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Interview zum Jahreswechsel mit Bürgermeisterin Steffi Trittel Trotz knapper Kassen 12 Millionen investiert

03.01.2011, 04:26

Mit dem 1. Januar 2011 ist die Einheitsgemeinde Hohe Börde ein Jahr alt geworden. Aus diesem Anlass bat die Volksstimme die Bürgermeisterin der größten Einheitsgemeinde Sachsen-Anhalts, Steffi Trittel, um eine Bilanz für das erste Jahr und um eine Prognose für die Zukunft der Gemeinde.

Volksstimme: Was waren für Sie und Ihre Gemeinde 2010 die kommunalpolitisch bedeutsamsten Ereignisse?

Steffi Trittel: Mit dem Gebietsänderungsvertrag und der Wahl der Ratsvertreter und der Bürgermeisterin im November 2009 waren alle Voraussetzungen für den Start in die Einheitsgemeinde Hohe Börde gegeben.

Am Anfang stellte sich die Frage des Zusammenwirkens zwischen den Mitgliedern der Ortschaftsräte, die infolge der Wahlen auch zum Teil im Gemeinderat tätig sind, den Ortsbürgermeistern und dem Bürgermeister mit der Verwaltung.

"Der neue Rat war von Anfang an von Neugier und Aufbruch geprägt"

Das Organisationsmodell Einheitsgemeinde wurde in der Fachwelt wegen der besseren Entwicklungsmöglichkeiten favorisiert. Zukunftsfähige Strukturen müssen auch leistungsfähig sein, doch die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben in der neuen Gemeinde ist nicht zu verschweigen.

Von Beginn an stellte sich die Frage: Wie bekommen wir als Hohe Börde auch haushaltsrechtlich die Situation so gemeistert, dass wir neben den Aufgaben als örtlicher Dienstleister auch Kinderbetreuung, Schulangebote, Gefahrenabwehr, Sport-, Kultur-, Tourismus- und Wirtschaftsförderung absichern?

Nach der ersten Sitzung des Gemeinderates war ich beeindruckt. Dieser neue Gemeinderat war geprägt von Neugier und Aufbruch. Man war nicht einer Meinung, aber man einigte sich – in Treue und Verpflichtung zu dieser neuen Gebietskörperschaft.

Die gemeinsamen Ziele überlagerten Einzelinteressen und die erste finanzielle Verständigung auf das Konsolidierungskonzept war eine kluge Entscheidung. Die Neuordnung der Gemeindestruktur, das Verständnis der Beteiligten untereinander ist eine ganz neue Erfahrung im Jahre 2010 gewesen.

Unerwartet und hoffnungsvoll war 2010 der mit dem WWAZ verhandelte Kompromiss. Keiner hatte mehr an eine außergerichtliche Einigung in Bezug auf die finanzielle Erstattung des Anlagevermögens für Abwasseran- lagen in Höhe von 2,3 Millionen Euro vom WWAZ geglaubt, welche Anfang der Neunziger Jahre von den Gemeinden gebaut wurden. Nach einem Jahr Einheitsgemeinde liegt ein unterschriebener Vertrag auf den Tisch. Ein erster Erfolg der Einheitsgemeinde!

Die Bemühungen der Verwaltung zielen immer wieder darauf, die finanzielle Unterstützung des Landes für die Aufgaben zu nutzen. Ob beim Bau von Kindereinrichtungen, von Schulen, dem Breitbandausbau und bei anderen Projekten zur Aufgabenerfüllung - zuerst steht die Frage der Finanzierung mit der Unterstützung Dritter.

Insgesamt konnten Investitionen in allen Ortschaften von über 12 Millionen Euro mit knapp 7 Millionen Euro Fördermitteln finanziert werden. 2 der 7 Millionen Euro flossen allein aus dem Konjunkturpaket II der Bundesrepublik.

Der Gemeinderat selbst hat 2010 mit einem beeindruckenden Tempo bei Entscheidungen die Grundlage für diese Verfügbarkeit der Mittel in unserer Region gesorgt.

Nicht vergessen möchte ich die vielen kulturellen Ereignisse des Jahres 2010, insbesondere die gelungene Festveranstaltung mit der Ausstellung anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Bismarckturmes und den Tag der Regionen am 3. Oktober.

"Begleitung der Gebietsreform durch Innenministerium ist zögerlich geworden"

Volksstimme: Was sehen Sie im Rückblick kritisch?

Steffi Trittel: Es gibt zwei Dinge, die ich mir anders vorgestellt habe. Zum einen ist die Begleitung des Innenministeriums zu Fragen der Gebietsreform mit dem Tag der Unterschrift des Gebietsänderungs- vertrages sehr zögerlich geworden.

Vor Ort wünschen wir uns einen ausführlichen Kommentar zu rechtlichen Fragen der Gemeindeordnung.

Die neuen Strukturen benötigen eine besondere Unterstützung und das Verständnis der kommunalen Partner.

Die noch ausstehende Bearbeitung unseres Antrages auf nichtinvestive Mittel möchte ich in diesem Zusammenhang auch anführen.

"Ausgebliebene Besetzung von zwei Schulleiterstellen ist zu kritisieren"

Zweiter wesentlicher Kritikpunkt ist die fehlende Besetzung der Schulleiterstellen in Bebertal und Eichenbarleben. Nie musste ein Bildungswesen mehr leisten als heute. Es soll nicht nur Wissen vermittelt werden, sondern auch individuelles Potenzial junger Menschen gefördert und innovative Konzepte umgesetzt werden.

Bei uns fehlt es nicht an den materiellen Voraussetzungen, sondern am Schulleiter als Führungsperson. Ein Schulleiter ist das A und O einer Schule! Vielleicht erhört man unsere Bitten noch vor der Landtagswahl. Geschrieben haben wir mehrere Male, doch ohne jeden Erfolg!

Private Schulen sind den staatlichen Schulen in diesem Punkt weit überlegen.

Volksstimme: Was erwarten Sie für die Gemeinde Hohe Börde im kommenden Jahr und darüber hinaus?

Steffi Trittel: Ich wünsche mir erst einmal die Umsetzung des WWAZ-Vertrages, das heißt, dass alle vereinbarten Gelder fließen und somit die in diesem Zusammenhang begonnen Prozesse vor Gericht beendet werden können.

Das Land wird Anfang des Jahres unseren Antrag auf nichtinvestive Mittel bearbeiten. Mit dem Jahresabschluss 2010 werden wir einen besseren Überblick über die Einnahmen und Ausgaben im Verwaltungshaushalt erhalten und danach die Konsolidierung neu ausloten. Die sich verändernden demografischen, familiären und finanziellen Rahmenbedingungen erfordern eine ganzheitliche Planung der Daseinsfürsorge.

Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist mein persönliches Ziel, das Finanzkonzept für unsere Gemeinde so aufzustellen, dass wir dem umfassenden Versorgungsauftrag als Gemeinde gerecht werden können, dass wir Gestaltungsraum für unsere Bürger bekommen und insbesondere freiwillige Aufgaben nicht zu einer Restgröße abschmelzen müssen.

Für die Landtagswahl im März 2011 möchte ich alle Wahlberechtigten aufrufen, von ihrem demokratischen Recht Gebrauch zu machen.

Die Wahlbeteiligung geht zurück, obwohl die Bürger Mitwirkungsansprüche außerhalb der gesetzlichen Regelwerke anmelden.

Und natürlich sind wir weiter bemüht, Investitionen und Arbeitsplätze in unserer Gemeinde anzusiedeln.