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Jugendprojekt fördert gegenseitige Akzeptanz bei einheimischen und zugezogenen Jugendlichen Sich kennenlernen heißt verstehen

Von Marita Bullmann 26.02.2015, 02:18

Ob in Haldensleben, in Russland oder irgendeinem anderen Land der Welt geboren - junge Leute haben viel gemeinsam. Das herauszufinden, sich besser zu verstehen und gegenseitig zu akzeptieren, dabei will Irina Gubenko in einem dreijährigen Projekt helfen.

Haldensleben l Mit Jugendprojekten hat Irina Gubenko Erfahrung. Das jüngste Projekt läuft seit wenigen Wochen in Haldensleben. Sie hat schon einige Jugendliche motiviert und setzt darauf, dass sich noch weitere dafür interessieren und mitmachen werden. "Wir sind nicht anders, wir gehören dazu", heißt das Projekt und richtet sich an einheimische Jugendliche sowie an junge Leute aus Spätaussiedler- und Migrantenfamilien. Es geht um Integration.

2007 hat Irina Gubenko das erste Jugendprojekt gestartet. Die zweifache Mutter kam mit ihrer Familie als Spätaussiedler aus Kasachstan nach Deutschland und fand in Schönebeck ein neues Zuhause. Ein Sprachkurs half ihr, besser zurecht zu kommen. Schließlich habe sie eine ABM-Stelle in einer Beschäftigungsgesellschaft bekommen und dabei auch Kontakte zum Bund der Vertriebenen (BdV) geknüpft. Nach der ABM-Zeit hat sie sich beim Bund der Vertriebenen ehrenamtlich betätigt, hat zum Beispiel bei Migrantenberatungen übersetzt. Und dabei hat sie immer wieder festgestellt, "dass die Jugendlichen mit vielen Problemen zu kämpfen haben, wenn sie mit ihren Familien nach Deutschland kommen." Die Erwachsenen haben viele Probleme, die Sprache gut zu beherrschen, die deutschen Strukturen und Befindlichkeiten kennenzulernen. Wie viel mehr haben es dann die Jugendlichen, denn ihre Eltern können ihnen oft nicht helfen.

"Jugendliche haben mit vielen Problemen zu kämpfen"

So entstand die Idee für das erste Projekt. Einheimische Jugendliche sowie junge Leute aus Spätaussiedler- und Mi- grantenfamilien haben sich gemeinsam mit der deutschen Geschichte und Kultur beschäftigt. Sie hatten viel Spaß in der gemeinsam gestalteten Freizeit. Ein zweites Projekt mit derselben Zielgruppe schloss sich in Staßfurt an. Gemeinsam handeln und selbst aktiv werden, war das Motto. Dazu gehörte auch, zu zeigen, was passiert, wenn Jugendliche auf die schiefe Bahn kommen, es ging darum, den Jugendlichen zu helfen, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, Selbstwertgefühl zu entwickeln. Zu einigen der Jugendlichen aus den beiden Projekten hat Irina Gubenko immer noch Kontakt. Sie freut sich über jeden Anruf, jedes Treffen.

Die Jugendprojekte werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert, Träger ist der Bund der Vertriebenen in Sachsen-Anhalt. So kam die Spätaussiedlerin nach Haldensleben und ist hier seit einigen Wochen unterwegs, um Klinken zu putzen und Verbündete zu finden, und das recht erfolgreich. Sie hat Jugendliche für das gemeinsame Projekt begeistert, hat mit ihnen Pläne geschmiedet. Bei diesem Projekt geht es darum, wie sich die jungen Zugezogenen integrieren und wie die Einheimischen sie aufnehmen. Und es geht um das Bild der jungen Leute in der Öffentlichkeit. Wie werden sie hier wahrgenommen?

"Meine Vorfahren sind 1803 zur Krim ausgewandert und jetzt zurückgekommen"

Irina Gubenko hat schon gemeinsame Freizeitstunden mit jungen Leuten gestaltet, hat mit ihnen viele Gespräche geführt. "Die Jugendlichen haben sich dabei richtig geöffnet, haben ganz ehrlich ihre Gedanken geschildert. Und sie haben auch selbst sehr viel über die anderen Jugendlichen und ihre Kulturen erfahren", erzählt die Projektleiterin. Sich gegenseitig besser zu verstehen und sich zu akzeptieren, das ist für sie ganz wichtig.

Sie bleibt mit den jungen Leuten im Gespräch, und sie will kleine Interessengruppen aufbauen. So hofft sie, mit interessierten jungen Leuten auch handwerkliche Projekte in Angriff zu nehmen. Dass Jugendliche mal in ein Seniorenheim gehen und mit den Bewohnern gemeinsam basteln, könnte zum Beispiel auch dazu gehören. Sie wollen sich einbringen in die Gemeinschaft.

In ihrem gerade bezogenen Büro im Mehrgenerationenhaus EHFA (Ein Haus für Alle) hängen Schautafeln über die Geschichte der Russlanddeutschen. Das ist ein Stück auch ihre eigene Geschichte, sagt Irina Gubenko. So plant sie eine Gesprächsrunde, in der sie ihr Projekt vorstellen, aber auch über die Spätaussiedler sprechen möchte: "Ich will die Geschichte meiner Familie erzählen. Meine Vorfahren sind 1803 von Deutschland zur Krim ausgewandert und jetzt zurückgekommen."

Voraussichtlich am 29. Mai will sie mit Jugendlichen eine Busfahrt nach Potsdam unternehmen und lädt dazu interessierte Leute aus Haldensleben und Umgebung ein. Ilona, die vor zehn Jahren aus Moldawien nach Deutschland gekommen ist und das Gymnasium besucht, wird Reiseführerin sein.

Und mit interessierten jungen Leuten will sie auch bei Radtouren zum Beispiel dem Romanikradeln und der Aller-Elbe-Spritztour dabeisein. Fast mit jedem Tag kommen neue Ideen dazu. Interessierte junge Leute sind sehr willkommen.

So ist Irina Gubenko zu erreichen: iragub@gmx.de, Tel. 0152 31970454