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Stefan Klamke aus Bösdorf engagiert sich in Schwulen-und Lesbenpartei gegen Homophobie "Intoleranz soll endlich ein Ende haben"

Von Julia Schneider 08.02.2014, 02:26

Stefan Klamke ist ein ganz normaler Bösdorfer. Einzig seine sexuelle Gesinnung unterscheidet ihn von anderen. Der 37-Jährige ist homosexuell und kämpft seit dem vergangenen Jahr in einer neu gegründeten Partei für mehr Toleranz beim Umgang mit Schwulen und Lesben.

Bösdorf l Stefan Klamke öffnet die Tür und bittet in sein Einfamilienhaus in Bösdorf. Im Flur riecht es nach frischer Wäsche, aus dem Nebenzimmer ist der Geschirrspüler zu hören. Familienkatze Mimi streicht um Besucherbeine und möchte hinaus.

Stefan Klamke ist ein ganz normaler Mann. Er geht arbeiten, hat ein Haus, hat Kinder. Ja - auch eine Scheidung hat er bereits hinter sich. Obwohl ihn kaum etwas von den anderen Bösdorfern unterscheidet, setzt sich Stefan Klamke jedoch jeden Tag mit Hass auseinander. Ängste, Vorurteile, ja sogar Gewalt gehören für Stefan Klamke dazu, seit er sich vor etwa sieben Jahren geoutet hat. Der junge Mann ist homosexuell.

"Es ist natürlich möglich, dass hinter meinem Rücken getuschelt wurde."

Eines stellt Stefan Klamke jedoch gleich klar: In Bösdorf, seiner langjährigen Heimat, hat er noch nie Probleme gehabt. Dort lebte Stefan Klamke schon damals mit seiner Frau, seinem Sohn und seiner Tochter. Ein Haus wurde gebaut, der Familie ging es gut. Dann kam die Scheidung, die - wie bei anderen Paaren auch - ihre eigenen Probleme mit sich brachte. Erst lange danach outete sich Stefan Klamke, der gebürtig aus dem Landkreis Gifhorn kommt. "Natürlich war das nicht einfach. Weder für meine Ex-Frau, noch für meine Eltern und am allerwenigsten für mich", erzählt er rückblickend. Doch mittlerweile hätten sich alle Beteiligten mit der Situation arrangiert. "Auch meine Kinder wissen, dass ihr Vater schwul ist. Und es macht keinen Unterschied für sie", erklärt Stefan Klamke.

Mit seiner Homosexualität hält der 37-Jährige nicht hinter dem Berg. Mit seinem letzten festen Partner sei er natürlich auch Hand in Hand durch den Ort spazieren gegangen. Bisher sei in Bösdorf noch niemand auf ihn zugekommen und hätte eine Abneigung geäußert. "Es ist natürlich möglich, dass hinter meinem Rücken getuschelt wurde", räumt Stefan Klamke ein. "Aber ich war noch nie ein Mensch, der etwas auf Gerede gegeben hat. Ich stehe da drüber."

Obwohl der Familienvater, dessen Kinder abwechselnd bei der Mutter und bei ihm wohnen, bei den Bösdorfern an tolerante Menschen geraten zu sein scheint, beschäftigt er sich jedoch täglich mit dem Thema Homophobie.

"Homophobie spielt auf dem Land immer noch eine große Rolle."

Die offene Feindseligkeit gegen Schwule und Lesben sei laut Klamke nämlich gerade heute aktueller als je zuvor. "Durch das Internet, verschiedene Foren und Bekannte weiß ich, dass Homophobie auf dem Land immer noch eine große Rolle spielt", sagt er.

Immer noch herrsche in vielen Köpfen das traditionelle Familienbild vor. Selbst wenn, so Klamke, ein Schwuler ein ganz normales Leben mit Arbeit, Haus und Partner führt, fühlten sich Nachbarn und Bekannte schnell in ihren Idealen bedroht. Von Mobbing, Unterdrückung, Anfeindungen und sogar Gewalt werde heutzutage noch regelmäßig Gebrauch gemacht, wenn es um Homo- sexuelle gehe.

Stefan Klamke wollte nicht mehr still sitzen. Er schloss sich im vergangenen Jahr der Demokratischen Schwul-Lesbischen Partei (DSLP) an, die sich erst im Januar 2013 gründete. Der Bösdorfer ist ihr Ansprechpartner für Sachsen-Anhalt. Andere Mitglieder aus dem Bundesland gibt es kaum. "Bis jetzt haben sich vor allem Leute aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen angeschlossen. Dort sind die Ballungsgebiete und Großstädte, in denen Homosexuelle heute schon ganz anders leben, als im ländlichen Raum", weiß Stefan Klamke. Die deutschlandweite Partei, der er angehört, hat jedoch ohnehin gerade erst rund 140 ehrenamtliche Mitglieder, die sich eher als Interessen- gemeinschaft sehen.

Zunächst einmal sei es Stefan Klamke vor allem wichtig, dass es eine Anlaufstelle für das gesamte Thema Homo- sexualität gibt. Wer sich bedroht fühlt, wer Probleme hat, könne sich an die DSLP wenden und an den Bösdorfer.

Noch heute gäbe es so viele Vorurteile gegen Schwule und Lesben, die noch immer nicht aus der Welt geräumt werden konnten. So dürfen homosexuelle Männer noch immer kein Blut spenden - "Schwulsein bedeutet nicht, Aids zu haben, das ist schlimm, dass man das noch heute erklären muss", sagt Stefan Klamke.

Nur den Kopf schütteln kann der Bösdorfer außerdem über die Endlos-Debatten über Homosexualität im Unterricht. "Wenn Lehrer sagen, das Thema sei nicht in den Unterricht zu integrieren, ist das Blödsinn", sagt er. "Es gibt doch so viele Anlaufstellen, als erste zum Beispiel die Aidshilfe, die Experten haben. Wieso lässt man nicht einfach Leute sprechen, die Ahnung haben", fragt Stefan Klamke.

"Eltern, Lehrer, Nachbarn sind jederzeit willkommen, wenn sie Fragen haben."

Weil er der DSLP angehört, sieht sich der Bösdorfer aber noch lange nicht als Politiker. Für die kommende Kommunalwahl zu kandidieren sei ihm beispielsweise noch nicht in den Sinn gekommen. Mit seiner Arbeit für die DSLP wolle er dazu beitragen, dass die Gesellschaft toleranter wird. Skandale, wie der des kürzlich in Sachsen-Anhalt entlarvten homophoben Vereins, der Schwule heilen möchte und in den auch führende Politiker verwickelt waren, möchte Stefan Klamke nämlich nicht mehr erleben.

Mit einem Kollegen aus der DSLP möchte er im März eine deutschlandweite Anlaufstelle für Homophobie-Opfer einrichten. Aber nicht nur Schwule, die Probleme haben, sollen sich bei ihm melden. "Eltern, Lehrer, Nachbarn sind jederzeit bei mir willkommen, wenn sie Fragen haben oder wenn ich den Kontakt zu Gruppierungen und Experten herstellen soll", sagt Stefan Klamke. Er möchte der Intoleranz und der Angst vor dem Fremden endlich ein Ende machen.

Die DSLP im Internet: www.dslp-bundesverband.net; Stefan Klamke ist unter sachsen.anhalt@dslp-info.de erreichbar.