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Ingeborg Erber aus Österreich beendete ihre Wanderung entlang der innerdeutschen Grenze "Ich habe mich nie einsam gefühlt"

Von Marita Bullmann 19.11.2014, 02:09

Gut vier Monate war die Österreicherin Ingeborg Erber an der früheren innerdeutschen Grenze unterwegs. Im Juli wanderte sie durch den Landkreis Börde, machte Station in Oebisfelde und Weferlingen. Die 45-Jährige hat Unvergessliches erlebt.

Landkreis Börde l In Travemünde gestartet, legte Ingeborg Erber im Durchschnitt täglich zwischen 20 und 30 Kilometer zu Fuß zurück - ganz allein. Immer entlang der einstigen deutsch-deutschen Grenze, entlang am "Grünen Band". Als sich vor 25 Jahren die Grenze öffnete, sei gerade ihre Tochter Daniela geboren, erinnerte sie sich. Und als sie vor geraumer Zeit einen Bericht über das "Grüne Band" und die Natur, die sich hier auf einzigartige Weise entwickelt hat, sah, nahm sie sich vor, die alte Grenzlinie zu erkunden. Da sie ohnehin gern wandert, war das Laufen für sie kein Problem.

Ingeborg Erber plante, nahm ein halbes Jahr Auszeit von ihrem Beruf und brach auf. Einen Schlafsack und mehrere Paar Schuhe zum Wechseln hatte sie immer dabei. Meist fand sie Pensionen, in denen sie übernachten konnte. Auf ihrer Tour hielt sie Kontakt zu ihrem Mann, ihrer Tochter und ihrem Sohn, mit denen sie sich unterwegs auch traf. Inzwischen ist sie wieder zu Hause in Mank in Niederösterreich und blickt gern auf die Zeit zurück.

"Ich hatte viele nette Begegnungen, meist, als ich vom Weg abkam oder bei der Quartiersuche."

Jeden Tag hat sich die Wanderin Notizen gemacht. So erinnert sie sich beispielsweise: "Am Sonntag, dem 7. September, habe ich an der Grenze wie zuvor des öfteren eine herzliche Bekanntschaft gemacht." Der Mann, den sie da traf, stieß mit ihr danach an einem Würstlstand in Grenznähe mit Bier an, dazu gab es Würstl. "Ein Schauspieler, der in Hof zur Zeit den König Lear spielt. So nahm dies ein herrliches Ende der ersten Etappe."

Nicht nur einmal habe sie sich verlaufen, stand plötzlich da, und der Kolonnenweg war zu Ende. "Man kann gar nicht beschreiben, wie mein Wegverlauf war. Jedenfalls beeindruckend. Wenn man mal absieht von den Fußschmerzen zu Beginn, der Hitze, den psychischen Strapazen, da ich ja nicht gewohnt bin, in solchen Ebenen zu marschieren", blickt sie zurück.

Und sie denkt gern an viele nette Begegnungen, "meist, als ich vom Weg abkam oder bei der Quartiersuche. Einladungen zu englischem Tee mit Schriftstellern in Obersuhl, Hessische Würstl von einem Griller, der am Wegesrand für eine krebskranke Frau grillte, einem Ehepaar aus Eisfeld, das mich spontan ansprach und zu einer Wallfahrt nach Vierzehnheiligen einlud, wo ich mit Freude mitging." Sie bekam Kaffee von Leuten, "wo ich in Haltestellen saß, um Rast zu machen, Einladungen zur Jause am Gehsteig, wo zu Beginn vier Frauen ein Plauderstündchen abhielten und am Ende es schon sieben waren." Das herzliche Gelächter hat Ingeborg Erber noch im Ohr.

"Wie ich auch gerne an das Gasthaus in Weferlingen ,Zur Sonne` denke, die Wirtin war wie die Sonne, und ein humorvoller Abend nahm seinen Lauf", so richtet sie auch Grüße aus. "Herrliche Quartiere lernte ich kennen, wie Hofcafés, Demeterhöfe", ergänzt sie. Besonders der Hof der Haselnussfamilie in Bind, wo sie auch Familienanschluss hatte, ist ihr in Erinnerung geblieben.

"Die größte Durststrecke war für mich im Elbgebiet bis nach Hornburg. Danach begannen die Berge, aber auch die Gewitterzeit. Landschaftlich gesehen war das Rhöngebiet wunderbar. Point Alpha und viele andere Ausstellungen, die im Grenzgebiet lagen, habe ich besucht und mit Neugierde den Vortragenden gelauscht. Ich war viel allein bei dieser Wanderung, habe mich aber nie einsam gefühlt", berichtet die Österreicherin.

Unterwegs traf sie auch auf fünf Wanderer, die ebenfalls diese Strecke in Angriff nahmen, "jedoch von Tschechien bis zur Ostsee rauf."

Und sie genoss die Natur: "Viele Stunden lag ich in der Sonne am Wegesrand, meinem Freund, dem Wind, zu lauschen, oder den Himmel zu beobachten. Man ist ganz bei einem und man denkt nichts. Das tut gut."

Nach ihrem ersten, dem größten Etappenziel, so erzählt sie, "entschied ich mich, den Pandurensteig von Waldmünchen nach Passau weiter zu marschieren, über den Oberpfälzer und den Bayerischen Wald. Ein herrlicher Wanderweg für 175 Kilometer. Der Pandurensteig hat einen geschichtlicher Hintergrund. Er geht danach in den Pfahlweg und in weiterer Folge in den Ilzwanderweg über."

"Für alle, die sich auf Wanderschaft begeben, sei vermerkt, lasst euer Handy daheim oder wirklich nur für Notfälle. Lasst euch Zeit für Gespräche."

Viel Regen habe sie in dieser Zeit begleitet. "In Passau, neu orientiert, entschied ich mich, mit einem Pilgerweg abzuschließen. Von Altötting, mit dem Zug angereist, nach St. Wolfgang am Wolfgangweg zu pilgern. Ein wunderbarer Weg, zwar mit viel Asphalt, aber landschaftlich ein Genuss." Danach fuhr sie noch quer über die Steiermark nach Mariazel, um ein Dankeschön an die Gottesmutter zu richten: "Für das Gesundbleiben und diese unvergesslichen Tage mit mir, den Begegnungen, dem vielen Lachen, und dass ich mit Gottvertrauen auf diese Reise gegangen bin und so belohnt wurde."

Für Ingeborg Erber, die als Behindertenbetreuerin arbeitet, hat diese Wanderung noch eine weitere Folge: "Jetzt beginne ich nebenberuflich eine Jahresausbildung zur Pilgerbegleiterin. Für alle, die sich auf Wanderschaft begeben, sei vermerkt, lasst euer Handy daheim oder wirklich nur für Notfälle. Lasst euch Zeit für Gespräche und genießt alles, was euch auf dem Weg passiert. Nehmt alles dankbar an."