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Oebisfelder-Weferlinger Stadtrat lässt Mitglieder des Gremiums und Beschäftigte der Verwaltung überprüfen Mehrheit will Klarheit über Stasi-Mitarbeit

Von Anett Roisch 25.09.2014, 03:13

Eine rege Diskussion hat es am Dienstagabend unter den Stadträten der Einheitsgemeinde Oebisfelde-Weferlingen gegeben, ob 25 Jahre nach dem Untergang der DDR eine Überprüfung der Mitglieder des neugewählten Gremiums auf eine Stasi-Mitarbeit nötig sei. Am Ende entschied sich jedoch eine große Mehrheit für die Überprüfung.

Walbeck l Die CDU-Fraktion der Stadt stellte den Antrag auf eine Überprüfung der kommunalen Mandatsträger und der Beschäftigten der Verwaltung auf eine Mitarbeit für das ehemalige DDR-Ministerium für Staatssicherheit (Stasi). "Das sind wir den Opfern der Stasi schuldig. Aber es darf auf keinen Fall eine Hetzjagd geben", sagte Karsten Schindler (CDU) zu Beginn der Diskussion. Er betonte, dass der Antrag auf Überprüfung nicht von ihm persönlich kommt, sondern von der CDU-Fraktion an ihn herangetragen wurde. Bis 2019 ist nach dem Stasi-Unterlagengesetz die Möglichkeit gegeben, die Stadt- und Gemeinderäte sowie die Wahlbeamten auf eine hauptamtliche oder in- offizielle Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staats- sicherheit der DDR überprüfen zu lassen. Auch Hans-Werner Kraul (CDU) plädierte für eine Schaffung von Klarheiten. "Wir sitzen hier, weil der Wähler es uns zutraut, dass wir für ihn Entscheidungen treffen. Es muss aber auch sein, dass der Wähler uns vertrauen kann", so Kraul.

Marko Alex (UWG) wollte wissen, warum dieser Antrag erst nach vier Jahren kommt. Er fragte, warum der vorherige Stadtrat nicht überprüft wurde: "Was passiert, wenn jemand überführt wird?" Sollte es im Rat einen oder mehrere Fälle für die Stasi-Mitarbeit geben, könnten die Betroffenen nicht gezwungen werden, ihr Mandat niederzulegen. Denn ein einmal erworbenes Mandat könne als Schlussfolgerung wegen einer Tätigkeit für die Stasi nicht aberkannt werden. Als Konsequenz könnten die betreffenden Personen aber zur Niederlegung ihres Mandats aufgefordert werden. "Wenn ein früherer Stasi-Mitarbeiter sagt: ,Ich wurde gewählt, die Leute wissen, mit wem sie es zu tun haben`, passiert nichts", meinte Alex und betonte, dass er sich selbst zum Thema "weit aus dem Fenster lehnen" kann, weil er selbst nach der Wende alle vier Jahre überprüft wurde. Die Stasi-Behörde würde nach seiner Ansicht jetzt nur noch eine Daseinsberechtigung suchen.

Thilo Walther (CDU) meinte, dass die Öffentlichkeit immer noch ein Recht auf diese Informationen habe. Walther meinte, dass eine Aufdeckung sehr wohl Konsequenzen hätte, denn schließlich müsste dann eine Kommission gebildet werden. Sabine Bastigkeit (Die Linke) wollten wissen, ob diese Überprüfung bei der Stasi-Behörde Kosten für die Stadt verursacht. Dies wurde verneint.

Klaus Gerike (UWG) hatte gleich seine Stasi-Akte mitgebracht. "Ich wohne im Sperrgebiet und könnte ein ganzes Buch schreiben", erzählte er. Bürgermeisterin Silke Wolf (Die Linke) erklärte, dass die Beschäftigten der Verwaltung, die 1991 in den Dienst übernommen wurden, gesetzlich überprüft wurden. "Eine nochmalige Überprüfung der Mitarbeiter kann nur mit Zustimmung des Einzelnen auf freiwilliger Basis erfolgen", sagte sie. Martin Herrmann (SPD) berichtete, dass er auch schon mehrmals wegen seiner damaligen Arbeit im Kreistag überprüft wurde, aber es in Ordnung findet, wenn dies noch mal passiert. "Aber was ist mit den Beschäftigten, die neu eingestellt wurden?", hakte Herrmann nach. Bogumila Jacksch (UWG) sagte zum Thema: "Mich wundert es, dass eine christliche Partei diesen Antrag gestellt hat. Christsein bedeutet doch auch Verzeihen." Darauf entgegnete Kraul: "Verzeihen können heißt doch aber auch zu wissen, was es zu verzeihen gibt. Was ist, wenn derjenige die Stasi-Mitarbeit hartnäckig abstreitet?"

Jürgen Böttcher (CDU) hob hervor, dass es nicht um Rache gehe. "In der ersten Legislaturperiode dachte ich, dass es ein Automatismus wäre, dass die Stadträte auf ihre Stasi-Mitarbeit überprüft werden. Erst jetzt haben wir festgestellt, dass das nicht so ist. Deshalb haben wir jetzt den Antrag gestellt", begründete Böttcher.

Abschließend sagte Schindler: "Ich war viereinhalb Jahre lang in der DDR Antragssteller für eine Ausreise und habe am eigenen Körper erfahren, was es bedeutet, im Visier der Stasi zu sein. Wer nichts zu verbergen hat, hat auch kein Problem mit der Überprüfung." Dem Antrag der CDU stimmte der Stadtrat mit 16 Ja-Stimmen sowie bei drei Gegenstimmen und sechs Enthaltungen zu.