister Arno Bartels habe trotz schwerer Krankheit bis zum Schluss geholfen, wo es nur ging. Es sei sehr traurig, dass er nun weder die Veröffentlichung des Buches noch die Jubiläumsfeierlichkeiten miterleben könne.

Vor allem zu Klassentreffen oder goldenen Konfirmationsfeiern kommen viele Einwohner und ehemalige Bewohner der Gemeinde zusammen und besuchen meist auch die Heimatstube. Auch auswärtige Gäste freuen sich bei Familienfeiern über die Bewahrung der örtlichen Geschichte. Dann werden gemeinsam Bilder aus früherer Zeit betrachtet und Erinnerungen ausgetauscht.

Inzwischen ist der Platz im Gemeindehaus mit dem Museum schon recht knapp geworden. Einige Fotos wurden im Versammlungsraum angebracht, um alle Besucher zugleich auf den Schatz in der Heimatstube aufmerksam zu machen.

"Wir sind den vielen Helfern in unserem Ort für die breite Unterstützung absolut dankbar"

Ziel der Buchautorinnen ist es jetzt, die Korrekturarbeiten am Festbuch so schnell wie möglich abzuschließen. Dann geht das 200-seitige Material sofort an die Druckerei, damit es pünktlich zur Jubiläumswoche im Juni als fertiges Buch in den Verkauf kommen kann.

Übrigens: Die Festwoche aus Anlass der 875-Jahr-Feier von Groß Quenstedt ist in der Zeit vom 19. bis zum 26. Juni geplant, und die Mitglieder des Festkomitees sind schon fleißig bei den Vorbereitungen. Man darf also gespannt sein und sollte sich die Festwoche schon mal ganz dick im Kalender markieren.