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89-Jährige ist seit 1986 die Chorleitern der "Heidelerchen" und arbeitet außerdem als Pilzberaterin Waldtraut Kerstan denkt noch nicht ans Aufhören

Von Sophia Ebers 12.09.2014, 01:06

Haldensleben l Waldtraut Kerstan blickt auf ihren Balkon und lächelt. "Es ist so schön zu sehen, wie es auf meinem Balkon blüht. Die Natur hat mich schon immer begleitet." Die 89-Jährige ist vor fünf Jahren in eine betreute Wohnung im Seniorenheim des DRK in Althaldensleben gezogen. Man kennt sie hier. Waldtraut Kerstan hat sich als Pilzberaterin und Chorleiterin der "Heidelerchen" längst einen Namen gemacht.

Auf Umwegen gelangte die gebürtige Niederlausitzerin 1945 nach Magdeburg. "Nach dem Arbeitsdienst bin ich zu meiner Tante in die Altmark gezogen und habe sie ein Jahr lang als Hausgehilfin unterstützt." Als ihre Tante nach München zog, machte Kerstan eine Ausbildung zur Heim- erzieherin. Erst in Osterburg, dann in Magdeburg. "Ich wollte aber nicht nur im Heim arbeiten. Also machte ich eine zweite Ausbildung zur Sozialarbeiterin", erklärt Kerstan. Als erste Fürsorgerin arbeitete sie daraufhin in der Psychiatrie in Haldensleben - kein einfacher Beruf: "Die Zustände kann sich heute keiner vorstellen", erklärt sie. "Wir hatten wenig Mittel, wenig Medikamente. Wir haben wirkliche Pionierarbeit geleistet. Aber es hat mir immer viel Freude bereitet." Ihre Augen leuchten, während sie auf ein paar Gemälde an ihrer Wand deutet. Mit den Patienten malte und bastelte Kerstan, ein paar der Bilder hängen heute noch in ihrem Wohnzimmer.

1952 gründete sie einen Patienten-Chor. "Natürlich haben uns alle prophezeit, dass das nichts wird. Aber es ist ganz groß geworden! Teilweise hatten wir 90 Mitglieder." Waldtraut Kerstan strahlt, während sie sich an die Zeit zurück erinnert. "Wenn sie zum Chor kamen, waren die Patienten meistens aggressiv oder traurig - und wenn sie raus gingen, lachten sie alle." Und es sollte nicht nur bei einem Chor bleiben. 1986 übernahm die Sozialarbeiterin die "Heidelerchen", den Senioren-Chor der Volkssolidarität. "Ich mache alle Lieder immer zwei Töne tiefer, da Senioren nicht mehr die Spannkraft haben, hoch zu singen. Es ist schauerlich, wenn ein Chor rumkrächzt. Das will doch keiner hören", lacht sie.

Neben der Musik hat Kerstan aber noch eine andere große Leidenschaft: Pilze. Als eine der Ersten legte sie eine Prüfung als Pilzsachverständige ab und arbeitet seitdem als Pilzberaterin. "Die Leute finden mich noch immer, auch hier im Seniorenheim. Oder sie rufen an und bitten mich um Rat", freut sie sich.

Einen Chor leiten, als Pilzberaterin arbeiten - das ist für eine Seniorin in Waldtraut Kerstans Alter keine normale Beschäftigung. Trotzdem gibt es für sie noch kein Aufhören. "Wir werden sehen, wie lange ich das noch mache. Ich habe mir da kein Ziel gesetzt." Weshalb es ihr auch als 89-Jährige noch immer gelingt, alles Mögliche auf die Beine zu stellen, weiß sie ganz genau: "Ich mache alles mit großer Leidenschaft. Ich bin immer sehr gefordert worden und das hat mich dazu gebracht, mehr über andere nachzudenken, als über mich selber. Und ich habe mir dabei immer gesagt: Man muss die Dinge positiv sehen."