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Vorschlag von Dirk Kuthe sorgt für Diskussion im Stadtrat "Wir müssen Asylbewerbern Sport als Zeitvertreib bieten!"

Von Anett Roisch 20.03.2015, 02:18

Dürfen Asylbewerber, die in Weferlingen untergebracht sind, für zwei Stunden in der Woche die Sporthalle kostenfrei nutzen? Über diese Frage haben sich die Stadträte der Einheitsgemeinde Oebisfelde-Weferlingen bei ihrer jüngsten Zusammenkunft gestritten. Am Ende fand der Antrag Zustimmung.

Weferlingen l Stadtrat Dirk Kuthe (SPD) schlug vor, den Asylbewerbern und Flüchtlingen in Weferlingen die Möglichkeit einzuräumen, sich in der Sporthalle bewegen zu können. Die Beschlussvorlage, mit der der Stadtrat die kostenlose Benutzung befürworten sollte, sorgte bei der Stadtratssitzung am Dienstagabend für eine rege Diskussion. "Ich habe ein wenig Bauchschmerzen. Wir sind in der Konsolidierung, deshalb habe ich mit der kostenlosen Nutzung ein Problem. Es muss doch einen Träger oder Betreiber für das Asylheim geben. Oder auch der Landkreis könnte doch die Kosten übernehmen", schlug Thilo Walther (CDU) vor. Er erinnerte an den Gleichbehandlungsgrundsatz und ergänzte: "Dann müssten ja auch alle anderen in den freien Hallenzeiten eine kostenlose Nutzung bekommen."

Jörg Stövesandt (CDU) sagte: "Wir können nicht unsere Rentner abkassieren, wenn sie die Dorfgemeinschaftshäuser benutzen und die Asylbewerber von den Kosten befreien. So wie jeder andere Bürger, der die Halle haben möchte, sollte auch der Betreiber oder der Landkreis zahlen."

Jörg Lauenroth-Mago (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den Antrag als außerordentlich gut. "Wir müssen kurzfristig reagieren und den Menschen Sport als Zeitvertreib anbieten. Sie haben ja sonst den Tag über nichts weiter zu tun. Und das ist ja ganz schrecklich. Deshalb finde ich es eine tolle Initiative. Wir sollten dem Antrag unbedingt zustimmen", appellierte Lauenroth-Mago.

Martin Krems-Möbbeck (SPD) erklärte: "Es geht darum, wie einer Bevölkerungsgruppe, die nicht in der Lage ist, die Kosten selbst aufzubringen, die Möglichkeit eröffnet wird, die Sportstätte zu benutzen." Dafür gäbe es - nach seiner Ansicht - Ausnahmeregelungen. "Wenn man den Landkreis dazu bewegen könnte, die Kosten zu übernehmen, wäre das wunderbar. Aber der Landkreis bringt Asylbewerber unter der gesetzlichen Verpflichtung unter. Der Landkreis wird darüber hinaus keine freiwilligen Aufgaben übernehmen. Wir haben aber doch als Kommune ein Interesse daran, dass keine Probleme mit dem Zuzug von etwa 200 Personen im Zusammenleben entstehen. Wir sollten deshalb Freizeitmöglichkeiten anbieten!", betonte Krems. Außerdem wäre es eine relativ günstige Möglichkeit - ohne Barmittel einzusetzen - einen eigenen Beitrag zu leisten.

"Ich könnte auf Anhieb zehn Bevölkerungsgruppen finden, die auch diese Kosten nicht aufbringen können."

Volker Marquardt, CDU

"Gleiches Recht für alle", forderte Volker Marquardt (CDU) und ergänzte: "Ich könnte auf Anhieb zehn Bevölkerungsgruppen finden, die auch diese Kosten nicht aufbringen können. Uns entstehen sehr wohl Stromkosten, Heizkosten und die Reinigung, die bezahlt werden müssen. Wir müssen einen Träger finden, der sich an den Kosten beteiligt." Er befürchtet, dass eine Sonderregelung für Missmut in der Bevölkerung sorgt. Sven Groneberg (SPD) sagte dazu: "Ich bin auch kein Freund von Ausnahmeregelungen, aber es gibt besondere Situationen, die besondere Umstände erfordern. Deshalb sollte die Möglichkeit für ein paar Stunden in der Woche im Rahmen der Menschlichkeit gefunden werden. Vielleicht finden sich Trainer, die Anleitungen geben und die Aufsicht führen." Manfred Wesche (CDU) fragte, über welche Größenordnung geredet wird, wenn die Halle zwei Mal in der Woche eine Stunde genutzt wird. Die Kosten würden sich auf etwa 15 Euro pro Stunde belaufen, hieß es aus der Verwaltung.

Kuthe schilderte, dass die Asylbewerber täglich an der Sporthalle vorbeigehen, sie würden auch mal zuschauen. Sie hätten mehrmals den Wunsch geäußert, mitzumachen. "Wir müssen diese Leute vorsichtig integrieren. Es geht erst mal ums Kennenlernen", erklärte Kuthe. Die Kinder und Jugendlichen seien ihm besonders ans Herz gewachsen. "Bei einer Kennenlernveranstaltung war die erste Frage der Jugendlichen, wo kann ich Fußball spielen", erzählte Kuthe. Er bot sich an, während der Hallenzeiten Aufsicht zu führen. "Wir wollen versuchen, über den Verein für die Integrationshilfe Geld zu beantragen", erklärte Kuthe, der Vorsitzender des MTV Weferlingen ist.

Kerstin Dörfel (CDU) erzählte: "Bürger fragten mich, ob es wahr ist, dass die Asylbewerber eine eigene Bushaltestelle bekommen haben. Ob es stimmt, dass extra für sie ein neuer Weg gebaut wurde, damit sie nicht auf der Straße laufen müssen und ob dieser Weg wirklich voll beleuchtet ist, während vielerorts jede zweite Straßenlampe ausgeschaltet wurde. Alle diese Fragen musste ich mit Ja beantworten. Es sind unbestritten arme Leute, aber ich tue mich schwer, wieder eine Extraregelung zu machen." Einheitsgemeinde-Bürgermeisterin Silke Wolf (Die Linke) erklärte: "Insgesamt wurden durch die Gemeinde drei Straßenlampen als Erweiterung in Auftrag gegeben, diese sind aber noch nicht installiert. Alles was der Bürger an Beleuchtung sieht, wurde vom Betreiber selbst hergestellt."

Stövesandt kritisierte: "Es wurde uns gesagt, dass dort Familien einziehen, aber es sind fast nur junge Männer." Sie würden in Gruppen durch den Ort laufen.

"Man erfährt über die Leute wesentlich mehr, wenn man mit ihnen persönlich spricht und sie nicht nur aus dem Fenster beobachtet."

Martin Krems-Möbbeck, SPD

Krems-Möbbeck lud die Stadträte zur nächsten Begegnungsveranstaltung ein: "Man erfährt über die Leute wesentlich mehr, wenn man mit ihnen persönlich spricht und sie nicht nur aus dem Fenster beobachtet." Krems begrüßte den Vorschlag, dass der MTV bei der Landesregierung Integrationshilfe im Sinne der Willkommenskultur beantragt. Bis dahin könnte die kostenlose Nutzung als Übergangslösung angeboten werden. Silke Wolf fasste den neuen Beschlusstext des Antrages zusammen: "Der Stadtrat befürwortet die kostenlose Hallennutzung für zwei Stunden wöchentlich, befristet bis zum 30. Juni und unter der Aufsicht des MTV." Mehrheitlich (16-Ja, 6-Nein und 2-Enthaltungen) stimmte der Rat der kostenfreien Hallennutzung zu.