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Halberstadts Arbeitsagenturchefin warnt gleichzeitig vor drohendem Mangel an Fachpersonal Nachwuchsförderer mit Zertifikaten belohnt

Von Ingmar Mehlhose 15.12.2012, 02:24

Der Harzer Wirtschaft geht der Nachwuchs aus. Heike Schittko als Chefin der Halberstädter Arbeitsagentur hat das Problem deshalb in den Mittelpunkt ihres Jahresrückblicks gerückt. Gleichzeitig sind drei Betriebe für ihr Engagement bei der Ausbildung von Lehrlingen geehrt worden.

Halberstadt l Heike Schittko ist sich sicher: "Mit Kfz-Mecha-tronikern könnten wir wahrscheinlich ganz Deutschland besetzen." Seit zehn Jahren steht dieser Beruf bei jungen Männern unangefochten auf Platz eins der Wunschliste. Sechs Prozent aller Bewerber favorisieren ihn.

Halberstadts Agenturchefin nutzte ihren traditionellen Jahresrückblick vor gut 40 Vertretern von Unternehmen, Schulen und Institutionen, um speziell auf das Thema "Nachwuchssicherung" einzugehen. Wie die Vorsitzende der Geschäftsführung dazu einleitend vermerkte, hat sich die Zahl der Schulabgänger in den vergangenen fünf bis sieben Jahren faktisch halbiert. Deren qualitatives Niveau bleibt zum Beispiel bei den Jugendlichen mit einem Realschulabschluss niedrig. Gleichzeitig steigt bei Abiturienten deutlich der Wille, unbedingt ein Studium aufzunehmen.

Die Folge, so Heike Schittko: "Die Zahl der Dualen Ausbildungen sinkt weiter." Im Harzkreis standen zuletzt insgesamt fast 1300 Lehrstellen zur Verfügung. Die Geschäftsführerin: "Leider konnten wir nicht alle besetzen." Erstmals hatten zudem Firmen "in einem dreistelligen Bereich" beschlossen, Ausbildungen bereits vor deren Start zu stornieren.

"Krankenpfleger werden deutlich besser akzeptiert als Frauen, die in Männerberufe wollen."

Die zehn am stärksten gefragten Ausbildungen umfassen ein Drittel aller möglichen Abschlüsse. Heike Schittko: "Dabei haben wir 360 verschiedene Berufsbilder." Aktuell ist zum Beispiel der Koch in der Rangliste "wieder ein Stück nach unten gerutscht". Geradezu erschreckend findet die Agenturchefin zudem, das "Handwerksberufe wie Maler und Lackierer verschwunden sind".

Bei Frauen stellt sich die Lage laut Schittko noch dramatischer dar. Hier konzentriert sich sogar die Hälfte aller Bewerberinnen auf die in den Top 10 vertretenen Ausbildungen. Besonders bitter: Die einst begehrte Karriere als Hotelfachfrau ist immer weniger attraktiv. Hierbei spielen sicherlich "Probleme mit der Bezahlung" eine wichtige Rolle.

Kaum Veränderungen gibt es nach Angaben der Vorsitzenden der Geschäftsführung beim sogenannten Berufswahlverhalten. So ist es für sie bei jungen Frauen zum Beispiel "nicht nachvollziehbar, warum sie sich einzig und allein auf Verkäuferin fixieren". Jegliches Interesse an einer technischen Ausbildung oder in der Fertigung fehlt hingegen.

"Ich appelliere an alle Betriebe, auch Jugendliche mit nicht so guten Noten einzustellen."

Laut einer Erhebung an Berufsschulen der Region sind bei 89 Prozent aller Schüler unverändert die Eltern die wichtigsten Ratgeber in punkto Wahl der Zukunftsperspektive. 76 Prozent der Befragten sprechen mit Freunden und Bekannten über dieses Thema. Dabei ist die klassische Rollenverteilung immer noch ausschlaggebend. Obwohl, so Heike Schittko: "Krankenpfleger werden deutlich besser akzeptiert als Frauen, die in Männerberufe wollen."

Die Geschäftsführerin abschließend: "Ich richte an alle Betriebe den Appell, auch Jugendlichen mit nicht so guten Noten eine Chance zu geben, denn schließlich stellen sie Menschen und nicht Zensuren ein." Und: "Oft haben diese unerkannte Potenziale und sollten eine Gelegenheit bekommen, ihre Fähigkeiten zu beweisen."

Bereits zum achten Mal wurden danach die "Ausbildungszertifikate" der Agentur für Arbeit Halberstadt an Unternehmen vergeben, die sich besonders für die Ausbildung von Fachpersonal engagieren. Sie gingen diesmal an die Rundfunk GmbH Co. KG Gernrode, das HKK-Harzer Kultur- und Kongresshotel Wernigerode und die Ramme Elektro-Maschinen-Bau GmbH Osterwieck.

Heike Schittko würdigte die Verdienste der drei Betriebsleitungen als beispielhaft. Bereits seit Jahren wird dort regelmäßig und auch über den eigenen Bedarf hinaus fachlicher Nachwuchs herangezogen. Die Geschäftsführerin: "Sie melden uns frühzeitig ihre Ausbildungsstellen, geben eine Rückmeldung über den Stand des Besetzungsverfahrens und arbeiten mit der Berufsberatung sowie dem Arbeitgeber-Service konstruktiv zusammen. Auch bei schwierigen Fällen."